Bochum. Einen Einstand nach Maß erlebt Tung-Chieh Chuang im Musikforum Bochum: Der neue Chef der Bochumer Symphoniker wird minutenlang gefeiert.
Eine neue Zeitrechnung beginnt bei den Bochumer Symphonikern: Statt des beliebten Steven Sloane, der die letzten Jahrzehnte zu jedem Saisonstart unter großem Jubel auf die Bühne kam, tritt diesmal ein ungleich schmächtigerer Herr durch die Tür. Adrett gekleidet mit Frack und weißer Fliege geht er strammen Schrittes in Richtung Dirigentenpult. Er verneigt sich tief vor dem Publikum, wie dies in der asiatischen Kultur zum guten Benehmen gehört, greift zum Taktstock, und schon geht’s los.
Bochum hat einen neuen Generalmusikdirektor. Tung-Chieh Chuang heißt der höfliche junge Mann aus Taiwan, der am Mittwochabend sein erstes Symphoniekonzert an neuer Wirkungsstätte im Anneliese-Brost-Musikforum leitete. Dass diese besondere Eröffnungspremiere komplett ohne feierliche Reden und (coronabedingt) ohne Champagner auskommt und zudem mitten in der Woche begangen wird, ist gewiss kein Zufall. Tung-Chieh Chuang, so scheint es, möchte jegliches Brimborium um seine Person vermeiden und mag stattdessen lieber die Musik sprechen lassen.
Chuang gibt kleine Einführungen
Wer Tung-Chieh Chuang einmal hautnah erleben möchte: Bei den beiden kommenden Symphoniekonzerten am Samstag, 4. September, um 20 Uhr, und am Sonntag, 5. September, um 16 Uhr gibt er kleine Einführungen am Klavier und erzählt etwas über sich und die Stücke, die während der Konzerte zu hören sind.
Die Einführungen beginnen jeweils eine Stunde vor den Konzerten. Es gibt noch Restkarten (16 bis 39 Euro) unter bochumer-symphoniker.de
Große Neugierde auf Tung-Chieh Chuang in Bochum
Dabei sind die meisten der 350 Zuschauer im ausverkauften Saal natürlich schon neugierig darauf, zu erfahren, wie sich „der Neue“ denn wohl schlagen mag. Schnell zu erkennen: Der 38-jährige Dirigent mit der Hornbrille und dem einnehmenden Lächeln bringt für seinen neuen Job eine Menge sportlicher Frische mit. Auf seinem Dirigentenpult permanent in Bewegung, kommuniziert er viel mit seinen Musikern – ob mit dem Taktstock, mit einer Handbewegung oder auch nur mit einem Augenaufschlag.
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Es dauert nicht lang, da hat sich „TCC“, wie Chuang hinter den Kulissen bisweilen genannt wird, schon den Respekt des Publikums verdient – was aber auch an seinem klug ausgewählten Eröffnungsprogramm liegen mag. Strawinskys leichtfüßige „Pulcinella-Suite“ bietet vielen Musikern gerade aus den hinteren Reihen die Möglichkeit zu glänzen. Das Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 von Dmitri Schostakowitsch ist eine ideale Spielwiese für den Star-Cellisten Gautier Capuçon. Und die „Jupiter“-Symphonie von Mozart bildet den hymnischen Schlusspunkt – zuletzt an gleicher Stelle 2017 von Herbert Grönemeyer dirigiert.
Zuschauer spenden laute Bravo-Rufe
Die Zuschauer bedanken sich bei ihrem neuen GMD mit lauten Bravo-Rufen und minutenlangem Beifall. Gerührt und etwas verlegen schaut Chuang in die Runde, der mit einer solchen Welle der Sympathie direkt am ersten Abend wohl nicht gerechnet hat. „Ich fand ihn ganz toll, er ist bei den Bochumern angekommen“, sagt Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) sichtlich begeistert. „Ein fulminanter Start“, meint Kulturdezernent Dietmar Dieckmann (SPD). „Mit ihm werden wir noch eine Menge Freude haben.“
Komplett angekommen ist Chuang in Bochum übrigens noch nicht: Zwar ist er schon aus Berlin hergezogen, doch die gemeinsame Wohnung, die er mit seiner Frau und der kleinen Tochter in Wiemelhausen beziehen möchte, ist erst im Oktober bezugsfertig. Derweil lernt Chuang fleißig Deutsch: „Er versteht schon viel, aber sprechen kann er es noch nicht so gut“, sagt Bosy-Sprecherin Christiane Peters. „Da ist seine Tochter, die hier zur Kita geht, schon viel weiter.“