Düsseldorf. Zur Anrechnung von Menschen in Landeseinrichtungen gibt es widersprüchliche Aussagen. Ruf nach neuem Verteilverfahren wird lauter.

Neuer Ärger um die Flüchtlingsverteilung in Nordrhein-Westfalen: Kommunen, die große Landeseinrichtungen zur Erstversorgung von zugewanderten Menschen auf ihrem Stadtgebiet haben, rätseln offenbar über die Anrechnung auf das eigene Personenkontigent. Also: Muss eine Stadt, die schon viele Menschen über Plätze in Landeseinrichtungen aufnimmt, trotzdem noch einmal genauso viele Flüchtlinge in kommunalen Unterkünften versorgen wie je andere Stadt?

Für Kommunen wie Herford, Bochum oder Herne, die große Landeseinrichtungen beherbergen, ist das eine sehr relevante Frage. Längst wissen viele Stadtverwaltungen in NRW nicht mehr, wie sie die seit Wochen stark steigende Zahl an Flüchtlingen in Wohnungen, Kitas und Schulen unterbringen sollen.

Widersprüchliche Aussagen zur Anrechnung von Flüchtlingen

NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) hatte am 21. September im Integrationsausschuss des Landtags erklärt, es finde „kein Anrechnung“ statt. Am 28. September überraschte sie wiederum in der Fragestunde des Parlaments mit der Aussage, die belegten Plätze würden „eins zu eins“ angerechnet. Derweil hieß es aus der Bezirksregierung, die Plätze in einer Landeseinrichtung würden teilweise auf das kommunale Kontigent angerechnet.

SPD-Fraktionsvize Christian Dahm forderte am Wochenende in einem Schreiben an Paul, das unserer Redaktion vorliegt, eine umgehende Klarstellung. „In dieser überaus angespannten Lage braucht es klare Kommunikation und verlässliches Handeln“, heißt es in dem Brief. „Das Informationschaos des Ministeriums belastet Kommunen zusätzlich“, kritisierte Dahm auf Nachfrage.

Schon jetzt so viele Menschen untergebracht wie in der Flüchtlingskrise 2015

Ebenso notwendig wie eine unmissverständliche Kommunikation mit den Kommunen sei ein strukturiertes Zuweisungsverfahren und der massive Ausbau der Kapazitäten von Landeseinrichtungen, so Dahm.

Inzwischen haben bereits so viele Menschen in NRW Schutz gesucht wie während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Diesmal tragen aber vor allem die Kommunen die Hauptlast, da eine zentrale Steuerung von Unterbringung und Versorgung schwierig ist. Zum Stichtag Mitte September waren im Ausländerzentralregister allein 214.772 Menschen gemeldet, die seit dem Kriegsausbruch im Februar aus der Ukraine nach NRW gekommen sind.

Ukrainer werden nicht zentral in NRW verteilt

Das Verfahren zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine ist ein neues und wird erstmalig EU-weit angewendet. Ukrainer können zunächst mit einem Touristenvisum einreisen und sich dann dort niederlassen, wo sie bereits Freunde oder Verwandte haben. Das soll Ankommen und Integration in Deutschland erleichtern. Das Problem: Es findet kaum noch eine Koordinierung und gleichmäßige Verteilung durch das Land statt. Da sich parallel auch wieder große Zahlen anderer Flüchtlinge über die Türkei auf den Weg nach Deutschland machen, arbeiten zahlreiche Kommunen nach eigener Aussage „längst am Limit“.