Bochum. Mehrweg statt Ex & Hopp: In Bochum soll Einwegplastik bei großen Events verboten werden. So argumentiert die Politik, das sagen die Veranstalter.
Bei Großveranstaltungen in Bochum soll es künftig ein Verbot für Einweg-Plastik geben. Das sieht ein Vorstoß der SPD und Grünen im Rat vor. Ronja Reyes Henriquez, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, rückt dabei vor allem „Bochum Total“ und den Weihnachtsmarkt in den Fokus. Dort sei längst vieles auf den Weg gebracht, entgegnen die Veranstalter.
Plastik-Verbot in Bochum: Rot-Grün stellt Antrag im Umweltausschuss
Nach der Corona-Zwangspause stehen die meisten Festivals in Bochum 2022 vor einer Rückkehr: „Bochum Total“ vom 7. bis 10. Juli ebenso wie das Zeltfestival Ruhr (ab 19. August) und der Musiksommer (26. bis 28. August). Im November soll der Weihnachtsmarkt folgen. Die Ratsfraktionen der SPD und Grünen formulieren einen gemeinsamen Antrag für den Umweltausschuss. Er soll in der Sitzung im August beraten werden; eine Mehrheit erscheint sicher.
„Bei vielen Events wird bereits auf Plastik verzichtet, aber eben nicht bei allen“, konstatiert Reyes Henriquez. „Als den Nachhaltigkeitszielen der UN verpflichtete Stadt“ wolle Bochum einen weiteren Beitrag leisten, den Plastikmüll und damit die verheerende Meeresverschmutzung einzudämmen, ergänzt SPD-Umweltsprecherin Martina Schmück-Glock.
Spätestens ab 2023 sollen die Umwelt- und Ordnungsbehörden in ihren Genehmigungsverfahren für Großveranstaltungen den Gebrauch von Einwegplastik untersagen. Das betrifft vor allem Getränke und Speisen.
VfL Bochum stellt zu Saisonbeginn auf Mehrwegbecher um
Nicht mehr vonnöten ist der rot-grüne Antrag für das Vonovia-Ruhrstadion. Kurz nach dem Becherwurf-Skandal im März beim Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach hatte der VfL Bochum angekündigt, ein Pfandsystem einzuführen. „Wir werden zur neuen Saison auf Mehrwegbecher umstellen“, bekräftigt Sprecher Jens Fricke auf WAZ-Anfrage.
Auch interessant
Keinen Handlungsbedarf erkennt Lukas Rüger, einer der Macher des Zeltfestivals. „Von Beginn an sind wir im Mehrwegsystem unterwegs.“ Bei der Ausgabe aller Speisen und Getränke gebe es bis auf kleinste Ausnahmen keinerlei Plastik- und Einwegbecher oder Einweggeschirr, so Rüger. Das gelte auch für das Festival „Bochum Kulinarisch“, das in diesem Sommer nochmals ausfällt.
Bochum Marketing schreibt Mehrweg in den Verträgen vor
Klimaschutz sei auch bei Bochum Marketing ein vorrangiges Ziel, betont Sprecher Christian Krumm. „Dies haben wir – zum Beispiel beim Stadt-Picknick, Musiksommer oder Weihnachtsmarkt – sogar in den Verträgen mit den Beschickern verankert.“ Danach dürfen bei Speisen und Getränken nur Mehrwegmaterialien benutzt werden. Krumm: „Sollte dies aus logistischen oder hygienischen Gründen nicht möglich sein, dürfen auch unbeschichtete Behältnisse aus Pappe sowie Besteck aus Holz/Bambus verwendet werden.“ Materialien aus Plastik seien grundsätzlich verboten.
Auch interessant
Marcus Gloria, Erfinder und Veranstalter von „Bochum Total“ mit mehr als 500.000 Besuchern, verweist auf die „Green Festival Konzeption“ mit umfangreichen Regelungen etwa zu Strom aus Wasserkraft, ÖPNV als bevorzugtes Anreisemittel sowie Anbietern aus dem näheren Umkreis mit kurzen Anfahrtswegen und geringen Emissionen. „Durch das Mehrweg- und Pfandsystem an den Getränkeständen fällt praktisch kein Abfall an.“
„Bochum Total“: Grünen-Sprecherin zweifelt an Nachhaltigkeit
„Bei der Speisenausgabe bevorzugen wir Gastronomiepartner, die möglichst wenig oder keine Verpackungen und nur das, was aus hygienischen Gründen erforderlich ist, benutzen“, so Gloria. „Die sonstigen verwendeten Verpackungen und Verbrauchsmaterialien sollten 100 Prozent abbaubar oder recyclefähig sein. Es werden nach Möglichkeit spezielle Behälter zur Mülltrennung aufgestellt.“
Mehrweg: Erfolgreicher Test mit mitgebrachten Dosen
Speisen zum Mitnehmen werden in Imbissbetrieben und Lokalen meist in Einwegverpackungen auf den Weg gegeben. Dass geht auch klimafreundlicher, weiß die Verbraucherzentrale.
Die Umweltberatung stattete elf Bochumerinnen und Bochumer mit Mehrweggefäßen wahlweise aus Metall, Glas, Kunststoff oder einer Pizzabox aus. Knapp zwei Wochen dauerte der Selbstversuch.
Das Ergebnis ist positiv. Zwar hätten manche Gastronomen „skeptisch“ reagiert. Die Boxen seien mitunter „erst nach einer Diskussion akzeptiert worden“.
Die elf Probanden hätten mit den mitgebrachten Dosen aber in der Regel gute Erfahrungen gemacht. „Sie wollen ,Mehrweg-Esser’ bleiben“, so die Verbraucherberatung.
Gute Vorsätze, meint Reyes Henriquez. Bei „Bochum Total“, aber auch beim Weihnachtsmarkt hegt die Grünen-Sprecherin aber Zweifel am Erfolg der Nachhaltigkeits-Strategie. „Man muss am nächsten Morgen nur einmal durch die Innenstadt laufen, um zu sehen, welche Mengen an Plastikmüll auf den Straßen liegen.“
Auch interessant
„Stadtgestalter“ regen Geschirrmobil für kleinere Fest an
Die „Stadtgestalter“ im Rat unterstützen das Plastikverbot, wollen die Müllvermeidung aber auf eine breitere Basis stellen. „Für kleine, nicht-kommerzielle Veranstalter gibt es kaum finanzierbare Alternativen zu billigem Plastikbesteck“, sagt der umweltpolitische Sprecher Stefan Hiltawsky. Die Stadt oder der USB sollten daher ein Geschirrmobil (ein transportabler Anhänger) anschaffen, das Vereine und Initiativen kostengünstig oder gratis mieten können.
„Man kann nicht erwarten, dass die geringen Budgets für Straßen- und Vereinsfeste in teure Alternativen wie Bambusbesteck fließen oder Ehrenamtliche noch ihre Küchenschränke ausräumen, um Porzellangeschirr anzuschleppen“, argumentiert Hiltawsky. In vielen anderen Kommunen seien die Geschirrmobile schon seit den 1990er Jahren im Einsatz.