Bochum. Seit einem Jahr ist der Taiwanese neuer GMD bei den Bochumer Symphonikern – und wirkt oft reserviert. Im Gespräch ist er lustiger als man denkt.
Als der junge taiwanesische Dirigent Tung-Chieh Chuang vor einem Jahr die Leitung der Bochumer Symphoniker übernahm, war dies nicht weniger als eine Zeitenwende. Weit über 20 Jahre lang führte zuvor Steven Sloane die Geschicke des Orchesters, dies mit viel Charme und amerikanischer Lockerheit. Von „ihrem Steven“ verabschiedeten sich die Bochumer am Ende wie von einem guten Freund.
Mit TCC, wie er hinter den Kulissen gern genannt wird, ist jetzt eine neue Generation aufs Pult getreten. Das musikalische Talent des 39-Jährigen ist enorm, wie grazil und ausdrucksstark er das Orchester führt, verblüfft immer wieder. Und doch ist Tung-Chieh Chuang ein komplett anderer Typ als sein Vorgänger, viel zurückhaltender und scheuer wirkt er. Doch seine höfliche, etwas reservierte Art kommt an: Seit seinem Amtsantritt im vergangenen September wird er vom Publikum herzlich gefeiert.
Saisonabschlussmit Gustav Mahler
Mit einem besonderen Konzert beschließt Tung-Chieh Chuang seine erste Saison als Chef der Symphoniker: Bei „Von Herzen 5“ erklingt am 25. und 26. Juni die dritte Symphonie von Gustav Mahler: „Eines der schönsten Stücke Musik, das ich kenne“, sagt er.
Mit dabei ist die Chorakademie Dortmund. Eine Stunde vor Beginn gibt der GMD erneut eine seiner launigen Einführungen, die ihm bereits großes Lob und angeblich sogar schon einen Heiratsantrag eingebracht haben. Karten: 0234 910 86 66.
Tung-Chieh Chuang seit einem Jahr Generalmusikdirektor in Bochum
Im persönlichen Gespräch ist Tung-Chieh Chuang viel lustiger und spontaner als man denkt. Er scherzt viel, interessiert sich total für Fußball, liebt Pop, Jazz und gutes Essen. Beim VfL war er noch nie, aber das möchte er gern mal nachholen.
Die Mittagspause vertreibt er sich gern bei „Genki Bao“, einem kleinen asiatischen Restaurant auf der Brüderstraße. Ein echt taiwanesisches Lokal hat er in Bochum und Umgebung bislang vergeblich gesucht: „Aber das Essen hier ist super“, sagt er und bestellt (auf Chinesisch) direkt ein paar seiner Lieblingsspeisen: handgezogene Bandnudeln, Spinat, Pilze, Hühnchen, Teigtaschen und eine Rinder-Nudel-Suppe.
Auch interessant
Der junge Dirigent ist in aller Welt gefragt
Dabei ist es gar nicht so leicht, sich mit Tung-Chieh Chuang zum Essen zu verabreden, denn der Mann ist dauernd unterwegs. Seoul, Taiwan, Finnland, Holland, Dresden: Das sind nur einige seiner Stationen während der letzten Wochen. „Für mich ist es ungemein wichtig, zu wissen, was in anderen Orchestern passiert“, sagt er. „Man muss sich umschauen. Wer immer nur in der eigenen Küche kocht, lernt nie etwas Neues dazu.“
Ein Weltenbummler ist Tung-Chieh Chuang seit vielen Jahren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Taiwan: „Wir wohnten im achten Stock direkt neben den Hochhäusern.“ Das musikalische Talent bekam er in die Wiege gelegt: Sein Vater unterrichtet Waldhorn, seine Mutter ist Cellistin. Sein jüngerer Bruder, zu dem er einen ganz engen Draht hat, spielt beim Berliner Symphonieorchester.
Chinesischer Pop und Bossa Nova
Chuang lernte früh Horn zu spielen, aber ohne sonderlichen Druck: „Dass ich einmal Profi werden würde, stand lange gar nicht fest“, erzählt er. Als junger Mann hörte er ohnehin viel lieber chinesischen Pop und Bossa Nova und spielte leidenschaftlich Baseball. Fürs Mathematik-Studium ging er in die USA: „Doch da habe ich gemerkt, dass das nicht meine Welt ist. Es musste die Musik sein.“
Auch interessant
Die Begegnung mit einem damals 86-jährigen Professor in Philadelphia prägte ihn besonders: „Er war ein Schüler von Richard Strauss und hat mir gezeigt, was ein wundervoller Beruf das Dirigieren ist.“ Tung-Chieh Chuang zog nach Weimar, studierte an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“. Der Sieg beim renommierten Nikolai-Malko-Wettbewerb 2015 öffnete ihm weitere Türen, in Bochum hat er seine erste Stelle als Generalmusikdirektor angetreten.
TCC fühlt sich wohl in Bochum
Größer als Weimar, kleiner als Taiwan: Die Stadt mag er durchaus. Mit seiner Familie wohnt er in Wiemelhausen, seine Tochter besucht ab diesem Sommer die Grundschule. „Sie spricht schon viel besser Deutsch als ich“, sagt er lächelnd. Er selbst lernt auch weiter Deutsch, versteht es sogar schon ziemlich gut.
Auch interessant
Dabei ist Tung-Chieh Chuang Dirigent mit Leib und Seele. Wie er in den kommenden Jahren den Sound der Bochumer Symphoniker weiter schärfen möchte und welch wichtige Dienste ihm dabei die hervorragende Akustik im Musikforum liefern könnte: Davon erzählt er gern. Häufig komme es vor, dass er nach einem Konzert viel zu aufgeregt ist, um ins Bett zu gehen. „Ich bin dann bis drei Uhr nachts wach.“ Und wie kommt er dann wieder runter? „Mit Jazz und Bossa Nova.“