Bochum/Hattingen. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt bei den Ambulanten Diensten Augusta. Es geht um Abrechnungsbetrug. Der Pflegedienst zieht Konsequenzen.

Seit fast drei Jahren laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum bei einem Pflegedienst der in Bochum und Hattingen tätig ist. Es geht um falsch abgerechnete Leistungen in der Pflege. „Die hiesigen Ermittlungen werden wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges, der Untreue und weiterer Delikte geführt“, teilt Oberstaatsanwältin Cornelia Kötter auf Anfrage zu dem Fall mit.

Stiftung Augusta unterstützt Ermittlungen in Bochum

Bei dem Unternehmen handelt es sich, wie die WAZ herausfand, um die Ambulanten Dienste Augusta. „Wir unterstützen die Ermittlungen vollumfänglich“, bestätigt Geschäftsführer Thomas Drahten den Vorgang. In Personalunion leitet der diplomierte Kaufmann auch die Augusta-Kliniken Bochum.

Die Strafanzeige eines Zeugen brachte die Ermittlungen 2019 ins Rollen. Im November 2021 gab es zwei Razzien, bei denen Geschäfts- und Privaträume der Beschuldigten in Bochum und Hattingen durchsucht wurden. Dabei beschlagnahmte die Behörde zahlreiche Unterlagen.

Bei Krankenkassen nicht erbrachte Leistungen abgerechnet

Das Ermittlungsverfahren richtet sich laut Staatsanwaltschaft mittlerweile gegen einen Verantwortlichen und mehrere Mitarbeiter(innen) in leitender Stellung. „Ihnen wird im Wesentlichen vorgeworfen, Leistungen, die tatsächlich nicht beziehungsweise von nicht ausreichend qualifizierten Kräften erbracht worden sein sollen, gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet zu haben, obwohl insoweit bekanntermaßen keine Erstattungsansprüche bestanden“, heiß es.

300 Mitarbeiter und 1200 Patienten

Die Ambulanten Dienste Augusta pflegen Menschen in ihrer häuslichen Umgebung. „So lange zu Hause bleiben, wie es geht“, lautet das Motto.Der Pflegedienst wirbt mit einer Rufbereitschaft von 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr.Bei den Ambulanten Diensten arbeiten rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.1200 Patienten werden versorgt. Hinzu kommen 45 Kurzzeitpflegeplätze und 15 Plätze in der Tagespflege.

„Ich habe als Auszubildender selbstständig Palliativpatienten betreut. Dazu gehörte auch die Pflege von Kathetern und Portsystemen. Das hätte ich gar nicht gedurft“, berichtet ein ehemaliger Pfleger der Ambulanten Dienste, der anonym bleiben möchte. Auch sei er für die Arbeit an Patienten unerlaubt vom Schulunterricht befreit worden.

Augusta stellt betroffene Mitarbeiter frei

Während die Staatsanwaltschaft noch ermittelt und nicht feststeht, ob es zu einer Anklage kommen wird und wie hoch der entstandene Schaden gegebenenfalls ist, hat es bei den Ambulanten Diensten Augusta erste Konsequenzen gegeben. Die unter Verdacht stehenden Mitarbeiter sind freigestellt worden.

„Natürlich gilt auch für sie die Unschuldsvermutung“, so Thomas Drathen, „aber in Absprache mit der Stiftung Augusta haben wir Stellen interimsmäßig neu besetzt, um wieder Ruhe in das Unternehmen zu bekommen.“ Auch eine Unternehmensberatung sei aktiv. „Wichtigstes Ziel für uns ist es, die Versorgung unserer Patienten auf dem gewohnten Niveau fortführen zu können.“

Eva-Maria Karmelita kehrt aus Ruhestand zurück

In diesem Zusammenhang kommt es zu einem erstaunlichen Comeback. Eva-Maria Karmelita kehrt aus ihrem Ruhestand zurück. Mehr als 50 Jahre arbeitete die heute fast 70-Jährige in den Augusta-Kliniken, zuletzt als Leiterin des Pflegemanagements. „Wir wollen bei den Ambulanten Diensten von ihrer Erfahrung profitieren“, sagt Drathen.

Falsche Abrechnungen in der Pflegebranche sind kein Einzelfall. Erst Ende Februar gab es eine Razzia bei einem anderen Pflegedienst in Bochum. Ehemalige Mitarbeiter hatten Mitte 2020 gegenüber der WAZ schwere Vorwürfe gegen ihren Ex-Arbeitgeber erhoben und so die Strafverfolgungsbehörden auf die Missstände aufmerksam gemacht.