Bochum. Der Bierbecher-Skandal bewegt weiterhin die Führung und Fans des VfL Bochum. Die Polizei begrüßt die aktuelle Entscheidung des Bundesligisten.
Von „Fans“ mag Jörg Dermund nicht sprechen. Als „Störer“ bezeichnet er die Unbelehrbaren, die im und am Vonovia Ruhrstadion für Ärger sorgen. Sie zu ermitteln, bei Bedarf ein Stadionverbot vorzuschlagen, ist Aufgabe des Polizeidirektors und seiner Beamtinnen und Beamten. Vor, während und nach jedem Heimspiel des VfL Bochum. Ganz besonders nach dem Skandal bei der letzten Partie gegen Borussia Mönchengladbach.
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Jörg Dermund war an jenem 18. März im Stadion, als Linienrichter Christian Gittelmann in der 68. Minute von einem vollen Bierbecher am Kopf getroffen und das Spiel abgebrochen wurde. Der 60-Jährige hat reichlich Erfahrung. Als Leiter der Polizeiinspektion 1 ist er Chef aller fünf Bochumer Wachen. Als Polizeiführer koordiniert er seit 2018 die Fußball-Einsätze an der Castroper Straße, wo es eine eigene Stadionwache gibt.
Die folgenschwere Becher-Attacke indes kam auch für den Polizei-Profi unerwartet.
VfL Bochum: Polizei bereitet sich schon zwei Wochen vorher auf ein Heimspiel vor
Dabei hatten auch vor dem Gladbach-Spiel sämtliche Regularien gegriffen. Schon zwei Wochen vorher beginnen die ersten Abstimmungen mit dem Land zur Abstellung der Bereitschaftspolizei. Drei bis vier Tage zuvor, meist mittwochs, kommt die Polizei u.a. mit den Kollegen der Bundespolizei (zuständig für den Bahnverkehr), dem Bundesligisten, dem VfL-eigenen Ordnungsdienst (er ist für die Sicherheit im Stadion verantwortlich) sowie Vertretern der Rettungsdienste zusammen.
Stichwort: „Spieltagsanalyse“.
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Wie viele Anhänger bringt der Gegner mit? Gelten sie als gewaltbereit? Wie ist es um das Verhältnis zwischen den Fanlagern bestellt? Freundschaftlich (Jörg Dermund nennt als Beispiel Bayern München) oder – O-Ton Polizei – feindschaftlich (Dermund mag hier offiziell keine Namen nennen)? Gibt es Zoff in den sozialen Medien? Was sagen die szenekundigen Polizeibeamten in der Stadt des Gastvereins? Birgt die Tabellenkonstellation zusätzlichen Zündstoff?
Lagebewertung umfasst vielfältige Informationen und Einschätzungen
Vielfältige Informationen und Einschätzungen fließen in die Lagebewertung ein, sagt der Polizeichef. Dabei gelte: „Je schlechter das Verhältnis der Fans, desto stärker ist die Polizeipräsenz.“ Die Einsatzstärke am Spieltag reiche „von unter hundert bis mehrere hundert Beamte“. Es macht einen Unterschied, ob Fürth oder der BVB nach Bochum kommt. Job der Polizei ist stets „die Verfolgung von Straftaten innerhalb und außerhalb des Stadions, etwa bei Körperverletzungen, sowie die Gefahrenabwehr außerhalb des Stadions“.
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Aktuell ist ausreichend Vorsorge gefragt. Dermund: „Nach der langen Corona-Durststrecke kehren die Fans vollzählig in die Stadien zurück. Die wollen sich präsentieren. Das schafft für uns besondere Risiken.“
Gefahr eines gezielten Becherwurfes hatte niemand auf dem Schirm
Die Gefahr eines gezielten Becherwurfes auf den Linienrichter hatten die Beteiligten vor dem Gladbach-Spiel nicht auf dem Schirm. Erst recht nicht im Block A, der bislang als unverdächtig galt. Umso mehr begrüßt die Polizei die jüngste Ankündigung des VfL Bochum, die Videoüberwachung mit zusätzlichen Kameras auszuweiten. Fortan, so die Erwartung, habe man das gesamte Stadion permanent im Blick, nicht nur die Fans hinter beiden Toren. „Wir haben jederzeit Zugriff auf die Bilder.“
2500 Bayer-Fans am Sonntag in Bochum
Vor dem VfL-Heimspiel am Sonntag (15.30 Uhr) gegen Bayer Leverkusen richtet die Polizei ihr Hauptaugenmerk auf den Hauptbahnhof.
Eine Vielzahl der 2500 erwarteten Bayer-Fans werde mit dem Zug anreisen, erklärt Einsatzleiter Jörg Dermund. Sie werden am Hbf „empfangen“ und zum Stadion begleitet.
Besondere Brisanz misst die Polizei der Begegnung nicht bei: Die Leverkusen-Anhänger gelten nicht als Problemfans.
Gemeinsames Ziel sei, „Straftäter konsequent zu ermitteln“, bekräftigt Dermund. So wie den mutmaßlichen Becherwerfer, gegen den die Staatsanwaltschaft inzwischen Blitzanklage erhoben hat. Wie es heißt, kam man dem 38-jährigen Bochumer anhand von Zeugenaussagen und der Auswertung der TV-Bilder auf die Spur.
Alkoholverbot? „Man kann auch einen Wasserbecher werfen“
Hätte sich die Polizei vom VfL Bochum weitere Maßnahmen gewünscht, etwa ein generelles Alkoholverbot im Stadion? „Das nähme zwar vielfach den Druck heraus und würde die Enthemmung mancher Störer verhindern“, sagt Jörg Dermund. „Die Probleme wären damit aber nicht gelöst. Man kann auch einen vollen Wasserbecher oder ein Feuerzeug werfen.“