Bochum. Seit Jahren wurden die alten Atombunker in der Stadt nicht gewartet oder sind demontiert. Bochum sieht andere Wege für den Bevölkerungsschutz.
Mit Beginn des Ukraine-Kriegs und einer möglichen Bedrohung auch Mitteleuropas kommen eigentlich längst überwunden geglaubte Ängste wieder hoch: Wo kann ich in Bochum hin, wenn ein Luftangriff befürchtet wird? Wo gibt es bei uns Schutz vor radioaktiven Bedrohungen, wie sie durch die Einnahme der Atom-Ruine von Tschernobyl oder den Kämpfen am größten europäischen Atomkraftwerk Saporischschja plötzlich wieder möglich erscheinen? Die offizielle Antwort der Stadt auf die Anfrage dieser Zeitung ist ernüchternd: Es gibt in Bochum, wie überwiegend in NRW, keine funktionstüchtigen Bunker mehr.
Ehemalige Atombunker sind nicht mehr funktionstüchtig
Im Zusammenhang mit den Entwicklungen in der Ukraine hatten besorgte Bürger sowohl bei der Stadt als auch in dieser Redaktion nach Schutzräumen gefragt. In der Bochumer Innenstadt waren in den 60er Jahren in den Parkhäusern Südring/Ecke Universitätsstraße (im letzten Jahr abgerissen), dem Parkhaus Brückstraße und dem Parkhaus unter dem Husemannplatz damals so genannte Atombunker errichtet worden, das größte Tiefbauwerk war am Südring mit einer Kapazität von 2500 Menschen.
Ein kompletter Abriss des in der Erde versenkten mehrstöckigen Beton-Ungetüms wäre am Südring wäre offenbar viel zu teuer gewesen. Ab Mai soll dort die Anlage allerdings zum großen Teil demontiert werden.
In diesen Anlagen, so die damalige Doktrin, sollten die Menschen eine gewisse Zeit überleben können. Es wurden Filteranlagen eingebaut, große Lüfter, die mit Strom, Diesel oder zur Not auch im Handbetrieb mit Kurbeln bedient werden konnten. In langen Reihen gab es Sitze und Liegen. Verpflegung sollte erst im Ernstfall dort eingelagert werden.
Wiederinbetriebnahme von Bunkern würde Millionen kosten
Wilfried Maehler ist Geschäftsführer des Bochumer Studienkreises Bunker, der sich seit Jahrzehnten mit historischen Bunkeranlagen in dieser Stadt beschäftigt. „Heute sind die verbliebenen Luftschutz-Anlagen allesamt nicht mehr funktionsfähig. Eine Wiederinbetriebnahme dieser Bunker würde sicherlich Millionen kosten.“ Auch die in den 80er Jahren während des kalten Krieges zu provisorischen Luftschutzanlagen ertüchtigten ehemaligen Hochbunker aus dem 2. Weltkrieg, wie etwa der Bunker am Wattenscheider Gertrudisplatz, seien heute nicht mehr nutzbar.
Die Stadt erklärt die Hintergründe so: Seit 2004 ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) für den Zivilschutz und somit auch für öffentliche Zivilschutzbunker verantwortlich. Aufgrund der hohen Kosten wurden diese Anlagen Ende der 60er Jahre aber nicht mehr instand gehalten. Ab 1990 (Wiedervereinigung Deutschlands) wurde die Förderung eingestellt. Seitdem wurden die Bunker-Anlagen nicht mehr gewartet.
Was das Bundesamt für Bevölkerungsschutz empfiehlt
In einem Krisenfall rät das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BBK) unter anderem Fenster und Türen zu schließen und Lüftungs- und Klimaanlagen auszuschalten. Die Bevölkerung soll möglichst Kellerräume oder innenliegende Räume aufsuchen.
Außerdem sei es sinnvoll, ständig einen Lebensmittelvorrat für 14 Tage vorzuhalten. Es gibt zudem den Hinweis: „Häuser in Holzbauweise oder Fertighäuser in Leichtbauweise, Zelte, Wohnwagen und Wohnmobile sowie Pkw bieten keinen oder nur einen geringen Schutz – suchen Sie Schutz ggf. beim Nachbarn“.
Die Stadt bleibe verantwortlich für den Schutz bei großen Unglücken oder Katastrophen in Friedenszeiten. In den letzten Jahren begann insofern ein Umdenken, dass die seit Jahren nicht mehr getesteten und meist auch nicht mehr funktionstüchtigen alten Sirenen demontiert und durch moderne Warnanlagen ersetzt worden sind.
Mittlerweile sind 18 dieser Anlagen im Stadtgebiet installiert. Bei Tests in der Vergangenheit ging es auch darum, sicherzustellen, ob die Sirenen überall zu hören waren. Vereinzelt gab es in NRW auch Pannen. Im Ernstfall, so die Stadt, stünden viele Wege der Informationsvermittlung zur Verfügung: Neben Rundfunk und TV zum Beispiel die Warn-App Nina, elektronische Anzeigetafeln an den Straßen oder Durchsagen von Lautsprecherwagen.
Bevölkerung ist stark sensibilisiert
Wie hoch sensibilisiert die Bevölkerung in der aktuellen Krisensituation ist, zeigt das Beispiel aus Bielefeld. Vor einer Woche sollten dort eigentlich die Sirenen bei einer Wartung mit einem sogenannten „stummen Alarm“ ausgelöst werden. Durch einen technischen Fehler ging jedoch bei 14 Sirenen der Heulton „Warnung vor Gefahren“ los. Hunderte besorgte Bürger riefen bei der Polizei an, meldete der WDR.