Bochum. Millionenumsätze hat die Ruhrgebietsfiliale von Autoteile Hess in Bochum gemacht. Nun ist die Firma insolvent, der Standort ohne Zukunft.
Sie haben bis zum Schluss gehofft. „Ende April hieß es noch, es gebe einen Investor. Am 2. Mai hat uns der Firmenchef dann in einem dreiminütigen Videotelefonat mitgeteilt, dass wir uns alle eine neue Arbeit suchen können.“ Beim Großhändler Autoteile Hess in Bochum-Hiltrop sind sie immer noch geschockt. Ihre Firma ist insolvent, eine 1929 begründete Geschichte zu Ende.
Jahresumsatz lag in Bochum bei bis zu 20 Millionen Euro
Beim Gespräch mit einigen der Mitarbeiter, die jetzt noch für die Abwicklung der Ruhrgebiets-Filiale des Kölner Unternehmens an der Wiescherstraße unweit der Stadtgrenze Herne zuständig sind, ist das Entsetzen und die Enttäuschung immer noch in den Gesichtern abzulesen. Die meisten sind seit Jahren im Unternehmen, „haben immer gerne hier gearbeitet“ und alles für Firma und Job getan. „Dieser Standort hat sich immer getragen. Wir hatten in der Spitze einen Jahresumsatz von 20 Millionen Euro und fast 140 Mitarbeiter“, heißt es.
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Und jetzt: Neun Beschäftigte sind noch da, im Juni werden es noch weniger sein. Und dann ist Schluss für Hess in Bochum. Vom einst großen Fuhrpark mit mehr als zwei Dutzend Lieferwagen ist gerade noch die Hälfte übrig. Sie fließen ebenso in die Konkursmasse ein wie die Lagerware, die in den vergangenen Wochen zwar deutlich geschrumpft ist. Aber noch sind jede Menge Artikel da.
Beschäftigte sprechen von Managementfehlern
„Das Unternehmen war nicht mehr zu retten“, heißt es in der Kanzlei des Insolvenzverwalters Christoph Niering in Köln. Die Verbindlichkeiten der Firmengruppe, die etwa 1500 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mehr als 200 Millionen Euro hatte, belaufen sich auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Schon seit Jahren sei versucht worden, angesichts des großen Wettbewerbsdrucks im Markt, Lösungen zu finden. Am Ende noch mit der Übernahme eines Mitbewerbers 2021; der zweite Firmenkauf in wenigen Jahren. Aber das habe auch nichts mehr genutzt.
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Bei den verbliebenen Beschäftigten in Bochum, wo zuletzt noch knapp 70 Frauen und Männer gearbeitet haben, hört sich das ganz anders an. „Das waren Managementfehler. Die haben sich verschluckt“, heißt es aus dem Kreis des Betriebsrats.
Ruhrgebietsfiliale von Autoteile Hess hat keine Zukunft
Alarmierende Aussichten
Die Wirtschaft in Bochum hat die Corona-Pandemie 2020 gut überstanden. Im Jahr danach sieht das schon anders aus. Das Pleiterisiko, das durch einen Vergleich der Firmenausfälle mit „nicht negativen, wirtschaftsaktiven Firmen“ ermittelt wird, ist deutlich gestiegen (Grafik).
Betrachtet hat die Wirtschaftauskunftei Creditreform zwischen 2019 und 2021 insgesamt 8891 Firmen aus unterschiedlichen Branchen, mit unterschiedlichen Rechtsformen und Umsatzklassen. 147 Firmen hat die Insolvenz ereilt. Das führt zu einem Pleiterisiko von 1,65 Prozent.
Alarmierend ist, dass das Pleiterisiko in Bochum höher ist als der Revierdurchschnitt und das auch die Aussichten nicht rosig sind. Negativauswirkungen gehen zurück auf viele Faktoren: von Brancheneffekten über Fachkräftemangel, Corona-Krise und Ukraine-Krieg bis hin zu Lieferkettenproblemen und Preisanstiegen.
Für Bochum gibt es keine Zukunft mehr. Erhalten bleiben sechs Standorte der einst aufgekauften Jakobs GmbH im Süden von NRW und in Rheinland-Pfalz. Von den 18 anderen Standorten haben, so der Insolvenzverwalter, sechs eine Perspektive – vor allem in Aachen und Niedersachsen. In Bochum gehen die Lichter aus.
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Längst bemühen sich die meisten um neue Jobs. „Erfreulich ist, dass die Nachfrage nach Fachkräften groß ist“, heißt es in Köln. Es seien schon etliche Aufhebungsverträge unterzeichnet worden, weil Beschäftigte neue Jobs haben. „Ja“, sagen sie in Bochum. Das sei richtig. „Aber die meisten Firmen wollen Fachkräfte haben, sie aber nicht wie Fachkräfte bezahlen.“ Das jedenfalls habe der eine oder andere bei Bewerbungsgesprächen bereits erfahren.„Bei Hess haben wir Tariflohn bekommen.“ Viele andere Teilehändler seien aber aus dem Tarifverbund ausgestiegen. Es gehe um 300 bis 400 Euro im Monat weniger.