Bochum. Das Geschäftsquartier Viktoria-Karree in Bochum eröffnet später als geplant. Schuld sind die Krisen der Welt. Investor HBB kritisiert Behörden.

Wer aufmerksam die Mega-Baustelle in der City von Bochum verfolgt, wird es längst geahnt haben: Die für den Herbst geplante Eröffnung des Viktoria-Karrees auf dem ehemaligen Justizgelände an der Viktoriastraße ist geplatzt. Die versprochene Belebung der Innenstadt bleibt vorerst aus. Hotel-Betreiber, Gastronomen und andere Mieter richten sich derzeit auf einen Start im späten Frühling 2023 ein.

Einkaufen im Viktoria-Karree Bochum verzögert sich

„Uns geht es, wie vielen anderen, wir bleiben von den Dingen, die in der Welt passieren, nicht verschont“, sagt Harald Ortner. Die „Dinge“ sind bekannt: Corona, Ukraine-Krieg, Materialmangel. Dabei hatte der Geschäftsführer des Investors Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft HBB aus Hamburg noch beim Richtfest im September 2021 trotz Pandemie optimistisch vorausgeblickt: „Wir segeln vor dem Wind.“

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Knapp ein Jahr später ist der Zeitplan hinfällig. Die Arbeiten auf dem rund 10.000 Quadratmeter großen Grundstück im Herzen der City stocken sichtbar. Grund sind unter anderem Probleme beim Brandschutz. Die verbauten Klappen waren nicht wartungsfrei, die neuen sind nicht lieferbar.

Investor ärgert sich über neue Vorschriften in NRW

„Das kostet Zeit“, so Ortner. Der HBB-Chef ärgert sich zudem über die Behörden in NRW. Eine neue Richtlinie sei Schuld. „Wenn man eine Baugenehmigung hat, geht man eigentlich davon aus, dass es dafür auch einen Bestandsschutz gibt und nicht hinterher Vorschriften geändert werden.“

Das Viktoria-Karree aus der Luft gesehen. Gut sind die drei Bauteile zu erkennen. Hinten das Gebäude, das sich vom Hussemannplatz bis zum Westring erstreckt und das Ende dieses Jahres an Mieter wie die Stadt, Rewe und Decathlon übergeben werden soll. Vorne rechts der Hotelkomplex und vorne links das Solitärgebäude gegenüber der Deutschen Bank, in dem Büros, Gastronomie und ein Fitnessstudio geplant sind.
Das Viktoria-Karree aus der Luft gesehen. Gut sind die drei Bauteile zu erkennen. Hinten das Gebäude, das sich vom Hussemannplatz bis zum Westring erstreckt und das Ende dieses Jahres an Mieter wie die Stadt, Rewe und Decathlon übergeben werden soll. Vorne rechts der Hotelkomplex und vorne links das Solitärgebäude gegenüber der Deutschen Bank, in dem Büros, Gastronomie und ein Fitnessstudio geplant sind. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Das koste nämlich nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Freute sich der Investor des Millionenprojekts beim Richtfest noch über Verträge, die ihn vor explodierenden Preisen auf dem Stahlmarkt schützten, so rechnet er jetzt mit Mehrkosten bei dem Projekt von „fünf bis zehn Millionen Euro“. Die HBB plante bislang mit 160 Millionen Euro. Ortner: „Hinzu kommen bestimmt noch mal 30 Millionen, die unsere Mieter investieren.“

Ladenbauer Miviko plant „Fressmeile“ à la Drehscheibe

Die Reklamation der Behörden beim Brandschutz treffen insbesondere das geplante Drei-Sterne-plus-Hotel Holiday Inn Express der Tristar-Hotelgruppe. „Wir planen mit einer Eröffnung frühestens im April, spätestens im Juni“, sagt Prokurist Peter Schulze.

Im Food-Court des Viktoria Karrees plant der Ladenbauer Miviko bis zu acht Verkaufsstellen, u.a. Bäckerei, Kaffee, Eis, Saftbar, Döner, Burger, Asia-Food (Simulation oben) und Orientalisches
Im Food-Court des Viktoria Karrees plant der Ladenbauer Miviko bis zu acht Verkaufsstellen, u.a. Bäckerei, Kaffee, Eis, Saftbar, Döner, Burger, Asia-Food (Simulation oben) und Orientalisches © MIVIKO | MIVIKO

Im gleichen Zeitraum sollen auch die Gastronomiebetriebe ihre Arbeit aufnehmen, heißt es vom Ladenbauer Miviko aus Berlin. Zurzeit werden aber noch Betreiber für den im Volksmund „Fressmeile“ genannten Food-Court gesucht. In kleinen Einheiten, wie sie die Bochumer Bürgerinnen und Bürger aus dem City-Point und neuerdings aus der Drehscheibe kennen, soll es asiatisches und orientalisches Essen, Döner, Burger und Baguettes geben sowie Eisdiele, Saftbar und Bäckerei.

Stadt ermöglicht Projekt mit millionenschweren Verträgen

Auch der Coworking-Spaces-Anbieter Regus plant die Aufnahme des Betriebs für das 2. Quartal 2023. Schreibtische und Büros sollen dort künftig stunden-, tages- und monatsweise zu mieten sein. Coworking ist ein Trend, der in vielen Städten den Büromarkt neu aufstellt. Zielgruppe sind Start-ups und Mitarbeiter von Firmen, die für spezielle Aufgaben an verschiedenen Orten arbeiten; häufig auch zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Unternehmen an gemeinsamen Projekten.

Größter Mieter der Büroflächen indes ist die Stadt Bochum. Mit millionenschweren Verträgen – 20 Jahre Laufzeit, garantierte Mieteinnahmen in Höhe von 56 Millionen Euro – hatte sie 2018 das Projekt erst möglich gemacht. Geplant sind 720 Arbeitsplätze auf 15.000 Quadratmetern.

Städtische Mitarbeiter ziehen im Frühjahr 2023 ein

Tiefgarage mit Duschen und Umkleiden

Die Stadtverwaltung Bochum ist größter Mieter im Viktoria Karree. Bis zu 720 Arbeitsplätze sind hier geplant.

Untergebracht werden in dem neuen Quartier folgende Fachbereiche: Bußgeldstelle des Rechtsamtes, Ordnungsamt, Jugendamt, Amt für Soziales, Referat für Sport und Bewegung, Kommunales Integrationszentrum, Referat für Gleichstellung, Familie und Inklusion.

Die Wirtschaftsentwicklung als städtische Tochter ist Mieterin der Tiefgarage mit 500 Pkw- und 400 Fahrradstellplätzen. Mindestens 13 Millionen Euro Miete werden in 20 Jahren fällig.

Zu den Fahrradstellplätzen werden laut HBB auch Umkleiden und Duschen gehören.

Die Tiefgarage des Karrees ist unterirdisch an die Tiefgaragen der Innenstadt angebunden.

Die städtischen Büros sowie die von Rewe und Decathlon angemieteten Flächen im Gebäudekomplex an der ABC-Straße sollen laut HBB noch in diesem Jahr an die Mieter übergeben werden. Ein mit Blick auf die Baustelle sicher realistisches Unterfangen, ist es doch das Gebäude längs der Abc-Straße, das den größten Baufortschritt zeigt.

Während bei Rewe der Betreiber bislang nicht bekannt ist, hüllt sich der Hersteller und Händler von Sportartikeln und -geräten Decathlon weiterhin in Schweigen. „Offiziell kann ich Ihnen zum Standort Bochum derzeit keine Stellungnahme geben“, schreibt Nora Lühne, Sprecherin für die Filialen, und bedankt sich für das „Interesse an unseren Expansionsplänen“.

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Die Stadt ist weiter. Auf Anfrage teilte Pressesprecher Peter van Dyk mit, dass die Übergabe der Fläche in der 50. Kalenderwoche geplant ist, also vom 12. bis 16. Dezember. „Nach erfolgter Übergabe schließen sich die notwendigen stadtseitigen Arbeiten zur Ein- und Herrichtung der Büroflächen an. Derzeit ist davon auszugehen, dass die ersten Fachbereiche zum Ende des ersten, spätestens Beginn des zweiten Quartals 2023 die Räumlichkeiten im Viktoria Karree beziehen werden.“