Bochum. An Hochschulen gibt es wenige Professorinnen. Dabei bietet die Professur große Flexibilität bei der Familiengründung, sagt die THGA-Präsidentin.

An der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) kommen auf 35 Professoren nur vier Professorinnen. Seit kurzem ist Prof. Susanne Lengyel als neue Hochschulpräsidentin im Amt. Wie sie als alleinerziehende Mutter zweier Kinder ihre akademische Karriere verfolgte und mehr Professorinnen für die THGA gewinnen will, verrät Sie im WAZ-Interview.

Frau Prof. Lengyel, wie schwer ist es, parallel zur akademischen Karriere eine Familie zu gründen?

Karriere und Familie parallel zu stemmen, das ist nicht einfach – ob man eine Hochschule leitet oder ein Unternehmen. Doch ich glaube nicht, dass die Situation an einer Hochschule anders ist als beispielsweise in der Industrie. Es sind mehr die Hürden in den Köpfen.

Was meinen Sie damit?

Ich denke, die Gesellschaft bewegt sich in die richtige Richtung, aber es dauert ewig, bis sich etwas ändert. Wenn die Elternzeit gerechter aufgeteilt würde, wären die Karriere-Chancen viel ausgeglichener. Doch wir erleben eine Retraditionalisierung. Viele Frauen starten an der Uni mit dem Wunsch nach einer akademischen Karriere, bekommen dann ein Kind und bleiben anschließend mehr Zuhause als der Vater.

Gibt es da keine spezifischen Hürden?

Eine Professur beziehungsweise wissenschaftliche Laufbahn bietet eigentlich hervorragende Möglichkeiten, parallel zum Job eine Familie zu gründen – angefangen mit Teilzeitmodellen, die an Hochschulen weit verbreitet sind, flexiblen Arbeitszeiten und seit der Pandemie auch Home-Office-Tage.

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Die Zeit der Familiengründung fällt bei vielen in ihre Promotionszeit, die je nach Fachbereich mit befristeten Verträgen einhergeht.

Befristete Verträge hängen häufig mit projektbezogenen Budgets zusammen. Da sehe ich die Politik in der Pflicht, Forschungsprojekte von vornherein für eine längere Zeit zu finanzieren – und nicht, wie bislang üblich, alle zwei Jahre die Förderung aufs Neue zu verlängern.

Wie ist die geringe Zahl weiblicher Professorinnen an der THGA zu erklären?

Eine Hochschule wie unsere – mit einer klaren Fokussierung auf technisch-ingenieurwissenschaftliche Bereiche – zieht deshalb immer noch mehr Studenten an als Studentinnen, dadurch sind auch mehr Männer im akademischen Mittelbau und später in den Professuren vertreten. (Lesen Sie hier: Unikarriere=Männersache – Bochums Hochschulen legen ihre Zahlen offen)

Wie haben Sie das gestemmt?

Als ich meine Professur angenommen habe, war ich mit zwei Kindern alleinerziehend, mein Sohn war fünf, meine Tochter neun Jahre alt. Das war nicht einfach, aber ich habe es geschafft, indem ich die Optionen genutzt habe, die es gab, beispielsweise den offenen Ganztag. Man muss es aushalten, wenn andere Mütter am Nachmittag mit ihren Kindern auf dem Spielplatz sind. Das ging bei mir nicht. Ich habe abends, wenn die Kinder im Bett waren, meine Vorbereitungen für den nächsten Tag getroffen. Ich spreche heute viel mit meinen Kindern darüber, sie sagen: Wenn ich daheimgeblieben wäre, wäre ich nicht glücklich geworden. Ich bin auch deshalb zur Präsidentin berufen worden, um zu zeigen, dass es geht – Familie und Karriere. Und ich bin hier angetreten, um mehr Frauen in diese MINT-Berufe (steht für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zu locken.

Wie wollen Sie das anstellen?

An unserer Hochschule bieten wir auch berufsbegleitende Studiengänge an, mit Kursen, die am Wochenende und unter der Woche ab 17 Uhr stattfinden. Das bietet Studierenden sowie Dozenten und Dozentinnen mit Kindern eine hohe Flexibilität. Wir versuchen, mit eigenen Programmen Frauen in die MINT-Professuren zu ziehen, zum Beispiel über kleine Lehraufträge, um ihnen den Einstieg zu ermöglichen.