Bochum-Stiepel. Der Bochumer Wolfgang Böhrer war 20 Jahre Musiktherapeut, nun wagt etwas Neues: In einer Musikwerkstatt lädt er zum Erkunden von Klängen ein.

Es wird Musik gemacht, aber es handelt sich nicht um einen Chor, ein Orchester und auch nicht um eine Trommelgruppe. Das, wozu Wolfgang Böhrer einlädt, dürfte in Bochum bislang einzigartig sein. Das Projekt trägt den Namen "Ton und Tun" und erfordert keine musikalischen Fähigkeiten, wohl aber Neugier und etwas Mut.

"Wir bauen wie in einer Werkstatt die Musik selbst zusammen", sagt der 47-Jährige Böhrer. Er steht inmitten von Instrumenten im Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Stiepel. Die Instrumente - von Klavier, Regenrohr und Cello über Gitarre, Rassel und Akkordeon bis hin zu Gong, Cachon und Konga - hat er über die Jahre selbst angesammelt.

Bochumer ist ehemaliger Musiktherapeut

"Ich habe 20 Jahre lang als Musiktherapeut in verschiedenen Kliniken gearbeitet", sagt Böhrer. Die Idee aber, einmal eine Musikwerkstatt zu eröffnen, trieb ihn schon länger um. "Ich möchte Menschen zusammenbringen, damit sie Instrumente ausprobieren können und sich dabei selbst ausdrücken und begegnen können", sagt Böhrer.

Was es nicht geben wird, das ist schon einmal klar: Keine vorgefertigten Liedstücke, keine Proben, keine Aufführung. "Wer gewohnt ist, nur Vorgefertigtes zu üben, wird vielleicht fragen: Wo sind die Noten?", sagt Böhrer. Wenig Vorkenntnisse könnten deshalb sogar von Vorteil sein.

Klänge erkunden

In den wöchentlichen Treffen mit einer Gruppe aus sechs Personen können sich die Teilnehmer selbst ausdrücken, dabei mit Musik ein Gespür für sich selbst entwickeln, loslassen und sich mit Erwartungen und Leistungsdruck auseinandersetzen. "Jeder hat die Verantwortung für Klänge und kann sich fragen: Ist mir gerade nach vorsichtigen und leisten Tönen, habe ich beim Trommeln viel Bewegungsdrang?", erklärt Böhrer.

Wie man auf die Impulse der anderen Gruppenteilnehmer reagiert und was sich daraus entwickelt, das ist zu jeder Gruppenstunde offen. "Wir sind gewohnt, dass es gesetzte Anfänge gibt, aber bei uns wird die Frage: Wie geht es jetzt eigentlich los, wer macht den Anfang? jedes mal im Raum stehen", sagt der Musiker. Das Zusammenwirken der Gruppe, die gemeinsam Klänge im Spiel erkundet, könne dann ganz unterschiedliche Prozesse anstoßen.

Kommunikation mit Klängen

"Wie viel Eigenheiten kann ich einbringen, wie viel Kontrast ist möglich? Muss ich mich an den Rhythmus der anderen anpassen? Um all solche Fragen geht es", sagt Böhrer. Als Gruppenleiter wie bei einer Wandergruppe will er sich dabei allerdings nicht verstehen. "Ich stelle vor, welche musikalischen Bausteine und Prinzipien im Zusammenspielen vorkommen", erklärt er.

Er leite musikalische Begegnungen und Spielformen so an, dass man seine eigenen Klänge zu seinen Gunsten einsetzen könne. "In einem offenen Spielprozess sind Klänge auch für andere hörbar. Das erlaubt es, sich innerhalb der Gruppe mit eigenen Klängen direkt auf andere zu beziehen", sagt Böhrer. Jeder Spielende sei aber auch im "Gespräch mit sich selbst" und werde sich seiner eigenen Bedürfnisse bewusst.

Experiment ohne Druck

"Es ist ein Experiment und man muss die Flexibilität mitbringen, auf andere zu reagieren. Das ist aber eine wertvolle Erfahrung", so Böhrer. Es gehe nicht darum, etwas Perfektes zu kreieren, auch schiefe Töne seien erlaubt. Der Satz: "Ich mache Musik, aber wer ich bin, ist egal", gelte in der Musikwerkstatt nicht.

Böhrer erklärt sein Vorhaben im Bild der Wandergruppe: "Wir sind wie eine Wandergruppe, die jedes Mal neu und gemeinsam entscheidet: Machen wir eine Ochsentour oder einen Spaziergang, gehen wir bei Sonne oder Regen, welche neuen Wege erkunden wir?"

Zwei Pilotgruppen

Sein therapeutisches Hintergrundwissen will Böhrer gewinnbringend einbringen, sagt aber: "Eine psychische Diagnose ist bei weitem keine Voraussetzung an unserer Gruppe teilzunehmen, aber es ist natürlich auch kein Hindernis."

Am 22. Juni sind zwei Gruppen im Pilotprojekt gestartet, weitere Gruppen sind in Planung. "Ich freue mich auf die kommenden Klänge", so Böhrer.

Kurse mit fünf Terminen

Ein Kurs in der Musikwerkstatt umfasst fünf Termine, die jeweils 90 Minuten dauern. Die Werkstatt findet im Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Stiepel an der Brockhauserstraße 74 A statt.

Im Pilotprojekt ist die Teilnahme kostenlos, anschließend kostet ein Kurs 125 Euro. Teilnehmen kann man ab 18 Jahren. Weitere Infos gibt es unter: www.tonundtun.de oder bei Wolfgang Böhrer: 0160 / 270 32 42.