Bochum. Der Stadion-Grill und die Ritterburg sind bei Fans des VfL Bochum Kult. Doch in Corona-Zeiten ist Kampf angesagt. Und der Glaube auf Besserung.

„Vier!“, ruft Claudia Post und rückt grimmig den Topf mit Stiefmütterchen auf der Bierzeltgarnitur zurecht. „Vier! Von 750! Wie soll man damit klarkommen?“ Die 63-Jährige hat den „Stadion-Grill“ von der Stadt gepachtet. Seit 27 Jahren. „Wir hatten immer zu kämpfen“, sagt sie. Stets war der VfL das Vorbild. Die Rettung. Der zuverlässige Umsatzbringer, der zweimal im Monat die Kasse klingeln ließ. Damit ist es vorerst mal wieder vorbei. Auch am Samstag (18.30 Uhr) gegen den 1. FC Köln.

„Vier!“ Damit meint Claudia Post die magere Zahl der Kunden, die sich am vergangenen Dienstag beim Pokalspiel gegen Mainz an ihrem Imbiss an der Castroper Straße eingefunden haben. Dabei war die Chefin so froh, dass es nicht wieder zu Geisterspielen kommt. 750 Menschen dürfen laut aktueller Corona-Verordnung ins Stadion, das eine Freistoßweite entfernt liegt. „Aber davon sind ja maximal 200 ,richtige’ Fans.“ Zu wenig, um der Kult-Bude mehr als eine knappe Handvoll Hungermäuler zu bescheren.

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Kult-Imbiss in Bochum: Gebrutzelt wird im alten VfL-Kassenhäuschen

Kein Vergleich zu den Massen, die es sich bei regulären Heimspielen auf dem Kirmesplatz schmecken lassen. „Zwei Stunden vor Anpfiff und zwei Stunden danach ist richtig was los“, schwärmt Claudia Post, die von ihrem Mann Markus (59) unterstützt wird. „Ich kenne Fans, die kommen seit einem Vierteljahrhundert zu uns. Auch viele Auswärtsfans sind Stammgäste.“ Pommes für einssiebzig, Currywurst für zweifünfzig: Das geht klar. Gebrutzelt wird an Spieltagen zusätzlich in einem ausrangierten VfL-Kassenhäuschen, das sich die Posts für kleines Geld gesichert und zur Grillhütte umgebaut haben. Getränke gibt’s ein paar Meter weiter am Bierwagen. Der wurde aufgebaut, als das Flaschenverbot eingeführt wurde.

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Einträge in den sozialen Netzwerken zeugen von der Bekannt- und Beliebtheit der Frittenschmiede. „Eine der besten Currywürste Deutschlands“, lobt Jens. „Inzwischen Tradition vor dem Spiel unseres VfL“, schreibt Benjamin. „Definitiv ein Ruhrpott-Original“, postet Dirk. Einige kritische Stimmen werden gegen die Chefin Claudia laut, eine wahre Revier-Pflanze von ausgesucht rauem, aber herzlichem Charme.

Sehnsucht nach Rückkehr der Fußball-Feiertage

Die zuckt im WAZ-Gespräch einigermaßen resigniert mit den schmalen Schultern. „Den VfL trifft ja keine Schuld. Die müssen sich an die Corona-Regeln halten.“ Die Auswirkungen für die Geschäftsleute „anne Castroper“ seien dennoch gravierend. Bei den Geisterspielen ebenso wie bei der aktuellen Beschränkung auf 750 Zuschauer. „Da merkste gar nicht, dass nebenan überhaupt Fußball gespielt wird.“

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Claudia Post ist klar: Vom VfL allein kann sie nicht leben. „Es gibt pro Saison 17 Heimspiele, aber 365 Tage im Jahr.“ Vor allem das Tagesgeschäft zählt. „Sonst würde keiner den Hintern von der Couch heben.“ Dennoch sehnt sie die Rückkehr der Fußball-Feiertage im Schmuckkästchen herbei. Möglichst bis zum 12. Februar, wenn die Bayern nach Bochum kommen. „Ein volles Haus. Das wäre ein Traum!“

Martin Hartmann ist Wirt der VfL-Kneipe „Ritterburg“ an der Castroper Straße. Auch er beklagt einen Umsatzeinbruch durch die Corona-Krise.
Martin Hartmann ist Wirt der VfL-Kneipe „Ritterburg“ an der Castroper Straße. Auch er beklagt einen Umsatzeinbruch durch die Corona-Krise. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

„Ritterburg“: Bei TV-Übertragungen ist weniger los als früher

Endlich wieder sprudelnde Umsätze: Die würden auch Martin Hartmann gut tun. Seit zwölf Jahren ist er Wirt in der „Ritterburg“, noch so eine blau-weiße Institution im Schatten des Vonovia Ruhrstadions. Hunderte Fans treffen sich zum Antrinken vor und zum Lust- oder Frusttrinken nach dem Spiel.

Gastronomen zahlen hohe TV-Gebühren

Fußball-Kneipen profitieren kaum von den Geisterspielen oder der Zuschauer-Beschränkung im Stadion.

Grund: Die happigen Gebühren, die die Pay-TV-Anbieter wie Sky und DAZN in der Gastronomie aufrufen.

Bei Martin Hartmann in der „Ritterburg“ sind es monatlich mehr als 1000 Euro, im „Three Sixty“ im Bermudadreieck rund 2000 Euro.

Das lohne sich in der Regel nicht, so Hartmann. Aber: „Für mich ist das Dienst am Kunden.“

Corona verhagelt auch dem Burgherren die Bilanzen. Fans, die ins Stadion dürfen? Nur noch wenige Glückliche. Anhänger, die sich die Spiele in der Kneipe live anschauen? Trotz Liga 1 überschaubar. „Die Angst vor Corona sitzt tief, verständlich bei den aktuellen Omikron-Zahlen“, konstatiert Hartmann. Die Folgen waren – wie im „Stadion-Grill“ – am Dienstag beim Pokalabend zu besichtigen: „50 bis 60 Gäste waren hier. Normalerweise sind es mehr als doppelt so viele.“

Pächter bleiben zuversichtlich: „Wir geben nicht auf“

„Wir haben ein Auto verkauft. Wir geben nicht auf“, sagt Claudia Post. „Wir schlagen uns weiter durch“, bekräftigt Martin Hartmann. Beide im festen Glauben, dass es bald wieder aufwärts geht. Mit einer Mantaplatte im „Stadion-Grill“. Und einem kühlen Blonden in der „Ritterburg“.

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