Bochum. Eine Bochumer Uniklinik schaffte als erste bundesweit den “3-D-LNS“ an, ein Hightech-Gerät, das präziseste Biopsien erlaubt - und mehr.

„Welcome to the Dark Side“ heißt es auf einer Star-Wars-Fußmatte in Carsten Lukas' Büro: Willkommen auf der dunklen Seite (der Macht). Prof. Lukas ist Chefarzt der Neuroradiologie des Katholischen Universitätsklinikums Bochum und hat offenbar Humor. Radiologen, erklärt er, wären lange die gewesen, die „den ganzen Tag nur Bilder gucken“. „Doch heute reicht das nicht mehr. Heute sind wir viel näher am Patienten.“ Die über die Bildgebung hinausgehenden, die „interventionellen“ Aufgaben der Radiologie, würden immer wichtiger. Man wolle „auf Augenhöhe mit den Klinikern arbeiten.“ Die Patienten profitierten davon. Ein Hightech-Gerät hilft dabei: das 3-D-Laser-Navigationssystem einer Wattenscheider Spezialfirma.

Präzise Biopsien, gezielte Schmerztherapie, Abzess-Behandlungen

Der Laser – ein schlichter, metallener, etwas mehr als halbrunder Reif; an einer Art Kran vor dem Computertomographen im OP befestigt – steht seit einem Jahr im St. Josef-Hospital, die Bochumer schafften ihn als erste deutsche Uniklinik überhaupt an. Er erlaubt punktgenaue, hochpräzise Biopsien von Tumoren oder Entzündungsherden; taugt aber auch für die Freilegung verstopfter Gallenwege, gezielte Schmerztherapien oder die Einlage von Drainagen bei Abzess-Behandlungen. Kollegen in Basel, erzählt Prof. Lukas, nutzten ihren „3-D-LNS“ zudem für die Planung neurochirurgischer Eingriffe. In Bochum sei die Onkologie Hauptauftraggeber.

"Funktioniert wie bei der Mikrowelle"

Warum, erklärt der Experte, der auch kommissarischer Leiter der Allgemeinradiologie ist, anhand einiger Bilder einer „Raumforderung“, eines Lebertumors: ein winziger weißer Fleck auf einer Kontrastmittelaufnahme, die im CT entstand, tief im Organ gelegen, gerade zwei Zentimeter groß. Man könnte einen solchen Krebs chirurgisch entfernen, sagt Lukas. Dafür müsste der Bauch des Patienten geöffnet werden. Man könnte aber auch versuchen: ihn mit radiologischer Unterstützung minimal-invasiv, ohne große OP, zu bekämpfen. Ihm etwa die arteriellen Versorgungswege zu kappen, oder ihn präzise mit Chemotherapeutika zu attackieren. Im konkreten Fall entschieden die Onkologen gemeinsam mit den Radiologen, den Tumor per „Thermo-Ablation“, mittels Hitze, abzutöten: 100 Watt für 2,5 Minuten bekam der Krebs verpasst, „funktioniert wie bei der Mikrowelle“.

Alternative für multimorbide oder alte Patienten

Der Patient wurde dafür in Vollnarkose versetzt, „wir wollten ruhige Bedingungen, mussten die Atmung kontrollieren“. Normalerweise reicht eine örtliche Betäubung. Die Software des Lasers berechnete anhand der CT-Aufnahme millimetergenau die Lage des Tumors, die Radiologen suchten den besten Weg dahin, die schonendste „Stoßrichtung“ für ihre Sonden und Nadeln – und ließen beides wiederum berechnen. Der Laser gab dann den Weg vor. Für den Eingriff selbst musste die Nadel nur noch entsprechend „anguliert“, ausgerichtet, werden. Das Ganze dauerte: wenige Minuten.


„In vier Wochen gucken wir, wie es aussieht“, sagt Lukas. Von Heilung will er nicht sprechen, „aber eine deutliche Verbesserung des Heilungsprozesses“ habe man für den Krebspatienten sicher erreicht. Die chirurgische Entfernung von Tumoren sei oft „effektiver“, räumt der Radiologe ein. Das hänge von der Größe der Geschwulst ab. „Aber für multimorbide oder alte Patienten, die Probleme mit einer Narkose hätten, ist das eine sehr gute Alternative. Und sei es nur, um einen Tumor zu verkleinern.“

Erfunden und entwickelt wurde das Hightech-Gerät in Wattenscheid

Dass ein solches Wunderwerk in Wattenscheid erfunden und entwickelt wurde – vom Ingenieur Martin Deli der noch jungen Firma Atlas Medical Technologies GmbH – wundert nur den Wattenscheider. „Die Metropole Ruhr hat in der Hinsicht echte Schätzchen zu bieten“, betont der Arzt.


Lukas selbst liebt den Laser auch wegen der Biopsien, die er möglich macht. So schonend, so präzise, wie keine Punktion sein könnte. („Da stechen sie zwei-, dreimal rein und holen doch nichts Verwertbares raus.“) Halb so lang nur wie früher benötigt er heute für die Biopsie. Das reduziere die Strahlenbelastung für den Patienten deutlich.

Neue Perspektiven für personalisierte Therapien

100.000 Euro hat der 3-D-LNS gekostet, doch er habe sich „bewährt“, findet Lukas – und gerät ins Schwärmen. Von den Möglichkeiten, die er jungen, noch unerfahrenen Ärzten biete („die lernen damit viel leichter“) und den Möglichkeiten, die er für eine „personalisierte Medizin“ eröffne, einem weiteren seiner Spezialgebiete. Denn die makroskopische und molekulargenetische Untersuchung der entnommenen Proben erlaubt etwa bei Metastasen Rückschlüsse auf den Ursprungstumor, sie liefert aber auch Hinweise auf erfolgversprechende Therapien. „Der Lebertumor von Frau X ist ja keineswegs genauso zu behandeln wie der von Herrn Y“, erklärt Lukas. „Mit unseren Daten kann man gerade auf dem Gebiet sehr helfen“, verspricht er.​