Bochum. Wegen gesunkener Nachfrage nach den Betten für Obdachlose könnte das Fliednerhaus teils umgenutzt werden. Diese Pläne hat die Stadt Bochum.
Die Notschlafstelle Fliednerhaus könnte demnächst umgestaltet werden. So lautet ein Vorschlag der Stadt Bochum, der am Donnerstag im Sozialausschuss diskutiert wird. Die Verwaltung will in dem Gebäude nun städtische Unterbringungsplätze integrieren. Grund für die teilweise Umwidmung des Obdachlosen-Hauses liege in der gesunkenen Nachfrage nach Schlafplätzen.
Obdachlose: Fliednerhaus in Bochum soll teils umgenutzt werden
Bereits seit Anfang 2021 sei ein rückläufiger Trend bei der Nachfrage nach den Notfallschlafplätzen zu bemerken. Von August 2021 bis Januar 2022 habe die monatliche Auslastung sogar unter 50 Prozent der Betten gelegen. „Bei derzeit 46 Übernachtungsplätzen pro Nacht bedeutet es im Schnitt einen Leerstand von über 23 Plätzen pro Nacht“, heißt es in der Vorlage weiter.
Dienstagabend schliefen beispielsweise nur 24 Menschen – sechs Frauen und 18 Männer – in dem Haus. Frank Zittlau, der gemeinsam mit Lisa Stephanblome seit einigen Wochen die Diakonie-Existenzsicherung und Wohnungslosenhilfe leitet, kann sich die sinkende Zahl der Übernachtungsgäste nur schwer erklären. „Man sieht die Not nicht, das ist genau die Schwierigkeit“, so Zittlau.
Manche störten sich vielleicht an der Hausordnung, den Zweibettzimmern oder dem Verhalten der anderen Obdachlosen. Der in der Corona-Pandemie geschaffene 3G-Zutritt könnte auch eine Rolle spielen. „Vielleicht sind manche Wohnungslose gestorben, vielleicht haben sie ein attraktives Angebot in einer anderen Stadt oder eine Wohnung gefunden – wir wissen es nicht“, sagt der Leiter der Existenzsicherung. Zu dem Angebot der Diakonie Ruhr zählen neben der Notschlafstelle (geöffnet von 18 Uhr abends bis 20 Uhr morgens) auch verschiedene Beratungsstellen, Streetwork sowie betreutes Wohnen für ehemals Wohnungslose.
Vorschlag der Verwaltung
Laut der Beschlussvorlage sollen auch die Übernachtungsscheine, die in den Beratungsstellen ausgegeben werden, abgeschafft werden.
Durch die Umnutzung will die Stadt die „individuelle Unterbringungsdauer in den Einrichtungen“ verkürzen.
Auch sollen durch die 25 städtischen Plätze die Zielgruppen, also insbesondere „Geflüchtete und Wohnungslose in anderen bestehenden Einrichtungen“, getrennt werden.
Stadt Bochum will 25 Unterbringungsplätze einrichten
Da es sich bei einem Großteil der bisherigen Besucher des Hauses um männliche Dauergäste handelt, soll für diese Gruppe ein Beratungsangebot durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter vor Ort geschaffen werden. So könne man auf die individuellen Bedarfe der wohnungslosen Menschen eingehen und sie „zu einem Leben außerhalb des kommunalen Wohnungsnotfallhilfesystems befähigen“.
Um den Platz besser zu nutzen, sollen laut der Stadt 25 Plätze im Fliednerhaus zur sogenannten „ordnungsbehördlichen Unterbringungseinrichtung“ umgewandelt werden. Das bedeutet, die Stadt kann dort Menschen ohne Wohnung längerfristig ein Obdach geben – allerdings ohne Mietvertrag. Nur zehn bis zwanzig Plätze blieben weiterhin als wirkliche Notschlafstelle erhalten, schlägt die Stadt vor.
Das neue städtische Obdach würde 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr geöffnet sein, was höhere Personalaufwendungen bedeute. „Demgegenüber fallen im Bereich der 25 Unterbringungsplätze Benutzungsgebühren als Ertrag an, wovon bei SGB II-Berechtigten rund drei Viertel der Bund trägt“, so die Verwaltung.
Wohnungslosenhilfe habe Konzept „hocheinvernehmlich“ mit der Stadt erarbeitet
Der Vorschlag, diese 25 neuen Obdach-Plätze – wohl im obersten Stockwerk – im Fliednerhaus unterzubringen, stamme von der Stadt, verrät Frank Zittlau. Er betont aber, die Beschlussvorlage habe er „hocheinvernehmlich“ mit der Verwaltung zusammen konzipiert. Dadurch könnte das Angebot des Hauses erweitert, und die Qualität der Obdachlosenhilfe gesteigert werden.
„Wir wollen wegkommen von diesen Akutsituationen“, so Zittlau. Kooperativ wolle er mit der Stadt versuchen, die Not der Wohnungs- oder Obdachlosen zu lindern, präventiv zu agieren und herauszufinden: „Wie bekommen wir unsere sozialpädagogische Kompetenz mehr auf die Straße?“
Sicher sollten immer genug Notschlafplätze vorhanden sein – sie fungierten aber nur als „letzter Anker“. „Wenn wir aber merken, dass ein Gast, seit zwei, drei oder vier Wochen immer wieder in die Notschlafstelle kommt, gehen die Sozialarbeiter auf ihn zu.“ Auf diese Weise könnten die individuellen Probleme besprochen und vielleicht gelöst werden. Wenn die Hilfe nicht wirkt oder der Mensch noch nicht bereit ist, sie anzunehmen, käme dann längerfristig einer der 25 Obdach-Plätze der Stadt in Frage. Allerdings müsse man in der Wohnungslosenhilfe immer „auf Sicht fahren“. Wenn es beschlossen wird, müsse das neue Konzept erst einmal erprobt werden, so Zittlau.