Bochum. Michael Wurst und Ansgar Borgmann zählen zu den dienstältesten Stadionsprechern in der Bundesliga. Die WAZ hat sie beim Pokalspiel begleitet.
„Bochum“ ist gesetzt. Kurz vor dem Anstoß erklingt die blau-weiße Herbie-Hymne. Seit einer halben Ewigkeit. Immer. Sogar bei den Corona-Geisterspielen. Michael Wurst und Ansgar Borgmann sind da schon zwei Stunden im Dienst. Als Stadionsprecher sind sie seit 15 Jahren ein starkes Stück VfL. Die WAZ hat das Duo beim Pokalspiel gegen den SC Freiburg von der ersten Minute bis zur bitteren letzten Minute begleitet.
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19 Uhr. „Ich dachte erst, es geht um Musik“, sagt Michael Wurst und nippt in der Stadtwerke Bochum Lounge an seinem Kaffee (er wird heute nicht letzte sein). 2007, erzählt er, habe ihn der VfL Bochum angerufen, damals noch mit Stefan Kuntz und Ansgar Schwenken in der Chefetage. Nein, es ging nicht um die Mucke, die Wurst mit seiner TV-bekannten, herrlich durchgeknallten Familie („The Tweens“) macht. Es ging um den Job als Stadionsprecher.
Stadionsprecher beim VfL: Micha ist „der Laute“, Ansgar „der Seriöse“
Den hatte der VfL zwar schon. Ein Jahr zuvor hatte Radio-Bochum-Moderator Ansgar Borgmann die – anfangs alleinige – Nachfolge von Mirko Heinze angetreten. Fortan sollte es aber eine Doppelmoderation sein. Mit zwei Freunden, die auf einer Wellenlänge funken, am Mikro aber unterschiedlicher kaum sein könnten.
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Michael als „der Laute“, Ansgar als „der Seriöse“: Diese Arbeitsteilung klappte vom Start weg. „Ich habe auf dem Platz das Interview mit Bundestagspräsident Norbert Lammert geführt, Michael mit Ralle Richter“, erzählt Borgmann. Journalistische Besonnenheit hier, Emotionen pur dort: Als „perfekte Ergänzung“ bezeichnet sich das Duo im WAZ-Gespräch. Eines immerhin haben sie gemeinsam: ihren Lieblingsspieler Anthony „Toto“ Losilla.
Arbeitsplatz ist neben der Osttribüne, ganz nah bei den Fans
19.15 Uhr. Noch 90 Minuten bis zum Anpfiff. Regiebesprechung. Onur Oeztorun ist der Stadionregisseur. Mit dem Technik-Team und den Stadionsprechern geht er den Ablauf durch. Der ist geübt, minuziös durchgetaktet. Routine. Heute gibt es aber zwei Besonderheiten. Wegen des Pokalspiels entfallen große Teile der Liga-üblichen Werbeblöcke. „Achtung, Micha: Die Mannschaftsaufstellung wird heute nicht von Vonovia präsentiert“, warnt Onur Oeztorun. Und: Wie schon beim Leipzig-Spiel wird es eine Schweigeminute für die Kriegsopfer in der Ukraine geben.
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19.30 Uhr. Wurst (47) und Borgmann (45) nehmen an ihrem Moderationstisch Platz. Der steht nicht – wie wohl viele denken – in den Glaskabinen mittig der Haupttribüne, sondern unmittelbar neben der Ostkurve, oben unterm Dach, „näher an den Fans, an der Stimmung“, sagt Wurst locker vom Hocker.
Zum Stadion-TV“ geht’s runter auf den Rasen
19.45 Uhr. Das Stadion-TV geht auf Sendung. Wurst und Borgmann schreiten die Tribüne hinunter auf den sattgrünen Rasen und starten ihr Programm mit Infos rund um den VfL, das zu dieser frühen Stunde aber nur wenige Zuhörer findet.
20 Uhr. Langsam wird’s laut. Erst wird Torhüter Manuel Riemann, wenig später die gesamte Mannschaft zum Warmmachen begrüßt. „Es ist für uns ein großes Privileg, Stadionsprecher zu sein, vor dem Anpfiff unten auf dem Rasen zu stehen. Das ist mit diesen fantastischen Fans einfach nur geil, gerade jetzt in der 1. Liga“, schwärmt Ansgar Borgmann. Wurst erinnert an das historische Bayern-Spiel: „Gut, dass wir bei der Arbeit kein Alkohol trinken. Sonst wären wir in der Halbzeit voll gewesen.“
Schweigeminute vor dem Anpfiff
20.25 Uhr. „VfL, mein Herz schlägt nur für dich“, dröhnt es durchs Schmuckkästchen. Das Ritual, es beginnt. Ansgar Borgmann läuft schon mal hoch zum Sprechertisch. Michael bleibt unten und verliest, ach was: zelebriert die Mannschaftsaufstellung. Jubel. „Bochum“. Schweigeminute mit einem vom DFB vorgegeben Textvorschlag, den Borgmann weitgehend übernimmt. Anpfiff.
Rüffel in der ersten Saison
Der Start von Michael Wurst als Stadionsprecher war holprig.
Bei einem Heimspiel in seiner ersten Saison 2007/8 habe er wie das ganze Stadion das Gefühl gehabt: Der VfL wird verpfiffen.
Endlich habe der Schiedsrichter ein Foul mit Strafstoß für den VfL geahndet. O-Ton Wurst nach dem verwandelten Elfer: „Der Schiri konnte ja nicht alles übersehen.“
Folge: ein kräftiger Rüffel – und die Erkenntnis, jegliche Wertungen bei Durchsagen besser zu unterlassen.
Während des Spiels zeigt sich: Die Arbeitsteilung wurde wohlweislich getroffen. Borgmann bleibt ruhig, gelassen, der klassische Teetrinker. „Micha“ stimmt bei jedem Fan-Gesang lauthals mit ein, zappelt, schreit, steht auf für seinen VfL, ist Blau-Weißer durch und durch. Kippe. Kaffee. „Kommt, Jungs!“
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Enttäuschung im Pokal – aber am Samstag geht’s weiter
53. Spielminute. Einsnull Freiburg. „Scheiße“, zischt Wurst. Borgmann greift zum Mikro. Er ist für die Tore des Gegners zuständig. „Es ist also immer gut, wenn man wenig von mir hört.“ 64. Minute. Ausgleich Bochum. Wurst eskaliert. VfL-Tore sind sein Part. „Torschütze unsere Nummer 40 Sebastian POLTER!!! Wen lieber wi-hir?“ Is’ klar.
Verlängerung. Kaffee. Kippe. Tee. Und Entsetzen in Minute 120. Die Entscheidung. Borgmann muss ran. „Tor für den FC Freiburg...“ Ganz professionell. Doch tief enttäuscht wie alle Blau-Weißen.
Schlusspfiff. Verabschiedung der Fans. Feierabend. Schon am Samstag geht’s weiter. Mit „Bochum“. Mit einem lauten Michael. Und der Hoffnung, von Ansgar möglichst wenig zu hören.