Bochum-Werne. Die Verkehrssituation an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Bochum-Werne ist oft brenzlig. Jetzt messen die Schüler selber die Geschwindigkeit.
Zu schnell! Daumen runter! Mit selbstgemalten Protestschildern sind die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8e vor die Willy-Brandt-Gesamtschule in Bochum-Werne gezogen – und ihre Botschaft ist eindeutig. Denn nach Meinung vieler wird auf der Von-Waldthausen-Straße direkt vor der Schule regelmäßig zu schnell gefahren. Offiziell gilt hier zwar Tempo 30, „aber da hält sich kaum einer dran“, erzählt der Schüler Hasar (13). Insbesondere in den Morgenstunden haben alle von ihnen hier schon brenzlige Situationen erlebt.
Und so entschließen sich die Schüler gemeinsam mit ihrem Physiklehrer Björn Wemhöner zu einem ungewöhnlichen Experiment: Mit Handy, Stoppuhr und Maßband postieren sie sich auf dem Bürgersteig vor ihrer Schule und messen die Geschwindigkeit aller, die während ihrer Physikstunde hier vorbeigerauscht kommen.
Willy-Brandt-Schüler messen in Bochum-Werne die Geschwindigkeit
Auch die Polizei hilft mit und begleitet die Aktion mit einer Laserpistole. Das Ergebnis: Längst nicht jeder Pkw ist zu schnell, doch einige „schwarze Schafe“ werden von den Polizeibeamten direkt zu einem freundlichen Gespräch gebeten.
Kontrollen sollen fortgeführt werden
Während ihrer Kontrolle zur Mittagszeit fallen den Polizisten an der Von-Waldthausen-Straße relativ wenige Verkehrssünder auf. „Das kann aber auch an der Uhrzeit liegen. Morgens ist hier mehr los“, sagt Oberkommissar Jörn Hilker.Die Polizei verspricht, die Straße vor den beiden Schulen in Werne weiter im Blick zu halten.
Die Verkehrssituation vor der Willy-Brandt-Schule und der benachbarten Grundschule ist seit Jahren angespannt. Denn die recht schmale Von-Waldthausen-Straße führt hier in einem geschwungenen Bogen bergab, was geradezu dazu einlädt, mal ordentlich aufs Gas zu drücken. „Das wirkt wie eine Beschleunigungsspur“, sagt Wemhöner. „Gerade morgens ist hier die Hölle los.“
Leuchtende Geschwindigkeitstafel ist außer Betrieb
Hinzu kommt: Auf der Straße gilt ein einseitiges Halteverbot. „Als noch auf beiden Seiten geparkt werden durfte, war es hier viel enger. Da konnte man gar nicht so schnell fahren. Dafür ist die Straße jetzt übersichtlicher. Beides hat Vor- und Nachteile.“ Die Politik hat bereits vor einem Jahr eine Untersuchung der Verkehrssituation durchgeführt. Seitdem steht hier eine leuchtende Geschwindigkeitstafel mit „Smiley-Display“: „Aber die ist schon seit Wochen außer Betrieb“, merkt Wemhöner an.
Bezirksvertreter Dirk Meyer (SPD), als Vater zweier Willy-Brandt-Schüler selbst betroffen, kennt die Probleme aus eigener Erfahrung. „Gerade morgens ist es schwierig, wenn die Eltern ihre Kinder zur Schule bringen“, erzählt er. „Da wird wie wild gewendet.“ Solche „Elterntaxis“ sind an vielen Schulen immer wieder ein Ärgernis: „Es wurde schon überlegt, hier eigene Bring- und Abholzonen einzurichten, damit die Eltern nicht mehr unbedingt bis direkt vor den Schulhof fahren können. Das Problem ist nur: Wer soll das kontrollieren?“
Wie im Physikunterricht gelernt
Rasende Autos und gefährliche Elterntaxis kennen auch die Schüler der 8e. „Ein Mädchen wurde hier schon angefahren“, erzählt Schülerin Leen (13). Gemeinsam mit ihrer Mitschülerin Angelina (14), die für jeden langsamen Autofahrer ein „Super! Danke!“-Schild gemalt hat, steht sie jetzt auf dem Bürgersteig und misst die Geschwindigkeit.
Wie im Physikunterricht gelernt, nutzen sie dafür das Funkstoppmessverfahren: In 100 Metern Entfernung stehen ihre Mitschüler und drücken auf die Stoppuhr. So kann das Tempo der Autos mittels eines Taschenrechners im Handy halbwegs verlässlich umgerechnet werden. „Der hat 36 km/h drauf“, hat Sultan (13) herausgefunden.
Polizisten finden mahnende Worte
Für die Beamten der Unfallprävention, die die Schüleraktion begleiten, sind 36 km/h noch im Rahmen. Mit einer Laserpistole haben sie die Geschwindigkeiten genau im Blick. Ein weißer BMW ist deutlich schneller – und erhält daraufhin einige mahnende Worte von Oberkommissar Jörn Hilker. Auch ein Kollege der Müllabfuhr hat es enorm eilig. „Die Herren waren einsichtig“, sagt Hilker. „Oft erreicht man mit einem Gespräch mehr, als den Leuten direkt ein Knöllchen zu drücken. Da ist der Frust dann größer als die Einsicht.“