Bochum. Das Millionenprojekt in der Bochumer Innenstadt steht vor einem Etappenziel. Der Rohbau des Viktoria-Karrees ist fast fertig. Eine Punktlandung.

Die Betonpumpen laufen noch – trotz des prasselnden Regens, der sich tagelang über Bochum ergießt und der den Bauarbeitern unentwegt auf die Helme prasselt. Endspurt am Viktoria-Karree. Gut ein Jahr nach der symbolischen Grundsteinlegung steht das 160 Millionen Euro teure Prestigeprojekt im Westen der Innenstadt vor einem wichtigen Zwischenziel: Der Rohbau ist nahezu fertig.

Sechs Baustellenkräne werden demnächst abgebaut

Ihre Höhe haben alle drei Teile des Gebäudeensembles mit seiner Nutzfläche von insgesamt 68.000 Quadratmetern schon erreicht. Auch die Decken sind fast fertiggegossen. Das Haus C, mit sieben Etagen und einer Höhe von gut 25 Metern gegenüber dem Deutsche-Bank-Turm das höchste Bauwerks des Trios, bekommt gerade seinen Betondeckel verpasst. „In den nächsten Tagen fangen wir damit an, die Kräne abzubauen“, sagt Kai Steindl, Projektleiter in Bochum und Technischer Geschäftsführer des Investors HBB aus Hamburg. Mitte August sollen die Türme verschwunden sein.

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Der Übergang zur bereits bestehenden Tiefgarage unter dem Husemannplatz. Über das Parkhaus P1 werden auch die Parkplätze unter dem Viktoria-Karree erschlossen. Fast 500 Tiefgaragenplätze gibt es auf zwei Etagen.
Der Übergang zur bereits bestehenden Tiefgarage unter dem Husemannplatz. Über das Parkhaus P1 werden auch die Parkplätze unter dem Viktoria-Karree erschlossen. Fast 500 Tiefgaragenplätze gibt es auf zwei Etagen. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Vier der sechs stählernen Giganten müssen dabei buchstäblich aus den Gebäuden herausgezogen werden. Sie stehen mittendrin auf der Bodenplatte, Etage um Etage wurde um sie herumgebaut. Nur so war auf der vorhandenen Baufläche die gesamte Baulogistik überhaupt abzuwickeln. Der Nachteil dabei: Durch den heftigen Regen der vergangenen Tage läuft Wasser in die Rohbauten und sammelt sich zentimeterhoch auf den unteren Etagen. So schnell wie möglich sollen nun die Decken geschlossen werden. Die jeweils mehrere Quadratmeter großen Löcher werden nachträglich zubetoniert.

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50.000 Kubikmeter Beton verbaut

Beton ist reichlich geflossen in den vergangenen 15 Monaten. 50.000 Kubikmeter werden es etwa gewesen sein, wenn in wenigen Wochen die Arbeitsgemeinschaft Lamers/Prien, zwei große Bauunternehmen aus Jülich und Hamburg, ihre Arbeit beenden. Wie viel macht das in Betonmischern? Bei einer Ladekapazität von zehn bis zwölf Kubikmeter Beton je Mischer sind das zwischen 4200 bis 5000 Fahrzeuge. Dazu kommen etwa 9000 Tonnen Stahl und buchstäblich jede Menge andere Baumaterialien.

Auf dem Dach des künftigen Hotels. HBB-Projektleiter Kai Steindl zeigt in Richtung Gebäudeteil A. Dort wird gerade das Dach fertiggestellt. Dahinter türmen sich Kabel. Im Hintergrund zu sehen ist der siebengeschossige Bau, der gegenüber dem Deutsche-Bank-Turm steht.
Auf dem Dach des künftigen Hotels. HBB-Projektleiter Kai Steindl zeigt in Richtung Gebäudeteil A. Dort wird gerade das Dach fertiggestellt. Dahinter türmen sich Kabel. Im Hintergrund zu sehen ist der siebengeschossige Bau, der gegenüber dem Deutsche-Bank-Turm steht. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

All das musste herangeschafft werden und hat Kai Steindl im Vorfeld schon einige Sorgenfalten ins Gesicht getrieben. Schließlich sollte nach dem Ende des Abrisses des Justizzentrums an gleicher Stelle, als für einige Monate der Westring auf der Innenseite nur einspurig befahrbar war, der Verkehr reibungslos fließen. „Alle Lieferanten bekommen Zeitfenster, in denen sie liefern müssen, damit keine Staus entstehen“, so der 53-Jährige. Das habe weitgehend geklappt. Und: Ein wenig habe auch die Corona-Pandemie geholfen. Weil in den vergangenen Monaten deutlich weniger Verkehr auf dem Ring war, kam es zu keinen größeren logistischen Problemen.

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Übergang zum Parkhaus P1 wird gerade fertiggestellt

Bis auf einmal: „Als an der Neustraße eine Bombe gefunden wurde“, erinnert sich Kai Steindl. An diesem Tag sollten 50 Lkw mit Beton kommen. „Als wir erfahren haben, dass wir die Baustelle räumen müssen, waren zwölf schon auf dem Weg.“ Der Beton musste entsorgt werden. Ein Ärgernis eines sonst über weite Strecken reibungslos verlaufenen Gewerks. „Wir liegen genau in der Zeit. Und das ist bei einer Projektgröße wie dieser nicht selbstverständlich“, so Steindl. Die Rohbauer haben ganze Arbeit geleistet.

Ein Projekt, drei Gebäude

Aus drei Gebäudeteilen besteht der Einzelhandels-, Verwaltungs- und Hotelkomplex „Viktoriakarree“. Im Haus A entstehen fast 15.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche. Vermietet hat Bauherr HBB sie bereits u.a. an die Sportartikelkette Decathlon und an den Lebensmittelriesen Rewe. In den oberen Stockwerken entstehen 15.000 Quadratmeter Bürofläche, die die Stadt Bochum für 20 Jahre gemietet hat.

Im Bauteil B an der Ecke Westring/Junggesellenstraße eröffnet ein Hotel der Kette „Holiday Inn Expresss“ mit etwa 170 Zimmern. Dazu kommen Gastronomie- und Einzelhandelsflächen.

Im Bauteil C werden im Erdgeschoss Gastronomiebetriebe einziehen. Darüber liegen Büroflächen. Auch sie sind, so Kai Steindl von der HBB, zu einem großen Teil bereits vermietet. „Etwa eineinhalb Etagen sind noch frei.“

Im Keller wird gerade der Übergang vom Parkhaus P1 unter dem Husemannplatz zum Viktoria-Karree fertiggestellt. Die Tiefgarage des Komplexes mit seinen knapp 500 Parkplätzen wird über die Einfahrt an der Viktoriastraße erschlossen. Die beiden großen Löcher in den Wänden der Gebäudeteile A und B am Westring sind keine Tiefgaragenzufahrten. Dort werden die Waren für die Einzelhandelsgeschäfte und für das Hotel an der Ecke Westring/Junggesellenstraße angeliefert. Mehr als fünf Meter hoch sind die Decken an dieser Stelle. Auf den beiden Grundflächen der Lieferzonen werden jeweils mehrere Lkw nebeneinander Platz haben.

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Hotelzimmer werden um Fertigbadzellen herumgebaut

Zwei Etagen höher fällt der Blick aus dem künftigen Hotelrestaurant zur einen Seite in den Innenhof des Bauteils C und zur anderen Seite zwischen Haus A und B hindurch Richtung Husemannplatz. Dort fehlt die markante Silhouette der vorübergehend höher gelegten Fernwärmeleitung. Sie liegt mittlerweile wieder unterirdisch.

In Reih und Glied stehen die in Folie verpackten Fertigbadzellen in jeder Etage des künftigen Hotels. Fast fünf Tonnen wiegt jedes Element.
In Reih und Glied stehen die in Folie verpackten Fertigbadzellen in jeder Etage des künftigen Hotels. Fast fünf Tonnen wiegt jedes Element. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Beim Blick den Hotelflur entlang fallen riesige, mit Folie verhüllte Quader auf, die in Reih und Glied nebeneinander postiert sind. Fast 150 sind es über mehrere Etagen. „Das sind Fertigbadzellen“, erklärt der Projektleiter. Vorgefertigte, komplette Badezimmer („da fehlen nur noch die Seife und das Toilettenpapier“), die vor dem Gießen der Decken mit dem Kran eingehoben wurden und die nur noch an die Versorgungsleitungen angeschlossen werden müssen. „Die kommen aus Tschechien, jedes Teil wiegt fast fünf Tonnen“, so Steindl. Die meisten Zimmer werden sozusagen um sie herum gebaut. Das spart Zeit. „Aber sie müssen höllisch aufpassen, dass alles passt.“

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22.000 Schritte an einem Tag

Nach oben geht es ein Stück durch das Treppenhaus und dann über die Leitern zwischen den Etagengerüsten ganz hinauf aufs Dach. Wer hier den Überblick behalten will, der muss gut zu Fuß sein. „Wenn ich in Bochum bin, zeigt mir mein Schrittzähler im Mobiltelefon am Abend, dass ich zwischen 20.000 und 22.000 Schritte gelaufen bin“, sagt Kai Steindl. Der Mann macht Meter auf einer Baustelle, in die sein Arbeitgeber HBB etwa 160 Millionen Euro investiert und die Ende 2022 fertig sein soll.

Und er plant natürlich im voraus. Demnächst beginnt die Montage der Fassaden. Seit Monaten werden die Außenelemente bereits vorproduziert: Vorhangfassaden, Aluminium-Glas-Elemente mit Sonnenschutz, Blechbekleidung. Sie kommen aus Sachsen. Und wenn der Rohbau endgültig beendet ist, werden die Fenster eingebaut. Derweil wachsen rund um die Baustelle die „Container-Dörfer“. „Es sind mehrere“, so Steindl, „damit die Arbeiter der unterschiedlichen Gewerke voneinander getrennt sind.“ Käme es zu einer Corona-Infektion („bislang hatten wir noch keinen Fall“), wäre dann nicht die gesamte Baustelle betroffen. Einen sechsstelliger Betrag habe allein diese zusätzliche Sicherheitsmaßnahme gekostet.