Bochum. Das Ruhrstadion in Bochum hat vor 50 Jahren Flutlicht bekommen. Über den Energieverbrauch spricht man heute nicht mehr. Doch wir haben Zahlen.

Es war ein technisches Meisterwerk, von dem vor 50 Jahren fast ganz Bochum sprach. Über 50 Meter ragten die neuen Masten, die fortan die Silhouette der Stadt mitprägen sollten, in den Himmel.

Ganze fünf Stunden dauerte die Generalprobe am 6. Oktober 1972, in der Techniker noch einmal mehr als zehn Kilometer Kabel und 160 Scheinwerfer testeten. Dann war es so weit: Am 7. Oktober wurde die neue, hochmoderne Flutlichtanlage des VfL Bochum eingeweiht – standesgemäß mit einem 3:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach.

Der Aufbau war spektakulär.
Der Aufbau war spektakulär. © Stadt Bochum, Presseamt | Fotografen der Stadt Bochum

„Die neue Flutlichtanlage des VfL – ob sie modern sei wie die in München, besser etwa als die in Oberhausen, wie hoch ihre Masten seien, wie hell ihre Reflektoren – Bochums Fußballfreunde haben selten so viele Thekenwetten gewonnen oder verloren – und selten die WAZ-Telefone für ein solches Thema so strapaziert.“ Das schrieb die Bochumer WAZ am 7. Oktober 1972 vor der Bundesliga-Premiere der neuen Masten.

Technische Daten der Flutlichtmasten sind beeindruckend

Und nicht nur in der Stadt selbst, auch weit darüber hinaus wurde die neue Anlage staunend betrachtet. Tatsächlich waren die technischen Daten beeindruckend: 123 Treppenstufen führen im Inneren der mächtigen Masten hinauf und hinunter. Jeder Turm enthält 2,8 Kilometer Kabel, wiegt 22 Tonnen und steht auf einem Fundament von 35 Kubikmetern Beton, das 215 Tonnen schwer ist. Die maximale Höhe über dem Spielfeld liegt bei 52 Metern. Zudem enthält jeder Mast 40 durch Reflektoren verstärkte Strahler von je 3,5 Kilowatt.

„Ums anschaulich zu machen: Jeder Mast allein strahlt so hell wie etwa 3000 normale Glühbirnen im Haushalt“, schreibt die WAZ damals. „Diese Lichtstärke pro Mast entspricht präzise den Werten des Olympiastadions in München.“

Neue Anlage sogar fürs Farbfernsehen geeignet

Nötig geworden war die neue Anlage durch ein freudiges Ereignis im Jahr 1971: den Aufstieg des VfL Bochum in die Fußball-Bundesliga. Dadurch mussten Stadion und Umfeld an die Erfordernisse des Profifußballs angepasst werden. Mit den modernen Masten kehrt im Oktober vor 50 Jahren ein Stück Zukunft in Bochum ein.

„Anne Castroper“

Seit 111 Jahren wird an der Castroper Straße Fußball gespielt. Das erste Spiel fand am 8. Oktober 1911 statt. Damals standen sich der VfL-Vorgängerverein SuS Bochum 08 und der VfB Hamm gegenüber. Die damalige Spielstätte hieß schlicht „Sportplatz an der Castroper Straße“.

1921 entstand an dem Ort das „Stadion an der Castroper Straße“. Es fasste rund 50.000 Zuschauer und behielt diesen Namen bis 1979.

Von 1976 bis ’79 wurde das Stadion umgebaut. Der VfL spielte in dieser Zeit auf einer Baustelle. 1976 mussten die Bochumer sieben ihrer Heimspiele im Stadion am Schloss Strünkede in Herne und im Dortmunder Westfalenstadion austragen. Beim Umbau wurde auch die Leichtathletikanlage entfernt, der VfL bekam ein reines Fußballstadion.

Am 21. Juli 1979 wurde die neue Spielstätte unter dem Namen „Ruhrstadion“ mit einem Spiel gegen die SG Wattenscheid 09 eingeweiht. Der VfL gewann 3:0.-Von 2006 bis 2016 hieß das Stadion „Rewirpower Stadion“. Seit Juli 2016 lautet der offizielle Name nun „Vonovia Ruhrstadion“. Der aktuelle Namensrechte-Vertrag mit dem Wohnungsunternehmen läuft noch bis Juni 2026.

Begeistert schreibt die WAZ damals: „Und vollends erweist sich Bochums Flutlicht als zukunftsweisend: Es ist absolut fernsehgerecht ausgelegt, präziser: mit Blick auf das Farbfernsehen. Bochums Bauamt: ‚Um ein normales Fußballspiel regelrecht auszuleuchten, brauchen wir höchstens 350 bis 450 Lux. Wir haben aber 1100.‘“ Für Farbfernsehübertragungen, heute eine Selbstverständlichkeit, musste damals erst einmal die notwendige Infrastruktur geschaffen werden.

Doch was damals zukunftsweisend war, kann 50 Jahre später – in Zeiten, in denen Energie nicht mehr nahezu unbegrenzt zur Verfügung steht – problematisch sein. Ist es gar möglich, dass ein Flutlichtspiel in Bochum vor dem Hintergrund der Energiekrise ausfallen oder verschoben werden muss? „Als zuständiger Netzbetreiber in Bochum kann ich nur sagen, dass es derzeit keine Hinweise auf Versorgungseinschränkungen im Strombereich gibt und wir die Gefahr von Versorgungseinschränkungen im Strombereich auch für unwahrscheinlich halten“, sagt Stadtwerke-Sprecher Kai Krischnak dazu.

Flutlichtanlage verbraucht 2000 Kilowattstunden Strom an einem Heimspieltag

Doch wie viel Energie benötigt die Anlage bei vollem Betrieb? Dazu möchten sich heute weder der Verein noch die Stadtwerke äußern. Stadt-Sprecher Peter van Dyk verrät: „Während eines Heimspieltages ist, vorausgesetzt die Flutlichtanlage wird vollständig genutzt, ein Stromverbrauch von etwa 2000 Kilowattstunden zu verzeichnen.

Die Flutlichtmasten am Ruhrstadion prägen weiter den Eindruck.
Die Flutlichtmasten am Ruhrstadion prägen weiter den Eindruck. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Angesichts der aktuellen Diskussion und der Nachhaltigkeitsbemühungen des VfL Bochum wird aber bei jedem Spiel in Abhängigkeit von der Wetterlage mit dem Fernsehen die notwendige Lichtstärke besprochen. So konnte bei dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt ganz auf das Flutlicht verzichtet werden und bei dem Spiel gegen Union Berlin teilweise.“

Jahresbedarf von etwa 30 Privathaushalten

Das Kundenmagazin der Bochumer Stadtwerke aus dem Jahr 2005 ist bezüglich des Energieverbrauchs noch auskunftsfreudiger: „Allein die 168 Scheinwerfer an den vier Flutlichtmasten erleuchten das Spielfeld mit 588.000 Watt“, heißt es da. „Der Fernwärmebedarf [der Heizung] beträgt rund 200.000 Kilowattstunden im Monat, plus 2600 Kubikmeter Wasser für Duschen und Toiletten.“

Dazu komme der Strom für Kameramänner und Journalisten. „Summa summarum fällt die Power fürs Bochumer Fußballdorado ordentlich aus: Pro Monat benötigt das Stadion im Schnitt knapp 61.000 Kilowattstunden Strom, hinzu kommen weitere 39.000 Kilowattstunden für Stadioncenter, Gastronomie und Klimaanlagen. Insgesamt entspricht das dem Jahresbedarf von etwa 30 Privathaushalten.“

Masten sind älter als das Ruhrstadion

Energiefragen waren für die Menschen, die im Oktober 1972 das neue Flutlicht bestaunten, noch weit weg. Stattdessen machten sich die Fußballinteressierten damals eher Gedanken über ein neues Stadion. In den Nachbarstädten entstanden in dieser Zeit das Dortmunder Westfalen- und das Gelsenkirchener Parkstadion.

Obwohl sich auch in Bochum viele Fans ein neues Stadion wünschten, erhielt der Verein keine Genehmigung für einen Neubau. Man entschloss sich deshalb für einen Umbau. Dazu wurden die Masten 1975 in die Stadionecken versetzt, das neue Ruhrstadion entstand dann um die bestehende Flutlichtanlage herum.

1979 wurde das Stadion offiziell eröffnet. Es ist somit sieben Jahre jünger als die Flutlichtmasten, die laut VfL-Pressesprecher Jens Fricke seit damals zwar „ein paar Mal generalüberholt und TÜV-zertifiziert worden“ sind, aber ansonsten noch genau so dastehen, wie sie damals errichtet wurden. Seit nunmehr 50 Jahren.