Bochum. Fast 31 Jahre nach einem sehr brutalen Raubüberfall auf eine Spielhalle in Bochum steht ein 56-Jähriger vor Gericht. Er gibt die Tat nicht zu.

Mehr als 30 Jahre blieb dieser ungeheuer brutale Raubüberfall auf eine Spielhalle in der Bochumer Fußgängerzone unaufgeklärt. Jetzt steht der mutmaßliche Täter vor dem Schwurgericht. Vorwurf: versuchter Mord. Die Schuldfrage ist aber streitig. „Ich habe das nicht getan. Ich schwöre auf Allah.“

Dies hatte der heute 56-jährige Angeklagte vor einigen Wochen in der U-Haft gesagt. „Ich gehe im Gefängnis kaputt.“ Zum Prozessauftakt am Mittwochmittag machte er aber von seinem Schweigerecht Gebrauch. Einmal breitete er auf der Anklagebank ausladend seine Arme nach rechts und links aus, mit den Handflächen nach oben, und blickte an die Decke, als wolle er den Himmel um Hilfe anrufen.

Anklage: Täter spielte vor dem Raub am Automaten „Herz Ass“

Der Angeklagte neben Verteidiger Boris Strube (rechts) und Tobias Rüthers im Schwurgericht Bochum.
Der Angeklagte neben Verteidiger Boris Strube (rechts) und Tobias Rüthers im Schwurgericht Bochum. © Bernd

Am 27. Februar 1991 gegen 1.10 Uhr war der Angestellten (damals 48) des „Spielforum 2000“ im nördlichen Teil der Kortumstraße vom letzten Gast an dieser Nacht der Schädel eingeschlagen worden. Er ließ sich laut Anklage am Automaten „Herz Ass“ von der Frau Geld wechseln. Als sie zurück in ihr Kassenhäuschen ging, wurde sie von ihm mit einem Arm am Hals fixiert. Mit mindestens fünf Schlägen mit einem Hammer auf den Kopf brachte er das Opfer zu Boden, wo es bewusstlos liegenblieb. Im Glauben, sie sei tot, raubte er 4235 Mark aus dem geöffneten Tresor und verschwand durch die City-Passage zur Hans-Böckler-Straße.

Bochum- Polizei fasst brutalen Räuber 30 Jahre nach der TatUnterwegs verlor er den blutverschmierten Hammer, ein Goldkettchen und 18 Ein-D-Mark-Stücke.

Opfer aus Bochum erlitt mehrere Brüche des Kopfes

Die Frau erlitt mehrere Brüche und auch Blutungen im Kopf. Nur glücklichen Umständen sei es zu verdanken gewesen, dass sie nicht verstarb, heißt es in der Anklage. Allerdings sei ihr Kopf „deformiert“ geblieben, bis zu ihrem Tod 2012 habe sie unter Depressionen und Angstzuständen gelitten.

Mehr als 30 Jahre blieb die Täterschaft ungeklärt. Dann landete die Kripo einen möglichen Volltreffer. Im Wege von „Cold Case“-Ermittlungen („Kalter Fall“) des Landeskriminalamtes, bei denen ungeklärte Uralt-Kapitalverbrechen noch einmal neu von Polizeipensionären untersucht werden, wurde eine Übereinstimmung eines Fingerabdruckes entdeckt: Ein verdächtiger Daumenabdruck an einer blutverschmierten Tür in der Spielhalle stimmte mit dem Fingerabdruck des jetzt Angeklagten überein. Zudem gab es DNA-Abriebe am Hammer und dem Kettchen, die auf den 56-Jährigen hinweisen könnten.

Brutaler Raub von 1991 in Bochum- So lief nun die FestnahmeEr hatte damals in Bochum gelebt, war bereits wegen Straftaten polizeibekannt und „erkennungsdienstlich behandelt“ worden. Über das „Afis“, das automatisierte Fingerabdruckidentifizierungssystem, kamen die Beamten auf seine Spur.

Angeklagter wurde auf einem großen Schiff in Bremerhaven gefasst

Mit einem internationalen Haftbefehl wurde der Libanese am 1. November 2021 im Hafen von Bremerhaven gefasst. Er kam gerade auf einem großen Schiff an, auf dem er als Arbeiter beschäftigt war, als ihn die Bundespolizei mit dem Uralt-Fall aus Bochum konfrontierte. „Er war natürlich überrascht“, sagte ein Beamter der WAZ.

Sieben Sitzungstage bis 9. März

Das Schwurgericht hat sieben weitere Sitzungstage bis 9. März terminiert.

Im Zuschauerbereich saßen zum Prozessauftakt zahlreiche Bekannten oder Angehörige des Angeklagten, der bis zu seiner Verhaftung keinen festen Wohnsitz hatte.

Er war zweimal verheiratet, seine letzte Frau hatte ihn wegen Gewalttätigkeiten verlassen und zog in ein Frauenhaus, wie es im Prozess hieß.

Während seiner U-Haft hatte er der Justiz erklärt, dass er allein deshalb schon nicht der Täter sein könne, weil er zur Tatzeit in der JVA München-Stadelheim eingesessen hätte, nachdem er eine Jogginghose gestohlen habe. „Ich bin unschuldig, das werde ich beweisen.“ Laut Kripo war er zur Tatzeit aber keineswegs inhaftiert, erst später. Die Spuren am Hammer erklärte er damit, dass er vor der Tat an einer Wohnungstür eines Bekannten in Bochum angeklopft und dazu einen im Flur bereit liegenden Hammer benutzt habe. Näheres dazu wurde beim Prozessauftakt nicht bekannt.

Der Bochumer Kriminalhauptkommissar Elmar Lüssem hatte umfangreich in dem Fall ermittelt. Einzelheiten, die er dem Schwurgericht mitteilte, deuten auf Schwerstarbeit hin: Viele Zeugen sind nicht mehr greifbar oder längst tot. Außerdem sind viele Hinweise und Spuren von 1991 mittlerweile im Nebel der vollkommenen Erinnerungslosigkeit verschwunden.