Bochum. In „Dädalus und Ikarus“ im Prinz-Regent-Theater zeigt der Schauspieler alle Rollen auf einmal. Doch das Stück wirkt etwas in die Jahre gekommen.

Das nennt man wohl einen Wurf! Direkt für sein Regiedebüt angelt sich Folkwang-Student Alexander Vaassen einen Hochkaräter im Theater und im Film. Kleine Brötchen sollen andere backen, Vaassen setzt stattdessen auf Roland Riebeling: Einst Publikumsliebling am Schauspielhaus und mittlerweile im Kölner „Tatort“ zu Hause, führt der 44-jährige Vollblutmime die Komödie „Dädalus und Ikarus“ im Prinz-Regent-Theater im Alleingang zum Triumph.

Tatort-Star Roland Riebeling begeistert im Prinz-Regent-Theater Bochum

Fast zwei Stunden lang stürmt er in seinem Solo die leere Bühne. In schwarzem Anzug, ohne Hemd und ohne Schuhe wimmert und wütet, schimpft, lacht und zetert er so ausgelassen, dass es eine Wonne ist. Das Publikum im ausverkauften Saal hängt dem unerschrockenen Darsteller förmlich an den Lippen und spendet am Ende lautstarken Beifall.

Kooperation mit der Folkwang-Uni

„Dädalus und Ikarus“ am Prinz-Regent-Theater ist Teil der Kooperation mit dem Studiengang Regie der Folkwang-Uni. Einmal im Jahr zeigen angehende Regie-Absolventen hier ihre ersten größeren Inszenierungen.

Zuletzt war dies die Regisseurin Hannah Frauenrath, die das Solo „Peepshow“ mit der Schauspielerin Meike Elena Schmidt auf die Bühne brachte. Nächste Vorstellung am Sonntag, 26. Juni.

„Dädalus und Ikarus“ stammt aus der Feder des italienischen Nobelpreisträgers Dario Fo (1926-2016), der sein Stück auch selbst regelmäßig spielte. Durchaus mit Witz erzählt er darin die Geschichte zweier wagemutiger Helden aus der griechischen Mythologie: Ikarus und sein Vater Dädalus sind im weitverzweigten Labyrinth des Minotaurus gefangen, das Dädalus einst selbst entwarf. Um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien, stolpern die beiden von einer Gefahr zur nächsten und meistern jede Krise mit Herz, aber auch mit einigem Glück – bis Dädalus seinem Sohn schließlich die berühmten Flügel aus Federn und Wachs baut, mit denen er dann in Richtung Sonne abhebt…

Vorlage wirkt angestaubt

In den 70er- und 80er-Jahren rauf und runter gespielt, finden die Stücke von Dario Fo auf den Spielplänen heutiger Zeit eher wenig Beachtung. Warum dies so ist, wird in Alexander Vaassens Inszenierung durchaus deutlich: Denn Fos Dramaturgie und die große Moralkeule wirken heutzutage ziemlich behäbig, daran kann selbst der blendend aufspielende Riebeling nicht viel ändern.

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Dass dies auch ganz anders geht, bewies an gleicher Stelle die frühere Theaterleiterin Sibylle Broll-Pape: Anno 1997 drehte sie Dario Fos ähnlich angestaubtes Beziehungsdrama „Offene Zweierbeziehung“ zum Ehe-Clinch zweier schwuler Vampire. Über 20 Jahre lang wurde der hemmungslose Jux im Prinz-Regent-Theater von einer treuen Fangemeinde beinahe kultisch verehrt.

Roland Riebeling (rechts) und der junge Regisseur Alexander Vaassen haben die Aufführung von „Dädalus und Ikarus“ im Prinz-Regent-Theater gemeinsam entwickelt.
Roland Riebeling (rechts) und der junge Regisseur Alexander Vaassen haben die Aufführung von „Dädalus und Ikarus“ im Prinz-Regent-Theater gemeinsam entwickelt. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Während der Pause tigert Riebeling pausenlos im Kreis

Ob auch „Dädalus und Ikarus“ eine solch lange Halbwertzeit bevorsteht, ist natürlich nicht klar, aber wünschen möchte man es dieser genau gearbeiteten Aufführung allemal. Einiges ist ungewöhnlich an diesem Abend: etwa der Verzicht auf jegliche Hilfsmittel. Das Saallicht bleibt an, wenn Riebeling auf die blanke Platte tritt, nur eine Musikbox und eine leere Flasche Wasser hat er dabei. Die Nacktheit der Bühne ist gleichsam ein Appell an die Vorstellungskraft des Publikums: Riebeling lässt etwa ein Dutzend Figuren auferstehen – vom Monster bis zum Vogel – und verleiht jeder von ihnen eigenen Charme.

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Ungewöhnlich ist auch, dass es nach etwa einer Stunde eine Pause gibt. Wann dies im Prinz-Regent-Theater zuletzt der Fall war, darüber kann nur spekuliert werden. Witzigerweise nutzt Riebeling die Unterbrechung nicht für ein entspanntes Viertelstündchen hinter den Kulissen, sondern tigert währenddessen auf der Bühne pausenlos im Kreis, um den Konzentrationsfaden nicht zu verlieren. Und der damit verbundene Getränkeverkauf kurbelt eben auch die notorisch klamme Theaterkasse etwas an, die einen solch großen Publikumserfolg nach den denkwürdigen Corona-Jahren super gebrauchen kann.

Am Ende gibt es ein schönes Bild, wenn sich der junge Regisseur und sein verschwitzter Hauptdarsteller nach gewonnener Theaterschlacht herzlich in den Armen liegen. Riesiger Jubel!

Wieder am Freitag, 17. Juni, um 19.30 Uhr. Weitere Termine in der kommenden Spielzeit. Karten und Infos: 0234 77 11 17 und prinzregenttheater.de