Bochum. Trauer um „Elli“: Bochums älteste Fiege-Wirtin Elfriede Fey ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Auch manche Prominente gehörten zu ihren Fans.

Aufhören? Ging nicht. „Ich kann die ganze Bagasche doch nich’ alleine lassen!“, sagte Elfriede Fey, wenn an der Theke das Thema Ruhestand aufploppte. Jetzt muss „die ganze Bagasche“ ohne Elli, wie sie von allen genannt wurde, auskommen. Im Alter von 81 Jahren ist die dienstälteste Fiege-Wirtin in dieser Woche gestorben. Bochum trauert um eines seiner letzten Urgesteine.

Elfriede Fey hat ein Stück Ruhrgebietsgeschichte geschrieben. 52 Jahre stand die gelernte Lebensmittelverkäuferin hinterm Tresen. Anfangs im Haus Beucker an der Herner Straße, das sie 1969 mit ihrem Mann Gerd übernommen hatte. Ab 1974 im Haus Fey an der Hofsteder Straße.

In der Kult-Kneipe ist in den 70er Jahren die Zeit stehengeblieben

Hier hat sich seither kaum etwas verändert. Die Zeit ist irgendwann zwischen dem WM-Sieg in München und der Kanzlerschaft Helmut Schmidts stehengeblieben. Zwischen Riesenpuzzles, Würfelbechern, Flipper, Pin-, Wimpel- und Flaschenöffnersammlung wurde ein gastronomisches Kleinod bewahrt, wie es in Zeiten uniformer Bar- und Club-Konzepte vielerorts zur Rarität geschrumpft ist.

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Die Kneipe anne Ecke, dank Elli hat sie überlebt, mit einer Wirtin mit einem so großen Herz, dass ganz Hamme und Hofstede hineinpasste. „Willze noch einen?“ „Ja sicha!“ „Is klar.“

Im Kinofilm „Sommerfest“ spielte Elli die Kioskbesitzerin Änne

Dabei ging’s durchaus rustikal zu. „Hasse eigentlich kein Zuhause?“, begrüßte Elfriede Fey ihre Stammgäste, „diese Mischpoke“, meist Rentner, für die die Wirtschaft genau dieses Zuhause ist. Die Abgänge waren zahlreich. Zum Wirtschafts-Wunder trugen in den vergangenen Jahren immer mehr Studenten bei, die das Haus Fey, im Sommer auch den kultigen Biergarten, für sich entdeckten. Filmstudenten nutzten den Retro-Charme für Kurzfilme. Regelmäßig schaute der WDR mit einem Kamerateam vorbei.

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2017 war Elli sogar auf der Kino-Leinwand zu sehen. In Sönke Wortmanns „Sommerfest“ spielte sie die Kioskbesitzerin Änne Starek. Wobei: Spielen musste sie kaum. Sie war Änne. „Ich war heute beim Dreh!“, strahlte sie abends am Zapfhahn. Stolz wie Oscar, den sie für ihre Rolle allemal verdient gehabt hätte.

Bei der Uraufführung des Sönke-Wortmann-Films „Sommerfest“ zählte Elfriede Fey 2017 zu den Stargästen im Bochumer Union-Kino. Autor Frank Goosen (li.) war ein langjähriger Freund und Wegbegleiter der Wirtin.
Bei der Uraufführung des Sönke-Wortmann-Films „Sommerfest“ zählte Elfriede Fey 2017 zu den Stargästen im Bochumer Union-Kino. Autor Frank Goosen (li.) war ein langjähriger Freund und Wegbegleiter der Wirtin. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Frank Goosen schwärmt bis heute von Ellis Hängebauchschweinen

Fans – genauer: Bewunderer – hatte Elli reichlich in der Welt der Prominenz. Sönke Wortmann und Moderatorin Bettina Böttinger gehörten dazu, der Schauspieler Lucas Gregorowicz, vor allem Bochums bekanntester Autor Frank Goosen, der bei seinen Live-Auftritten stets von den Hängebauchschweinen Moritz und Martina schwärmt, die Elfriede einst großgezogen und mit Duplo und Frankfurter Kranz gefüttert hat. „Hinterm Tresen, wo gibbet sowat denn noch?“

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WAZ-Kulturredakteur Lars von der Gönne reihte sich gerne ein. Im 2018 erschienenen Büchlein „Irgendwas is immer“ mit Ellis schönsten Thekengeschichten schreibt er: „Menschen wie die legendäre Elfriede Fey stehen für eine bedrohte Art. Ihre Feinde sind kalte Trend-Schuppen mit noch kälterem Licht und bedienenden Models, die sich selten mehr als ein Getränk merken können.“ Und: „Dass diese wundervollen Typen, die unsere Kneipenkultur hervorgebracht hat, das Stadtbild vielleicht eines Tages verlassen wie Nonnen und Telefonzellen vor ihnen, ist ein Jammer.“

Tochter will „wie eine Löwin kämpfen“, um die Tradition fortzuführen

Das soll, das muss verhindert werden. Sagt Elfriede Feys Tochter Melanie, die die Kneipe mit viel Liebe und Engagement schmeißt, seitdem ihre Mutter vor knapp einem Jahr so krank wurde, dass sie ihren Platz hinter der Theke schweren Herzens räumen musste. Der Corona-Lockdown hat die wirtschaftliche Situation nicht eben einfacher gemacht. „Aber ich werde wie eine Löwin kämpfen, um die Tradition in meinem Elternhaus fortzuführen“, sagt die Tochter.

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Einen Trost haben sie und alle Elfriede-Fans: Im Himmel werden sich viele verstorbene Stammgäste auf Eli freuen. „Die ganze Bagasche.“