Bochum. Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Bochum gekippt. Im Prozess war ein Verteidiger eingesetzt, der keine Zulassung hatte.

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Bochum gegen einen Räuber gekippt, weil dessen Pflichtverteidiger gar keine Anwaltszulassung mehr hatte. Der Prozess muss nun komplett neu aufgerollt werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt indes gegen den Anwalt wegen des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen.

Im Dezember war Sven S. vor dem Bochumer Landgericht wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des Raubes, des versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls, des Diebstahls sowie des Versuchs der Anstiftung zur Falschaussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

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Unter anderem hatte er nach Auffassung des Gerichts bei einem Einbruch einer Anwohnerin Reizgas ins Gesicht gesprüht, weil sie sich ihm in den Weg gestellt hatte und versuchte einen Zeugen durch massives Auftreten zu einer bestimmten Aussage zu drängen. Ein Prozess – und ein Urteil – wie sie am Landgericht Bochum ganz regelmäßig und oftmals ohne große Beachtung stattfinden.

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Bundesgerichtshof kippt das Urteil vom Landgericht Bochum

Das sollte dieses Mal anders sein. Der Verurteilte legte Revision ein – und bekam von den Bundesrichtern Recht. „Das Urteil (...) ist (...) aufgehoben“, so heißt es aus Karlsruhe. Der Verurteilte sei allein von dem „ihm beigeordneten weiteren Pflichtverteidiger verteidigt“ worden. „Dieser war seit dem 2. Dezember 2021 nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassen“, so heißt es weiter.

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Die Konsequenz: „Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung (...) an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen“, so die Bundesrichter.

Der Prozess muss nun vor dem Landgericht Bochum neu aufgerollt werden. Das sei „ein großes Thema“ bei der Richterschaft, heißt es.
Der Prozess muss nun vor dem Landgericht Bochum neu aufgerollt werden. Das sei „ein großes Thema“ bei der Richterschaft, heißt es. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Hätte aber am Landgericht Bochum nicht auffallen müssen, dass dem Pflichtverteidiger seine Zulassung entzogen wurde? „Es ist in der Praxis absolut unüblich, im Rahmen einer Gerichtsverhandlung die Zulassung von Anwälten zu überprüfen, dies gilt sowohl für den Zivil- als auch für den Strafbereich“, sagt Katja Nagel, Richterin am Landgericht. Der Grund: Es handele sich um Organe der Rechtspflege, denen grundsätzlich ein gewisses Vertrauen entgegen gebracht werde.

Vorfall ist „ein großes Thema“ in der Richterschaft am Landgericht Bochum

Der Vorfall sei in der Richterschaft deshalb aktuell auch ein großes Thema. Ein Termin für die erneute Verhandlung steht noch nicht fest. Der Angeklagte sitzt weiterhin aufgrund eines Untersuchungshaftbefehls in Haft.

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Auch die Staatsanwaltschaft interessiert sich für den Fall und hat Ermittlungen mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen eingeleitet. Warum der ehemalige Anwalt seine Zulassung verloren habe, sei nicht bekannt, sagt Oberstaatsanwalt Paul Jansen auf Nachfrage der WAZ. Der Beschuldigte habe sich noch nicht geäußert. „Erkenntnisse zu ähnlichen Tatvorwürfen gegen den Beschuldigten liegen uns zurzeit nicht vor.“