Bochum. Auf einen schwierigen Flüchtlingswinter bereitet sich die Stadt Bochum vor. Die Sozialdezernentin weist auf eine große Finanzierungslücke hin.
Großes Verständnis für die Sorgen vieler Kommunen nach dem sogenannten Flüchtlingsgipfel in Berlin am Dienstag (11.) hat die Bochumer Sozialdezernentin Britta Anger: „Was da jetzt etwa mit der Bereitstellung von Bundesimmobilien für Flüchtlinge passiert ist, ist nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.“ In Bochum gebe es ohnehin kaum noch solche Immobilien, die kurzfristig ertüchtigt werden könnte. Mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen in Bochum gibt es darüber hinaus Befürchtungen, was die Finanzierung angeht.
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Im Sozialdezernat liegen die neuesten Zahlen vor. Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind insgesamt 3259 Menschen aus der Ukraine nach Bochum gekommen. Wobei allerdings nicht sicher ist, wie viele sich tatsächlich noch in der Stadt aufhalten. Sicher ist, so die Stadt, dass derzeit 450 Personen in städtischen Unterkünften, auch von der Stadt angemieteten Wohnungen leben. Ein Großteil der aus den ukrainischen Kriegsgebieten geflüchteten Menschen ist bei bereits in Bochum lebenden Angehörigen untergebracht.
Kosten von 15,4 Millionen Euro nahezu gegenfinanziert
Jetzt hat das Amt für Finanzsteuerung erstmals die Kosten ausgerechnet, die auf die Stadt aufgrund der Kriegsfolgen zugekommen sind und noch werden. Sie dürfte allerdings höher liegen, da das Amt noch mit Flüchtlingszahlen aus Juni rechnete, damals waren es erst 2850 ukrainische Flüchtlinge. Hinzu kommen rund 1250 Flüchtlinge aus anderen Regionen, insbesondere Syrien oder Afghanistan.
Nach Berechnungen der Stadt wendet Bochum aktuell 15,4 Millionen Euro für ukrainische Flüchtlinge auf. Dabei sind die größten Posten: Kosten der Unterkunft und Heizung (3,2 Mio), Aufwendung für Essen 2,2 Mio), Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (2,3 Mio), Unterhaltung (2,3 Mio) und 1,2 Mio Euro für die Unterbringungen in Pensionen und Hotels. Davon bekommt die Stadt aus Bundes- und Landesmitteln 15,1 Millionen Euro erstattet.
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„Das ist für uns aber überhaupt kein Grund, erleichtert zu sein. Die Integrationskosten sind bei diesen Aufstellungen eben nicht berücksichtigt“, sagt Britta Anger. Sie verweist darauf, dass es bisher keine Entlastungen bei der Grundversorgung für die Flüchtlinge, wie etwa Kitaplätze, Sprachkurse oder Schulunterricht gebe. Hier rechne die Stadt bisher mit einer Summe von 15.000 pro Jahr und Person. Da kommt eine ganz andere Summe zusammen: Bei angenommenen 3000 Personen sind das 45 Millionen Euro, ohne eine entsprechende Gegenfinanzierung.
Doch auch abseits der Flüchtlinge aus der Ukraine steuert die Stadt auf einen schwierigen Winter zu. Pro Tag kommen derzeit täglich zehn unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach Bochum. Es sind bereits drei Turnhallen als Unterbringungsmöglichkeiten bereitgestellt, was zuletzt für scharfe Kritik gesorgt hat. Darüber hinaus rechnet die Stadt auch mit einem weiteren Zustrom über die sogenannte Balkanroute. Um gewappnet zu sein, laufen die Vorbereitungen für den Aufbau sogenannter Thermo-Leichtbauhallen auf dem Gelände Auf dem Esch in Wattenscheid. Hier sollen bis zu 300 Plätze geschaffen werden. Mit der Fertigstellung seit erst zum Jahresbeginn zu rechnen.
Unterbringungskapazitäten wurden nach unten gefahren
Carla Scheytt, Koordinatorin des „Initiativkreises Flüchtlingsarbeit Bochum“, wo freie Träger aber auch die Stadt mit an Bord ist, sieht die Schwierigkeiten, übt aber auch Kritik am Verhalten der Stadt. „Warum sind die Kapazitäten in Bochum wieder so stark nach unten gefahren worden? Container-Unterkünfte sind mit Sicherheit besser als Leichtbauhallen.“
Zudem sieht sie eine „faktische Ungleichbehandlung“ der verschiedenen Flüchtlingsgruppen, was Konfliktpotenzial berge. Während etwa Menschen aus Nordafrika oder Syrien das langwierige Asylbewerberverfahren durchlaufen, erhielten Geflüchtete aus der Ukraine sofort den Bleiberechtsstatus, was ihnen etwa ermögliche, eine Arbeit aufzunehmen. „Wenn für diese Menschen diese Wege funktionieren, sollte es für alle anderen auch gelten“, so Scheytt.