Bochum. 38 Jahre Jugendamt Bochum, drei davon als Amtsleiter: Jörg Klingenberg blickt im Gespräch auf bewegende Jahre und Herausforderungen der Zukunft.
Jörg Klingenberg hat 38 Jahre im Jugendamt der Stadt Bochum gearbeitet – 17 Jahre davon als Abteilungsleiter für die Kitas, die letzten drei als Leitung. Im Interview mit Redakteurin Carolin Rau blickt er zurück – und macht deutlich, vor welchen Herausforderungen das Jugendamt in den kommenden Jahren stehen wird.
Sie haben sich kurz vor dem Ruhestand entschieden, eine Position mit viel Verantwortung zu übernehmen. Was waren Ihre Beweggründe?
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Der Amtsleiter und mehrere Abteilungsleiter gingen in den Ruhestand, ich war auch schon ein bisschen älter und deswegen hatten wir schon im Vorfeld mit der Dezernentin abgestimmt, dass wir den Nachwuchs an höhere Führungsaufgaben heranführen müssen. Für diesen Übergang war es wichtig, eine Amtsleitung zu haben, die Kontinuität mitbringt.
Was haben Sie sich vor drei Jahren für Ihre Zeit als Amtsleitung vorgenommen?
In Zusammenhang mit der Führungsposition, die Kontinuität fortzuführen. Das Jugendamt ist gut aufgestellt. Der Kinderschutz ist für einen Jugendamtsleiter immer das oberste Ziel. Wir wollten das ganze Kinderschutzkonzept, das elf Jahre alt war, noch einmal überarbeiten und konkreter fassen: Wer macht wann was? Was passiert in welchen Situationen? Was muss man machen? Welche neuen Schnittstellen gibt es?
Mit Erfolg?
Ja das war sehr erfolgreich. Wir hatten 2020 eine Auftaktveranstaltung und es gab ein riesiges Interesse der Mitarbeiter, daran zu arbeiten, weil sie ihre eigenen Erfahrungen einbringen wollten. Man muss leider dazu sagen, dass Corona dazwischenkam und das hat es den Arbeitsgruppen schwer gemacht. Insofern ist der Prozess noch nicht ganz abgeschlossen. Ich denke, dass das Mitte des nächsten Jahres der Fall ist.
Was hat Corona für Ihre Arbeit im Jugendamt bedeutet?
Corona hat einiges durcheinandergebracht oder vielleicht auch aufgehalten, weil man sich plötzlich anderen Dingen widmen musste. Zum Beispiel: Was passiert in den Kitas? Am Anfang standen wir vor einer komplett neuen Situation und der Frage, wie wir den Kontakt zu den Familien und den Kinderschutz aufrechthalten konnten. Das hat gut geklappt. Wir haben in Bochum schnell entschieden, dass wir Kinder aus Familien, in denen das besonders wichtig ist, in den Kitas halten – in Abstimmung mit allen Trägern.
Sind Sie insgesamt zufrieden mit Ihrer Amtszeit?
Bochum- Mehr als 1000 Kita-Plätze fehlen derzeit und künftigIch bin sehr damit zufrieden. Es ist schon erstaunlich, wir haben trotz Corona einige Dinge auf den Weg bringen können. Zum Beispiel den Kinder- und Jugendförderplan, der ja alle fünf Jahre neu geschrieben werden muss. Da geht es um die Offene Kinder- und Jugendarbeit, wie die Jugendsozialarbeit mit Streetwork. Wir haben den Ferienpass, das hat sich durch Corona ergeben, vollständig digitalisiert. Außerdem haben wir zusammen mit dem Grünflächenamt die neue Spielleitplanung verabschiedet. Da fließt in den nächsten sieben Jahren richtig viel Geld in die Spielplätze, fast 14 Millionen Euro. Dass eine Stadt so viel Geld zur Verfügung stellt, finde ich schön und das macht mich auch stolz.
Was war Ihre größte Herausforderung in den vielen Jahren im Jugendamt?
Der Rechtsanspruch auf U3-Kita-Plätze im Jahr 2013, das war wirklich eine Herausforderung. Wir waren gut aufgestellt und haben unglaublich viele Plätze geschaffen. Dieser Erfolg ist durch die Einwanderung 2015, als es wieder deutlich mehr Kinder gab, so ein bisschen verloren gegangen. Ich finde es schade und es ärgert mich auch ein bisschen, weil man nicht mehr hinterhergekommen ist.
Welchen Herausforderungen steht ihr Nachfolger nun gegenüber?
Dem Personalmangel – gerade im Kita-Bereich wird das schwierig. Da müssen alle an einem Strang ziehen, auch das Land. Eine Frage ist, wie man die Ausbildung zentraler steuert. Es gibt gute Beispiele aus anderen Städten und es gilt, kreative Lösungen zu finden. Nicht nur für den Kita-Bereich, sondern für das ganze Jugendamt und den Verwaltungsbereich.
An was erinnern Sie sich, wenn Sie an fast 40 Jahre im Jugendamt zurückdenken?
Christian Papies folgt auf Jörg Klingenberg
Jörg Klingenberg hatte seinen letzten Arbeitstag als Jugendamtsleiter der Stadt Bochum am Mittwoch, 17. November.
Sein Amtsnachfolger ist bereits seit Anfang November Christian Papies, der bereit zuvor im Jugendamt gearbeitet hat.
Er war zuvor Leiter der Abteilung Sozialer Dienst und hat sich u. a. um ambulante Hilfen für Familien, Inobhutnahmen und den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen gekümmert.
An viele Sachen. Da sind die 17 Jahre im Kita-Bereich. Als Amtsleitung erinnere ich mich auch an Fälle, die wirklich schwierig sind. Es gibt viele Familien, in denen es nicht gut läuft. Das ist etwas, das mich sehr bewegt hat. Und wenn ich länger zurückdenke, ich habe ja vor 38 Jahren im Jugendfreizeithaus angefangen. Die Zeit damals war sehr intensiv. Wenn ich Jugendliche auf der Straße treffe, die mittlerweile ja auch über 40 sind, begrüßen die mich noch immer freudig. Und natürlich erinnere ich mich auch an die Kollegen selbst zurück, mit denen ich zusammengearbeitet und Freundschaften geschlossen habe.
Was haben Sie nun – im Ruhestand – vor?
Das werde ich oft gefragt. Erst einmal möchte ich nichts machen. Als Amtsleiter ist man getrieben durch Termine und oft wenig selbstbestimmt. Ich muss jetzt erst mal Abstand schaffen. Mein sportliches Hobby ist der Marathon. Das war immer meine zweite Welt, in der ich abschalten konnte und viele Freunde gefunden habe.