Bochum. Viele Firmen in Bochum wollen ihre Beschäftigten gegen Corona impfen. Aber: Impfdosen sind knapp. Mediziner wirft der Politik Populismus vor.
In vielen Unternehmen in Bochum beginnt in diesen Tagen die Impfkampagne gegen Corona. Das Interesse in den Belegschaften ist groß, wie eine Umfrage der Arbeitgeberverbände Ruhr mit Sitz in Bochum ergeben hat. Doch auch Firmen und Betriebsärzte müssen sich vorerst mit relativ überschaubaren Mengen von Impfstoff begnügen.
Maximal 102 Impfdosen diese Woche je Betriebsarzt
Maximal 102 Impfdosen erhält in dieser Woche jeder Betrieb, jeder Standort eines großen Unternehmens und jeder Betriebsarzt, der zuvor Impfstoff bestellt hat. Am Montagmittag sind die Biontech-Lieferungen bei den Apotheken in Bochum angekommen. Diese wiederum leiten sie an Firmen und Betriebsärzte weiter. „Viele werden womöglich erst einmal sammeln und dann mit dem Impfen beginnen“, vermutet Inka Krude, die Sprecherin der Apotheken in Bochum. Zumal die Zuteilung in der kommenden Woche noch einmal kleiner ausfällt. Nach Angaben der deutschen Wirtschaft erhält jede Stelle, d. h. Betrieb, Standort und Betriebsarzt, voraussichtlich dann 84 Dosen.
Auch interessant
Bundesweit 6159 Betriebsärzte haben Impfstoff bestellt
Nach Angaben der deutschen Wirtschaft, hat das Bundesministerium für Gesundheit in dieser Woche die Lieferung von 702.000 Dosen des Impfstoffs von Biontech an bundesweit 6159 bestellenden Betriebsärztinnen und Betriebsärzte zugesichert – 102 pro Arzt.
Weitere 73.782 Dosen „wird einigermaßen gleichmäßig auf die Betriebsärzte verteilt, die mehr als 102 Dosen bestellt haben, so die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Das liegt weit unter der Nachfrage. 70 Prozent der im Arbeitgeberverband (AGV) Ruhr organisierten Unternehmen wollen, so das Ergebnis einer Umfrage der AGV, ihre Beschäftigten impfen. „Der Wunsch nach Impfungen in den Betrieben ist hoch“, so AGV-Sprecher Alexander Füten. Thyssenkrupp in Bochum geht nach Auskunft von Unternehmenssprecherin Christine Launert davon aus, dass sich 70 Prozent der 2300 Beschäftigten der Standorte Essener Straße und Castroper Straße im Unternehmen impfen lassen wollen. Und: „Die Termine für die ersten 100 Impfungen in dieser Woche sind vergeben“, so Launert. Mehr Impfstoff ist noch nicht vorhanden.
Auch interessant
Vonovia beginnt Donnerstag mit dem Impfen
Bundesweit etwa 1000 Impfdosen hat das Wohnungsunternehmen Vonovia für diese Woche bekommen. In der Zentrale an der Universitätsstraße soll der Bochumer Anteil daran am Donnerstag verimpft werden. Wie viele Beschäftigte insgesamt an einer Impfung interessiert sind, stehe noch nicht fest, so Sprecher Tristan Hinseler.
Bei der Krankenkasse Viactiv, die ihren Sitz in Bochum hat, wird nach Auskunft von Sprecher Georg Stamelos nicht im Haus an der Universitätsstraße geimpft. „Es soll die Möglichkeit geben, unsere Mitarbeitenden in Trägerunternehmen impfen zu lassen.“ Termine und Umfänge hängen von der jeweils zur Verfügung stehenden Menge an Impfstoff ab. An der Ruhr-Universität beginnt in der nächsten Woche das Impfen, so Sprecher Arne Dessaul. Etwa 2500 von knapp 6000 wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten haben bis zur vergangenen Woche ihr grundsätzliches Interesse an einer Impfung beim Arbeitgeber bekundet.
Auch interessant
Betriebe beklagen hohen bürokratischen Aufwand
Beklagt wird von vielen Seiten der hohe bürokratische Aufwand für die Impfungen. Auch seien bis zur vergangenen Woche noch viele Fragen offen geblieben. Und: Nach Auskunft von Apothekerin Inka Krude falle es vor allem kleineren Unternehmen, die keinen eigenen Betriebsarzt haben, zunehmend schwer, überhaupt einen Betriebsarzt zu finden, der noch Impfungen übernehme.
Bei den Haus- und Fachärzten ist die Nachfrage nach Impfterminen derweil unvermittelt hoch. „Und mit der Aufhebung der Priorisierung ist sie noch einmal gewachsen“, sagt Dr. Eckhard Kampe, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Bochum. Offenkundig geht die Schere zwischen der Nachfrage nach Impfterminen und den zur Verfügung stehenden Impfmenge weit auseinander.
Auch interessant
Scharfe-Kritik von Mediziner an der Politik
Und das bringt in erster Linie die Ärzte unter Druck, so Dr. Michael Tenholt, Vorsitzender des Medizinischen Qualitätsnetzes Bochum. Er übt scharfe Kritik an der Politik, der er angesichts der bevorstehenden Wahlen Populismus vorwirft. „Ich halte es für komplett unseriös, jetzt alles gleichzeitig auf den Weg zu bringen: die Impfung für Zwölf- bis 15-Jährige, die Aufhebung der Priorisierung, die Impfungen in den Betrieben und bei Privatärzten.“ Die Ärzte seien angesichts der großen Erwartungshaltung der Menschen, angeblich schon bald geimpft werden zu können, in einer „extrem schwierigen Situation“. Zumal im Impfzentrum zur Zeit lediglich Zweitimpfungen vorgenommen werden.
Auch interessant
Immerhin eines hält KV-Sprecher Dr. Kampe unter diesen Umständen für positiv: „Die durch die Freigabe der Priorisierungsliste noch einmal gestiegene Nachfrage nach Impfterminen stimmt mich optimistisch, dass wir die Herdenimmunität erreichen.“ Knapp 50 Prozent der Bochumerinnen und Bochumer hätten bereits eine Erstimpfung erhalten. Die Fachleute gehen davon aus, dass zwischen 70 und 80 Prozent der Bevölkerung geimpft sein muss, um eine Herdenimmunität zu erreichen.