Bochum. Bei der Picard GmbH aus Bochum mit seinen 268 Mitarbeitern aus 36 Nationen ist die Ukraine Gesprächsthema Nummer eins. Den Worten folgen Taten.
Gäbe es eine Rangliste mit den internationalsten Firmen in Bochum, die Friedrich Picard GmbH könnte ganz oben stehen. Die 268 Beschäftigten des Großhandelsunternehmens kommen aus 36 Nationen der Erde. Mit Kunden sprechen sie in zwei Dutzend Sprachen. In aller Munde ist seit einigen Wochen aber vor allem ein Land und eine Sprache: die Ukraine und Ukrainisch. „Das ist momentan das Gesprächsthema Nummer eins bei uns“, so Geschäftsführer Hans-Martin Reinhardt vor einigen Tagen im Gespräch mit dieser Zeitung.
Hilfe unter dem Motto „Bochum sammelt für die Ukraine“
Kurz nach dem Angriff Russlands auf das Nachbarland hat die Belegschaft die erste Sammlung mit Hilfsgütern organisiert und damit die Arbeit der Gesellschaft Bochum-Donzek unterstützt. Jetzt wollen sie noch über den Kreis der Beschäftigten hinausgehen. „Seit Wochen herrscht nun Krieg in der Ukraine und immer mehr Menschen benötigen Unterstützung. Wir, die Friedrich Picard GmbH, möchten helfen“, heißt es in einem Flugblatt, das in Blau und Gelb gehalten ist – den Farben der ukrainische Flagge. Die Überschrift lautet: Bochum sammelt für die Ukraine.
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Vom 19. bis 26. April sammelt Picard Sachspenden für die Menschen aus der Ukraine. „In Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz Polen werden die Spenden mit Lkw direkt zu zwei Flüchtlingsunterkünften in Polen transportiert.“ Die Spenden können vom 19. bis 26. April täglich (ausgenommen Sonntag, 24. April) zwischen 7 und 15 auf dem Betriebsgelände des Unternehmens an der Dietrich-Benking-Straße 78 in Hiltrop abgegeben werden.
IT-Experte freut sich über Hilfe für seine Heimat
Die Liste der benötigten Güter ist lang. Sie reicht von haltbaren Lebensmitteln über Baby- und Kleinkindernahrung, Kosmetikartikeln, Reinigungsmittel, Heißgetränke, Hygieneartikel bis hin zu neuwertigen Textilien und Bettwaren.
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In Bochum daheim, in der Welt zu Hause
So bunt wie die Welt ist die Belegschaft bei Picard. Wer am Firmensitz des Handelshauses, das spezialisiert ist auf Wälzlager und Lineartechnik, an der Dietrich-Benking-Straße in Hiltrop durch die Flure geht, blickt allenthalben auf Fahnen. Die stehen für die Heimatländer der Beschäftigten.
Zu sehen sind die Flaggen von Frankreich und Italien, Griechenland und Türkei, Argentinien und Brasilien, Großbritannien, Kanada und viele weitere mehr. Picard liefert in Länder rund um den Erdball. Das Motto des 1922 gegründeten Unternehmens lautet daher auch: „In Bochum daheim, in der Welt zu Hause.“
Vadym Melnyk freut sich, dass sein Arbeitgeber versucht, den Menschen in seiner Heimat zu helfen. Der 38-Jährige kam vor acht Jahren mit seiner Ehefrau aus der Ukraine nach Deutschland und arbeitet seit fünf Jahren in der IT-Abteilung von Picard. Oft fragen ihn die Kollegen, wie es seiner Familie und seinen Freunden in der Heimat gehe. „Für mich ist es nicht immer leicht, dann etwas zu erzählen“, gesteht Melnyk. Denn eigentlich gebe es jeden Tag schlechte Nachrichten, oft sogar schlimme Nachrichten wie in den vergangenen Tagen aus Mariupol und Butscha. Zu sehen, wie das Land, in dem er den größten Teil seines Lebens verbracht hat, in dem Freunde und Verwandte leben, überfallen und zerstört werde, schmerze sehr.
Schutz vor russischen Bomben in Luftschutzkeller aus sowjetischer Zeit
Immerhin: Seine Eltern sind momentan fernab der schlimmsten Kriegswirren bei der betagten Großmutter. Die Eltern seiner Frau sind weiterhin in der Hauptstadt Kiew. „Jede Nacht verbringen sie im Luftschutzkeller tief unter dem Wohnhaus, in dem sie leben. „Der stammt noch aus sowjetischen Zeiten“, so Melnyk. Welch eine Ironie der Geschichte.
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Auch die Melnyks sind zusammengerückt, um Freunde bei sich zu Hause aufzunehmen. Zweimal haben Frauen mit Kindern für mehrere Tage in dem kleinen Kinderzimmer der Tochter gewohnt, bis diese eine größere Bleibe gefunden haben. Ihre Männer und Väter sind in der Ukraine geblieben. Darunter ein Studienfreund von Vadym Melnyk, der mittlerweile ein Museum leitet und der versuche so viele Exponate wie möglich buchstäblich in Sicherheit zu bringen. Für die Zeit nach dem Krieg; wann auch immer das sein mag.
Wenn der Krieg vorbei ist, wollen die meisten Ukrainer zurück in die Heimat
„Es ist schwer für die Menschen, ihre Heimat zu verlassen“, weiß Vadym Melnyk. Das gelte für die Jungen ebenso wie für die Alten. Und die meisten werden, da ist er sich sicher, zurück in die Ukraine gehen, wenn dere Krieg vorbei ist. Bis es so weit ist, ist jede erdenkliche Hilfe nötig.