Bochum. Seit Ausbruch der Pandemie hat sich die Zahl der abgegebenen oder „gefundenen“ Tiere in Bochum verdoppelt. Klarer Zusammenhang mit Corona.
Nach fast drei Jahren Corona-Pandemie spitzt sich die Situation im Bochumer Tierheim mehr und mehr zu. Noch nie zuvor seien im Tierheim Bochum an der Kleinherbeder Straße so viele Tiere aufgenommen worden. Nach einer aktuellen Schätzung hat sich die Zahl der hier abgegebenen oder aufgenommen Tiere im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit in etwa verdoppelt.
Tierheim verzichtet bewusst auf Aufnahmestopp
„Wir haben ganz bewusst darauf verzichtet, einen Aufnahmestopp, wie er bereits in vielen Städten besteht, anzusprechen. Denn im Notfall kümmern wir uns natürlich“, so Michael Schneider, Vorsitzender des Tierschutzvereins Bochum, Hattingen und Umgebung, der das Tierheim betreibt. Doch er ist frustriert. Da werden Kaninchen in Kartons auf den Müll gestellt, Hunde einfach im Wald ausgesetzt oder Meerschweinchen im Käfig vor dem Tierheim einfach zurückgelassen.
Dabei ärgert Schneider vor allem die Tatsache, dass der Tierschutzverein und das Tierheim regelmäßig Beratungen vor dem Kauf eines Tieres anbieten. Da gehe es dann um Fragen wie „Passt so ein Tier zu meinem Urlaubsverhalten?“ oder „Kann ich mir einen Hund überhaupt finanziell leisten?“. Da gebe es mittlerweile gute Checklisten.
Der Grund für den Zusammenhang zwischen Pandemie und Haustier ist seit langem bekannt. „Gerade zu Beginn der Pandemie, als viele Menschen kaum noch Kontakte hatten, einsam waren, haben sie sich oft Tiere angeschafft“, weiß die stellvertretende Leiterin des Heims, Sabine Srock.
Sie sieht tagtäglich die Konsequenzen menschlichen Irrtums und vielfältiger Fehleinschätzungen im Tierheim. „Ja, da gibt es auch viel Scham“, sagt die erfahrene Hundepflegerin. Zwar könne sie es nicht definitiv beweisen, aber die Zahlen sprechen eine eigene Sprache.
Immer mehr behaupten: Das Tier habe ich gefunden
Im Vergleich zu 2019, dem letzten Vor-Corona-Jahr, habe sich die Summe der abgegebenen Tiere etwa verdoppelt. Was aber beinahe noch bemerkenswerter ist. Das Verhältnis hat sich verändert: Immer mehr Menschen, etwa ein Viertel mehr als früher, geben an, ihnen sei ein Tier zugelaufen. Wo früher jemand kam und räumte ehrlich ein, er könne aus diesem oder jenem Grund das Tier nicht mehr halten, behauptete eine steigende Zahl von Menschen, das Tier gefunden zu haben oder es sei ihnen zugelaufen.
Zurzeit rein gar nichts gehe in den sogenannten Katzenstuben, die sind mit 80 Tieren aktuell voll belegt. Schneider und Srock wissen, dass in der Not Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen Tier sogar für eine Zeit mit in die eigene Wohnung nehmen, um sie aufzupäppeln. Extrem zugenommen habe auch die Anzahl von Menschen, wo eine Verwahrlosung von zu vielen Tieren in einer Wohnung oder einem Haus, dem sogenannten „Animal Hoarding“, die Stadt zum Einschreiten zwingt. Diese Tiere müssen dann ebenfalls aufgenommen werden, es handelt sich um krankhaftes Sammeln von Tieren.
„Der Hund funktioniert nicht mehr“
In den letzten Wochen beobachten die Bochumer Tierschützer jetzt, dass vermehrt Hunde abgegeben werden. „Das sind oft solche, die nun mit etwa zwei Jahren erwachsen geworden sind und aus verschiedenen Gründen von den Besitzern nicht mehr gewollt werden“, so Srock. Oft heißt es dann, der Hund beißt, lässt mich nicht mehr in die Wohnung oder schlicht: „Der Hund funktioniert nicht mehr.“ Das seien dann die Hunde, die zu Beginn der Pandemie als süße kleine Welpen in die Familien gekommen und oft schlicht nicht erzogen worden seien.
Michael Schneider kennt mindestens einen weiteren, ziemlich traurigen Hintergrund: „Da werden im Internet auf Portalen häufig junge Hunde, etwa aus dem östlichen Europa, zu Billigpreisen verkauft.“ Diese Tiere haben oft viel durchgemacht und hätten hier Schwierigkeiten. „Da kann ich nur den Kopf schütteln, wenn das unter der Überschrift ‘Hunderettung’ verkauft wird.“