Bochum. Es ist der vielleicht außergewöhnlichste Friseursalon Bochums: In Langendreer hat sich Claudia Legrottaglie auf Krebs-Patientinnen spezialisiert.
Die Diagnose war für Christel Noeckel ein Schock. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Mit 58 Jahren. Das bisherige Leben der Boutique-Besitzerin, es endete 2016 abrupt. Ihr neues Leben ist in vollem Gange. Motto: Kopf hoch! Denn ihre eigenen Haare hat sie verloren. Nicht aber ihren Lebensmut, ihre Lebenslust, die sie mit ihrer flotten Kurzhaarperücke verströmt.
Christel Noeckel ist Kundin in einem der wohl außergewöhnlichsten Friseursalons unserer Stadt. „Schöne Haare“ heißt das Studio, das Claudia Legrottaglie in diesen Tagen In der Schornau 25a in Langendreer eröffnet hat. Richtig: Es ist die Adresse des Knappschaftskrankenhauses, des neuen Tumorzentrums der Universitätsklinik. Für die 56-Jährige, die bereits seit 1985 mit sechs Mitarbeitern ein Studio in Essen-Frintrop betreibt, ist es der perfekte Standort. Die Friseurmeisterin hat sich zusätzlich zum normalen Damen-Herren-Geschäft auf Krebspatientinnen spezialisiert, denen im Zuge einer Chemotherapie die Haare ausfallen.
„Fast alle Damen wollen so bleiben, wie sie sind“
Patientinnen werden immer jünger
Die Friseurmeisterin und das Krankenhaus fanden über die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) zusammen, bei der Claudia Legrottaglie als Partnerin gelistet ist.
Die Friseurmeisterin macht eine bedrohliche Entwicklung aus: „Die Krebs-Patientinnen, die als Kundinnen zu uns kommen, werden immer jünger.“
„Viele Frauen leiden massiv darunter, bleiben aus Scham zu Hause und verlieren ihre sozialen Kontakte“, beobachtet Claudia Legrottaglie. Da dient das Zweithaar als Seelenbalsam. „Die Zeit der ,Fiffis’ ist vorbei“, sagt die Essenerin. Die Perücken sind inzwischen so kunstvoll gefertigt, dass sie von echtem Haar kaum zu unterscheiden sind. Das gelte auch für die Standardmodelle aus Kunsthaar, die für die 350 bis 400 Euro zu haben sind, die die Krankenkassen auf Rezept gewährten. Wer’s exklusiver mag, wählt Echthaarperücken, die bis zu 2000 Euro kosten können. Der Effekt sei stets der gleiche, schildert Claudia Legrottaglie. „Haben die Kundinnen die erste Scheu vor der ungewohnten Perücke erst einmal überwunden, sind sie voller Stolz und Freude, finden zu ihrem Selbstwertgefühl zurück und verstecken sich nicht mehr.“ Was als Zweithaar gefragt sei? „Fast alle Damen wollen einfach nur so bleiben, wie sie sind. Nur wenige wählen eine komplett andere Frisur.“
Der Traum vom eigenen Haar bleibt
So wie Christel Noeckel, die vor ihrer Krebsdiagnose lange blonde Haare hatte. Aktuell trägt sie eine Perücke in modischem Birgit-Schrowange-Grau und -Look. „Passt doch prima, oder? Pflegeleicht ist sie obendrein“, strahlt sie im WAZ-Gespräch und schwärmt von dem Vertrauensverhältnis, das sie mit ihrer Friseurin (mit der sie längst per du ist) verbindet. Ihre schwere Krankheit gönnt Christel Noeckel kaum eine Chemo-Pause. Die körperliche und psychische Belastung ist immens. Umso wichtiger ist ihr das Zweithaar – auch wenn sie nicht aufgibt, davon zu träumen, „irgendwann wieder meine eigenen Haare zu haben“.