Bochum/Recklinghausen. Mit einem Themenheft wird an den im Dezember verstorbenen Rolf Abrahamson erinnert. Er musste im KZ Brüllstraße des Bochumer Vereins arbeiten.

Was Rolf Abrahamsohn schon als junger Mensch durchmachen musste, ist eigentlich unvorstellbar. Mehr als drei Jahre verbrachte der gebürtige Marler als Jude in fünf verschiedenen Konzentrationslagern. Nur mit Glück überlebte er. Seine Familie und viele seiner Freunde wurden von den Nazis ermordet. Im August 1944 kam der damals 19-Jährige nach Bochum. Als Zwangsarbeiter musste er beim Bochumer Verein an der Brüllstraße Granaten herstellen. „Es war eines der schlimmsten KZs, die ich erlebt habe“, sagte er später über diese Zeit.

Tagelang nicht geschlafen

Von seinen Erfahrungen zu berichten, fiel Abrahamsohn zeitlebens schwer. „Wenn er als Zeitzeuge vor Schülern reden sollte, konnte er vorher oft tagelang nicht schlafen“, erzählt Gerda E.H. Koch. „Er hat es dann aber trotzdem gemacht, weil er sich verpflichtet fühlte, für die zu sprechen, die nicht mehr sprechen können“. Auch an Bochumer Schulen war Abrahamsohn regelmäßig zu Gast.

Wichtiger Zeitzeuge gewesen

Rolf Abrahamsohn war einer der letzten Holocaustüberlebenden der Region. Als wichtiger Zeitzeuge war er regelmäßig an Schulen zu Gast, um über seine Erlebnisse zu sprechen. Er verstarb am 23. Dezember 2021 mit 96 Jahren.

Das Themenheft „Rolf Abrahamsohn – Holocaust-Überlebender und Zeitzeuge“ kann für eine Schutzgebühr von fünf Euro bei Gerda E.H. Koch per E-Mail bestellt werden: koch@kinderlehrhaus.de

Anlässlich seines Todes hat Koch jetzt gemeinsam mit Jörg Schürmann ein Themenheft für den Schulunterricht erstellt. Auf 56 Seiten wird in dem Band anhand von Zitaten, Bildern und Anekdoten der Lebensweg Abrahamsohns nachgezeichnet. Gleichzeitig bekommen Lehrer Anregungen für den Einsatz der Materialsammlung im Unterricht an die Hand. Herausgeber ist der Verein „Kinderlehrhaus e.V.“ aus Recklinghausen.

Kostenloses Exemplar für Schulen

Dass das Themenheft so schnell fertiggestellt wurde, ist kein Zufall. „Unser Ziel war es, den Band noch vor den beiden Gedenktagen im Januar herauszubringen und allen weiterführenden Schulen in Recklinghausen, Gelsenkirchen und Bochum jeweils ein kostenloses Exemplar zukommen zu lassen“, sagt Koch, die früher selbst Lehrerin war. Am 24. Januar 1942 wurde Abrahamsohn zusammen mit anderen jüdischen Menschen aus Recklinghausen nach Gelsenkirchen verschleppt und anschließend von dort mit dem Zug ins Ghetto nach Riga deportiert.

Am 27. Januar ist der Internationale Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. „Wir haben anfangs nicht damit gerechnet, dass es so schnell klappt. Aber alle Beteiligten haben sich große Mühe gegeben, damit das Heft noch vor diesen Terminen fertig wird und eingesetzt werden kann“, sagt Roswitha Killinger von „Kinderlehrhaus e.V.“

Themenheft macht Geschichte greifbar

Auch Mark Pietrek, Dezernent der Bezirksregierung Münster, zeigt sich beeindruckt von der Geschwindigkeit, in welcher der Band zusammengestellt wurde. Gleichzeitig sei die Qualität des Heftes enorm. „Natürlich kann eine solche Sammlung die Erzählungen eines Zeitzeugen nicht ersetzen. Aber angesichts der Tatsache, dass es immer weniger Menschen gibt, die den Holocaust erlebt haben, bietet das Themenheft eine hervorragende Möglichkeit, die Erinnerung an sie wachzuhalten“, so Pietrek. Das Heft sei für viele verschiedene Anlässe geeignet und im Unterricht sehr vielfältig einsetzbar, sagt er.

Rolf Abrahamsohn, wie ihn auch viele Bochumer Schülerinnen und Schüler kennen gelernt haben. Das Foto entstand 2010 bei einem Besuch Abrahahmsohns im Bochumer Stadtarchiv.
Rolf Abrahamsohn, wie ihn auch viele Bochumer Schülerinnen und Schüler kennen gelernt haben. Das Foto entstand 2010 bei einem Besuch Abrahahmsohns im Bochumer Stadtarchiv. © WAZ FotoPool | GATZMANGA, Karl

Jörg Schürmann, Direktor des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Recklinghausen, sieht die Schulen ohnehin in der Pflicht, sich des Themas anzunehmen. Hinzu komme, dass auch die meisten Schüler ein großes Bedürfnis hätten, sich mit diesem Kapitel der Geschichte auseinanderzusetzen, solange sie nicht überfrachtet würden. „Das Besondere an dem Heft ist, dass es die Chance bietet, Geschichte anhand des Schicksals einer Person aus der Region greifbar zu machen“, sagt Schürmann. Dadurch sei das Geschehen für die Schüler viel näher.

Auftakt einer Reihe

Rolf Abrahamsohn starb am 23. Dezember 2021 im Alter von 96 Jahren in seiner Heimatstadt Marl. Er war der letzte Holocaust-Überlebende im Kreis Recklinghausen. Im Jahr 2010 erschien seine Lebensgeschichte „Was machen wir, wenn der Krieg zu Ende ist? – Lebensstationen 1925-2010“. Das Buch basiert auf einer Reihe von Interviews mit der ehemaligen Leiterin des Bochumer Stadtarchivs Ingrid Wölk. Das jetzt erschienene Themenheft mit dem Titel „Rolf Abrahamsohn – Holocaust-Überlebender und Zeitzeuge“ soll den Auftakt zu einer Reihe weiterer Hefte über verschiedene Personen, Orte und Ereignisse mit regionalem Bezug darstellen.