Bochum. Seit über zwei Jahren sucht eine Familie eine neue Mietwohnung – vergeblich. Immer wieder erleben die Bochumer eine Ausgrenzung von Familien.
Lisa Bednarek und Sven Kleuter leben mit ihren drei kleinen Kindern auf rund 75 Quadratmetern im Bochumer Ehrenfeld. Das Paar hat hier eine schöne Wohnung, in der es sich wohlfühlt – eigentlich. Das Problem ist: Hier gibt es viel zu wenig Platz für die vierjährige Tochter und die Zwillinge, die mittlerweile acht Monate alt sind. Doch ein neues Zuhause ist nicht in Sicht.
Bochumer Familie scheitert seit über zwei Jahren an der Wohnungssuche
„Ich erlebe bei der Wohnungssuche ganz klar eine Ausgrenzung von Familien“, sagt Lisa Bednarek im Gespräch mit der WAZ. Vor über zwei Jahren haben sie und ihr Lebensgefährte begonnen, sich nach einer neuen Wohnung in Bochum umzuschauen. „Vier- oder Fünf-Zimmer-Wohnungen mit Garten werden oft ausschließlich an alleinstehende Personen oder Paare vermietet“, schildert sie ihre Erfahrungen.
Erst vergangene Woche hat die junge Mutter eine private Wohnungsannonce gefunden – 144 Quadratmeter, vermietet wird an maximal drei Personen. „Keine Patchworkfamilie“, steht zudem in der Annonce. Solche Anzeigen seien keine Seltenheit. Täglich durchforstet sie sämtliche Portale, in denen Wohnung inseriert werden. Entweder bekomme sie Absagen oder – noch viel öfter – gar keine Antwort – insbesondere bei privaten Wohnungsanbietern.
Zum geringen Angebot kämen Preise, die durch die Decke gingen. Zum einen für eine Kauf-Immobilie – aber auch für ein Mietobjekt, wie es Lisa Bednarek und Sven Kleuter für sich und die drei Kinder suchen. „Derzeit zahlen wir knapp 1000 Euro inklusive Nebenkosten, ohne Energiekosten. Wir möchten uns von drei- auf vier- oder fünfeinhalb Zimmer vergrößern, doch die Miete müssten wir dafür mindestens verdoppeln“, erklärt Bednarek.
Sozialwohnungsnot in Bochum- Wo drückt es am meisten?Freunde des Paares hätten erst vor Kurzem eine Wohnung für 1800 Euro angemietet – kalt. Hinzu kam eine Renovierdauer von vier Monaten sowie -kosten in Höhe von rund 50.000 Euro. „Dazu sind wir nicht bereit“, sagt Lisa Bednarek. Trotzdem: Das Paar erhöhe sein Budget immer wieder – allerdings vergeblich.
Einige Familien in Bochum sind betroffen
Sie und ihr Mann sind bei Instagram aktiv, haben eine recht große Community. „Das Thema beschäftigt so viele Menschen“, verdeutlicht Bednarek, die sich oft mit anderen Familien austauscht, die ebenfalls betroffen sind.
Anderen Familien in Bochum geht es ähnlich – das hat auch eine Abfrage unserer Redaktion bei Facebook gezeigt. Ein Vater aus Bochum-Grumme schreibt zum Beispiel: „Ich lebe seit drei Jahren mit meiner fünfjährigen Tochter auf 44 Quadratmetern. Leider findet man als alleinerziehender Vater ganz schlecht eine Wohnung, die einem auch gefällt oder bezahlbar ist.“ Eine Mutter fragt sich: „Wer will schon 1500 Euro kalt für eine Vier-Zimmer-Wohnung bezahlen?“ Häufig würden Vermieter große Objekte nicht an Familien vermieten – sondern an ein Paar ab 50.
Zu wenig Wohnraum für Familien – Wohnungsunternehmen kennen Problem
Das Problem, dass es für Familien schwierig ist, ausreichenden Wohnraum zu bekommen, ist kein unbekanntes in Bochum – und in den vergangenen Monaten und Jahren eher größer als kleiner geworden. „Die Anfragen nach Wohnungen für Familien sind uns bekannt und sind für uns nicht neu an der Stelle“, bestätigt zum Beispiel Dominik Neugebauer, Sprecher der VBW Bauen und Wohnen, dem größten Wohnungsanbieter in Bochum.
Aktuell sei das Unternehmen dabei, größere Neubau-Wohnungen anzubieten, so zum Beispiel an der Brantropstraße: „Von 65 Wohneinheiten sind 22 Wohneinheiten eine Vier- bzw. Fünf-Zimmer-Wohnung – und davon sind 16 vereinbart gefördert“, so Neugebauer.
Auch bei Vonovia spricht man von einem grundlegenden Problem. Aber: „Wir versuchen, für jeden der sich meldet, um eine Wohnung zu bekommen, etwas zu finden“, sagt Sprecherin Bettina Benner.
Bochumer Familie sucht auch in anderen Städten
Wohnungstausch als Alternative?
Die Idee, dass alleinstehende Senioren ihre Wohnungen mit Familien tauschen, ist nicht ganz neu. Auch Vonovia setzt das laut eigenen Angaben um. „Davon können beide Seiten profitieren“, erklärt Sprecherin Bettina Benner. Zum einen die Familien, die mehr Platz hätten. Zum anderen Senioren, die nun nicht mehr alleine in einer riesigen Wohnung leben, gleichzeitig aber in ihrem Quartier bleiben können. „Man darf sich das aber nicht so vorstellen, dass das jeden Tag passiert“, sagt Benner weiter. „Ein Tausch von familien- und seniorengerechten Wohnungen hat sich bis dato als Idee in der Praxis nicht bewährt“, sagt hingegen Dominik Neugebauer für die VBW. Wohnungen müssten modernisiert werden, wenn jemand nach 30 Jahren oder mehr dort auszieht. Das würde wiederum für höhere Preise sorgen. Oftmals seien Senioren zudem zu sehr in ihrem Quartier verankert – und würden nicht umziehen wollen.
Was Lisa Bednarek und Sven Kleuter immer wieder auffällt: In Bochum gebe es zwar einen recht großen Bestand an bezahlbaren Wohnungen. Aber: „Hier wohnen ganz oft ältere, alleinstehende Personen auf 120 Quadratmetern.“ Die Familie fragt sich, warum es nicht möglich ist, die Wohnungen zu tauschen. „Natürlich nicht, um die Leute zu entwurzeln, sondern so, dass sie in ihrem Viertel oder sogar in der Straße bleiben können“, erklärt Lisa Bednarek.
Noch haben sie und Lebensgefährte Sven Kleuter ihren Traum von mehr Platz mit Terrasse oder einem kleinen Garten nicht aufgegeben. Ihren Suchradius haben sie mittlerweile erweitert, auf ganz Bochum und die Städte in der Umgebung. Auch wegziehen ist mittlerweile eine Option. „Uns graut es vor einem Hochsommer in Bochum auf 75 Quadratmetern mit drei kleinen Kindern“, so Lisa Bednarek. Der Optimismus der jungen Familie schrumpft.