Bochum/Köln. 2012 starb die dreijährige Greta trotz einer großen Hilfsaktion in Bochum an Blutkrebs. Nun meldet sich die Mutter zurück. Ihre Worte berühren.
Gehofft, gekämpft, verloren: Die Nachricht vom Tod der kleinen Greta erschütterte im Frühjahr 2012 die ganze Stadt. Trotz einer Knochenmark-Transplantation starb die Dreijährige an Leukämie. Unvergessen bleiben nicht nur das tapfere Mädchen und dessen mutige Eltern, sondern auch die Hilfsaktion „Gemeinsam für Greta“, die Tausende Bochumer mobilisierte. Nun meldet sich Gretas Mutter zurück: mit einem bewegenden Dank an alle Menschen, die zwar nicht ihrer Tochter, aber vielen anderen Erkrankten das Leben retten konnten.
Im September 2011 wird bei Greta Blutkrebs diagnostiziert. Schnell ist klar: Ohne eine Stammzellen-Übertragung muss Greta sterben. Dringend gesucht: ein genetischer Zwilling. Was folgt, ist in Bochum bis dahin beispiellos. Mehr als 4000 Bochumerinnen und Bochumer beteiligen sich an einer Typisierungsaktion, zu der Gretas Eltern mit Hilfe der Deutschen Knochenmark-Spenderdatei (DKMS) im Advent 2011 in der Schule am Haus Langendreer aufrufen. Mit dabei: die Sängerin Sarah Connor, die als Schirmherrin Unterstützung leistet.
Greta starb vier Wochen nach der Operation
Im März 2012 die vermeintliche Erlösung: Die DKMS hat in ihrer weltweiten Datei einen passenden Spender gefunden. Ganz Bochum bangt und betet. Doch die Hoffnungen, die sich mit der Operation in der Universitätsklinik Essen verbinden, werden enttäuscht. Greta stirbt vier Wochen später. Zu schwach war der Körper nach der Chemotherapie, der sie sich zuvor unterziehen musste.
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In einem Interview mit der DKMS und im Gespräch mit der WAZ blickt Gretas Mutter Nadine (der Nachname soll nicht veröffentlicht werden) jetzt auf Gretas Leben und Leiden zurück. Als die Schock-Diagnose die Familie erreichte, habe sie gewusst: Den Tod ihres geliebten Kindes werde sie nur dann aushalten können, wenn sie selbst folgende Frage mit Ja beantworten kann: „Habe ich alles getan, um meine Tochter zu retten?“
Mutter zeigt sich bis heute zutiefst dankbar
Bis heute sei sie „zutiefst dankbar und überwältigt von dem Mitgefühl“, das die Registrierungsaktion ausgelöst habe, sagt die 46-Jährige. „Ich war überzeugt, dass wir etwas Großes auf die Beine stellen würden.“ Greta habe von dem Trubel um sie herum wenig mitbekommen. „Sie erfreute sich schlicht daran, dass ihr Konterfei stadtweit plakatiert war. Die Ernsthaftigkeit der Situation hat sie nicht begriffen.“
Berührend erzählt Nadine von den Tagen und Wochen der Zuversicht, Verzweiflung und Trauer in der Uni-Klinik Essen. Am dritten Tag nach dem Eingriff habe es bei Greta Komplikationen gegeben. „Das größte Problem stellte ihre Lungenfunktion dar. Nach kurzer Zeit wurde sie intubiert und auf die Intensivstation verlegt. Nach und nach versagten mehrere Organe, sodass wir nach knapp vier Wochen entschieden, die lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen.“
Das Mädchen starb in Mamas Armen
Ehrlicherweise habe sie bereits Abschied genommen, als Greta noch lebte, schildert Nadine. „Es mag sich seltsam anhören, aber ich bin dankbar dafür, dass ich sie in den Tod begleiten konnte und bei jedem Schritt dorthin dabei war. Sie ist in meinen Armen gestorben. Nur so kann ich ihren Tod akzeptieren.“
Bald habe sie versucht, einen neuen Alltag aufzubauen. Die Beziehung zu Gretas Vater endete: „Wir haben aber bis heute ein gutes Verhältnis.“ Ein Umzug stand an: „Um den Neuanfang zu schaffen, konnte ich nicht in meinem alten Umfeld bleiben.“ Das Leben ohne Greta sei furchtbar schwer gewesen: „Der einzige Ort, an dem ich mich wohlfühlte, war die Klinik, in der Greta verstorben war. Regelmäßig fuhr ich dorthin, um durchzuatmen. Ich setze mich auf eine Besucherbank und war froh, dass ich dort niemandem erklären musste, wie es mir ging.“ Doch Kapitulation sei nie in Frage gekommen: „Im gleichen Maße, wie das Grausame schrecklich war, erlebte ich das Schöne atemberaubend.“
48 Greta-Spender konnten anderen Patienten helfen
Nadine ist wieder Mutter geworden. Mit ihren beiden Söhnen im Alter von vier und sieben Jahren lebt sie in Düsseldorf – mit einem großen Bild von Greta im Wohnzimmer. „Natürlich hinterlässt Greta diese riesige Lücke, die niemals geschlossen werden kann“, sagt Nadine. „Dennoch war und ist mir immer bewusst, dass sie mein großes Glück gewesen ist, wenn unsere gemeinsame Zeit auch viel zu kurz war. Ich betrachte mich ein bisschen als ihre Stellvertreterin in dieser Welt und versuche, mich an ihrer Stelle an den schönen und lebenswerten Dingen zu erfreuen.“
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Stolz auf ihre Typisierungsaktion darf Gretas Mama zudem sein. Das damals bewusst gewählte Motto „Gemeinsam für Greta und andere“ wurde in herausragender Weise verwirklicht. Laut DKMS haben bisher 48 der mehr als 4000 Menschen, die sich 2011 in Langendreer als Knochenmarkspender registrieren ließen, Blutkrebs-Patienten weltweit eine Lebenschance geschenkt.
Auch das bleibt als Gretas Vermächtnis.