Bochum. Seit Wochen kann ein Junge aus Bochum nicht zur Schule, weil zu Hause der Aufzug kaputt ist. Er sitzt im Rollstuhl und wohnt 118 Stufen hoch.

Familie Abelyan aus Bochum-Querenburg ist verzweifelt: Weil der Aufzug des Wohnhauses am Hustadtring seit vielen Wochen kaputt ist oder nur sehr unzuverlässig fährt, kann Sohn Eduard das Haus kaum verlassen. Der 13-Jährige sitzt im Rollstuhl und ist auf den Aufzug angewiesen. Die letzten eineinhalb Monate des vergangenen Schuljahres hat er dadurch verpasst. Und auch jetzt konnte er seit Schulstart nur an drei Tagen am Unterricht in der Erich-Kästner-Gesamtschule (EKS) teilnehmen. Das ist aber nicht Eduards einziges Problem.

Aufgrund seiner Behinderung müsste der Junge auch regelmäßig zu Ergotherapie und Krankengymnastik. „Und im Oktober haben wir einen wichtigen Termin bei einem Professor in der Klinik“, sagt die Mutter Lusine Abelyan. Aktuell wisse sie nicht, ob man dorthin könne. „Alles hängt vom Fahrstuhl ab.“

Dieser sei immer zuverlässig gefahren, sagt Lusine Abelyn, die mit ihrem Mann und zwei weiteren Kindern seit sechs Jahren in dem Hochhaus in der Hustadt wohnt. Dass sie trotz Eduards Behinderung in die oberste Etage gezogen sind, war der Wohnungsnot geschuldet. „Wir haben nichts anderes gefunden“, sagt die Mutter.

„Aufzug außer Betrieb“ – dieser Hinweis klebt laut Familie Abelyan aus Bochum schon seit längerem an der Aufzugstür im Erdgeschoss ihres Wohnhauses. Laut Vermieter gab es nur im Juli sowie im September zwei Meldungen von Störungen. Diese seien durch die beauftragte Aufzugs-Fachfirma kurzfristig behoben worden.
„Aufzug außer Betrieb“ – dieser Hinweis klebt laut Familie Abelyan aus Bochum schon seit längerem an der Aufzugstür im Erdgeschoss ihres Wohnhauses. Laut Vermieter gab es nur im Juli sowie im September zwei Meldungen von Störungen. Diese seien durch die beauftragte Aufzugs-Fachfirma kurzfristig behoben worden. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Keine optimale Wohnsituation: Auch wenn der Aufzug fährt, kann Eduard nicht ohne Weiteres das Haus verlassen, geschweige denn hinein. Denn es ist nicht barrierefrei. So oder so müssen noch acht Stufen überwunden werden, um nach draußen bzw. zum Aufzug zu gelangen. „Da hilft dann immer mein Mann“, erzählt Lusine Abelyan. „Vom Erdgeschoss hievt er den Rollstuhl Stufe für Stufe runter zur Haustür. Und wenn es zurück ins Haus geht, runter ins Souterrain und von dort mit dem Aufzug nach oben. Die Treppe hoch schafft mein Mann es nicht.“

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Und erst recht keine 118 Stufen. Der Junge selbst war einmal dazu gezwungen. „Das war ein Tag, an dem der Aufzug zunächst gefahren ist“, berichtet seine Mama. „Als wir abends nach Hause kamen, funktionierte er dann wieder nicht. Der Notdienst riet uns, die Feuerwehr zu rufen. Aber ich hatte Sorge, dafür bezahlen zu müssen. Also ist Eduard die 118 Stufen hochgekrabbelt. Am nächsten Tag waren seine Beine blau.“

Für die Familie aus Armenien ist das alles kein Zustand mehr. Sie hofft nun über die WAZ zu erreichen, dass zumindest der Aufzug repariert wird. Anrufe beim Vermieter seien im Sande verlaufen. Und sie hofft auf eine andere Wohnung. „Ob Langendreer oder Wattenscheid, egal wo“, sagt die 38-Jährige. „Hauptsache im Erdgeschoss.“

In diesem Haus in der Hustadt in Bochum wohnt Eduard Abelyan mit seiner Familie ganz oben. Wenn der Aufzug nicht richtig funktioniert, ist der Junge, der im Rollstuhl sitzt, aufgeschmissen und vom alltäglichen Leben ausgeschlossen.
In diesem Haus in der Hustadt in Bochum wohnt Eduard Abelyan mit seiner Familie ganz oben. Wenn der Aufzug nicht richtig funktioniert, ist der Junge, der im Rollstuhl sitzt, aufgeschmissen und vom alltäglichen Leben ausgeschlossen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die EKS ist ebenfalls in Sorge um Eduard, der die Hausaufgaben von seiner Schwester Astghik (14), die wie er die achte Klasse besucht, mitgebracht bekommt. Schulleiter Ludger Jonischeit bestätigt, dass Eduard „im letzten Monat des vergangenen Schuljahres nicht zur Schule kommen konnte, da der heimische Aufzug defekt war. In diesem Schuljahr war Eduard erst drei Tage – vom 15.8. bis 17.8. – in der Schule“.

Die Lehrer hätten sich beim Wohnungsamt für eine rollstuhlgerechte Wohnung eingesetzt. Jonischeit: „In diesem Schuljahr wurde wöchentlich Kontakt zur Wohnungsgesellschaft aufgenommen – erfolglos. Auch zur Aufzugsfirma wurde seitens der Schule Kontakt aufgenommen, das letzte Telefonat wurde nach Nennung der Problematik seitens der Aufzugsfirma kommentarlos durch Auflegen beendet.“

Auch die Wohnungsaufsicht der Stadt prüfe nun, „ob wir an dieser Stelle aktiv werden können“, teilt Stadtsprecherin Charlotte Meitler mit. Bisher sei der Sachverhalt dort nicht bekannt gewesen. Die vorübergehende Einrichtung von Unterricht per Videokonferenz sei der EKS mit ihrer technischen Ausstattung grundsätzlich möglich. „Falls es dabei Schwierigkeiten gibt, ist unser Schulverwaltungsamt gerne zur Unterstützung bereit.“

Hilfe bei Wohnungssuche

Laut Stadt liegt „seit Mai 2022 unserer Wohnraumförderung ein Antrag der Familie Abelyan auf eine rollstuhlgerechte Wohnung vor“, teilt Sprecherin Charlotte Meitler mit. „Bei der Familie ist dabei auch eine hohe Dringlichkeit vermerkt. Bislang konnten wir der Familie aber kein passendes Wohnungsangebot machen.“

Für die gesamte fünfköpfige Familie liege ein Wohnberechtigungsschein vor. Meitler: „Das in Kombination mit der Rollstuhleignung ist eine besondere Herausforderung bei dem begrenzten Wohnungsmarkt. Die Kolleginnen und Kollegen des Fachamtes sind aber weiter sehr bemüht, eine passende Wohnung für die Familie zu finden.“

Auch die Peach Property Group will helfen: „Wir verstehen, dass die baulichen Bedingungen nicht zum Alltag des Mieters passen. Daher sagen wir zu, dem Mieter die nächste freiwerdende Wohnung gleicher Größe in einem barrierefreien Haus anzubieten.“

Wer Familie Abelyan eine Wohnung anzubieten hat, der kann sich bei der WAZ-Redaktion melden. Per Mail an: gernot.noelle@funkemedien.de oder telefonisch: Tel. 0234 966 14 33. Wir vermitteln dann einen Kontakt.

Der Vermieter, die Peach Property Group aus der Schweiz, teilt nach Anfrage der WAZ mit, dass die Aufzuganlage ab diesem Mittwoch, 14. September, wieder in Betrieb sein soll (was tatsächlich so ist). Mit Einschränkung allerdings. Es könnten dann zwar alle oberen Etagen angefahren werden. Das untere Hochparterre wegen einer defekten Tür jedoch nicht. Diese sei auch der Grund für die Probleme zuletzt gewesen. Ersatzteile seien „seit einiger Zeit“ bestellt, doch die Lieferung dauere.

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Anstelle des Hochparterres fahre der Aufzug das Souterrain an, so die Peach Property Group. Von dort seien es sieben Stufen bis zur Wohnungstür. Für viele Hausbewohner sicher eine gute Nachricht, doch Eduard bringt das wenig. Raus aus dem Haus kommt er nur, wenn der Aufzug auch im Hochparterre hält. Er wird also auch weiterhin zu Hause festsitzen. „Und jetzt starten die Klassenarbeiten“, beklagt seine Mutter.

Laut Peach Property Group habe es lediglich im Juli sowie im September insgesamt zwei Meldungen von Störungen an der Anlage gegeben. Diese seien durch die beauftragte Aufzugs-Fachfirma kurzfristig behoben worden.