Bochum. Überraschung im Prozess um einen brutalen Raubüberfall vor 31 Jahren in Bochum: Der Angeklagte wurde aus der U-Haft entlassen. Hier die Gründe.

Der Angeklagte im Fall eines ungeheuer brutalen Raubüberfalls auf eine Bochumer Spielhalle vor 31 Jahren ist überraschend aus der U-Haft freigelassen worden. Das wurde am Dienstag im Schwurgericht bekannt. Dort erschien der 56-Jähriger nicht mehr begleitet von zwei Wachtmeistern durch eine Hintertür, wie es bei U-Häftlingen immer der Fall ist, sondern vom öffentlichen Gerichtsflur aus.

Der Mann war am 1. November 2021 im Überseehafen in Bremerhaven mit Haftbefehl festgenommen worden. Er kam mit einem großen Schiff an, auf dem er als Arbeiter tätig war. Bei so genannten „Cold Case“-Ermittlungen der Kripo („Kalte Fälle“), die uralte und noch ungelöste Kapitalverbrechen noch einmal aufrollt, kam heraus, dass der 56-Jährige in der Nacht des 27. Februar 1991 eine 48-jährige Angestellte einer Spielhalle an der nördlichen Kortumstraße überfallen haben könnte. Fingerabdruck- und DNA-Spuren sollen ihn stark belastet haben. Seitdem saß er in U-Haft – bis vor wenigen Tagen.

Das Raubopfer aus Bochum starb bereits im Jahr 2012

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Mit mindestens fünf Schlägen mit einem Hammer auf den Kopf war das Opfer zu Boden gebracht worden. Laut Anklage soll der Angeklagte im Glauben, sie sei tot, 4235 Mark aus dem geöffneten Tresor geraubt und durch die „City-Passage“ zur Hans-Böckler-Straße geflüchtet sein. Unterwegs soll er den blutverschmierten Hammer, ein Goldkettchen und 18 Ein-D-Mark-Stücke verloren haben. Die Frau schwebte in Lebensgefahr, konnte aber gerettet werden. Trotzdem litt sie enorm unter den Verletzungen bis zu ihrem Tod 2012.

Der Angeklagte bestreitet, der Täter zu sein – und schweigt im Prozess zu den Vorwürfen.

Der Angeklagte (hinter der Mappe) neben seinen Verteidigern Boris Strube (rechts) und Tobias Rüthers.
Der Angeklagte (hinter der Mappe) neben seinen Verteidigern Boris Strube (rechts) und Tobias Rüthers. © Bernd Kiesewetter

Das Schwurgericht ließ ihn nun frei, weil sich der Tatverdacht bisher „nicht verstärkt“ habe. Außerdem sei die U-Haft nicht mehr verhältnismäßig, weil die Tat schon so lange zurückliege, eine Milderung einer möglichen Strafe in Betracht komme und die Hauptverhandlung wegen Corona-Fällen vier Wochen lang habe unterbrochen werden müssen.

Angeklagte hinterlegte 5000 Euro Sicherheitsleistungen

Das Gericht setzte den Haftbefehl aber nur gegen Auflagen außer Vollzug. Er musste zum Beispiel 5000 Euro Sicherheitsleistungen hinterlegen.

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Die Beweisaufnahme gestaltet sich schwierig angesichts der Länge der Zeit, die seit der Tat vergangen ist. Ein heute 58-Jähriger hatte damals als Türsteher vor einem Club in der City-Passage gearbeitet und einen Mann gesehen, der vor ihm den blutverschmierten Hammer fallengelassen hatte. Im Zeugenstand sagte er, dass er heute „überhaupt keine Ahnung“ mehr habe von der Sache damals. Mit seinen Angaben von der Person wurde damals ein Phantomfoto erstellt, das zu dieser Zeit bei der Kripo noch „Minolta-Bild“ hieß, nach dem Kamerahersteller.

Viele Zeugen vor dem Bochumer Schwurgericht können sich nicht mehr erinnern

Auch ein Polizei-Pensionärin (63) wurde als Zeugin gehört ; sie hatte damals den Einsatzbericht verfasst, auf der Schreibmaschine. Das Papier ist heute längst vergilbt. Der Fall sagt ihr heute auch nichts mehr, nur an einen Hammer erinnert sie sich dunkel: „Raubüberfälle auf Spielhallen und Tankstellen waren damals an der Tagesordnung, unser täglich Brot.“

Vernommen wurde auch die Ex-Ehefrau (58) des Angeklagten, mit der er sieben Kinder hat.

Der Prozess wird fortgesetzt.