Düsseldorf. Mangel auf ganzer Linie: Impfzentren, Hausärzte und Betriebsmediziner warten womöglich noch wochenlang auf mehr Impfstoff.

Alle NRW-Bürger dürfen sich jetzt impfen lassen, aber nur wenige haben eine Chance auf einen Termin. Ein Überblick über die Lage.

Was sagen die Hausärzte?

Der große Ansturm auf die Hausarztpraxen ist laut Dr. Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein, nach dem Ende der Impfpriorisierung ausgeblieben: „Die Mitarbeiter berichten, dass sie ungefähr genauso viele Anrufe bekommen wie jeden Montag.“ Das bedeute zwar ein unverändert hohes Anrufaufkommen und immer wieder auch Patienten, die aggressiv würden. Aber: „Dass es nicht genügend Impfstoff gibt, scheint sich mittlerweile herumgesprochen zu haben“, sagte Funken.

Er rät: „Wer einen Termin vereinbaren will, sollte seinen Hausarzt kontaktieren.“ Gleichzeitig bat er um Geduld und Solidarität. „Der Arzt kann Ihnen jetzt noch keine Antwort darauf geben, wie viel Impfstoff er in der nächsten Woche bekommt“, betonte Funken. „Trotzdem sollte man sich nicht bei zig Ärzten auf die Liste setzen lassen. Das führt am Ende nur zu Frust bei allen.“

Auch Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, betonte: „Die Nachfrage nach Impfterminen in Hausarztpraxen ist seit Wochen immens.“ Wie sich die Situation nach der Aufhebung der Priorisierung entwickele, müsse sich erst zeigen. „Wir können nur um Geduld bitten. Die Praxisteams arbeiten alle an ihrer Kapazitätsgrenze“, so Richter-Scheer.

Patienten rät sie, sich online über das Impf-Prozedere der eigenen Hausarztpraxis zu informieren: „Viele Praxen bieten Möglichkeiten zur Online-Terminanfrage oder digitale Buchungssysteme an. So kann man sich registrieren lassen, ohne das Telefonaufkommen in den Praxen zusätzlich zu erhöhen.“

Manche Hausärzte bringt das Ende der Priorisierung regelrecht auf die Palme.

Wie ist die Lage in den Impfzentren?

Laut Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat es in den Hotlines für die Impfzentren am Montag keinen großen Andrang gegeben. „Ein paar Leute haben angerufen und mussten vertröstet werden. Es wurde aber niemand aggressiv. Die Kommunikation im Vorfeld hat geholfen“, so eine Sprecherin der KVWL.

Aufgrund des Impfstoffmangels gibt es in Impfzentren gerade keine freien Termine. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) rechnet deshalb auch in den nächsten Tagen nicht mit einem „Ansturm“ auf die Buchungssysteme. „Es ist schlichtweg nichts verfügbar“, so ein Sprecher. Die KVNO erwartet, dass sich die Nachfrage weiter auf die niedergelassenen Ärzte konzentriert.

Wann in den Impfzentren wieder Erstimpfungen stattfinden können, ist offen. Bis Mitte Juni könnten aber in keinem Fall Ersttermine gebucht werden, so die KVWL.

Weitere Tipps für Impftermine trotz des Impfstoffmangels lesen Sie hier.

Wie läuft der Start der Impfungen in Betrieben?

Schleppend. Nur etwa 100 Dosen kann ein Betriebsarzt zum Start verimpfen. In einem Konzern mit 10.000 Mitarbeitern und sechs Ärzten also zunächst nur rund 600, rechnet Dr. Wolfgang Panter, Präsident des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte vor. Laut Panter kommen die Betriebe nicht umhin, zunächst eine Priorisierung vorzunehmen, um Beschäftigten, die besonders gefährdet seien, früher schützen zu können.

„Diese Reihenfolge muss im Betrieb vernünftig kommuniziert werden“, sagte Panter dieser Redaktion. Die Impfbereitschaft unter den Beschäftigten sei mit rund 70 Prozent hoch. Aber ein Ende des Mangels sei leider nicht in Sicht, obwohl die Betriebsärzte gleich loslegen könnten. Neueste Informationen aus dem Bundesgesundheitsministerium deuteten darauf hin, dass „wohl bis Ende Juni noch keine Entspannung“ in Sicht sei, so Panter.

Werden Kinder- und Jugendliche schnell geimpft?

Ein Teil der Kinderärzte ist offen für die Immunisierung von allen impfwilligen Zwölf- bis 15-Jährigen, ein anderer Teil will sich streng an einer zu erwartenden Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) orientieren und denkt zunächst nur daran, Kinder mit schweren Erkrankungen zu impfen. Sie alle sind unzufrieden mit dem Impfstoffmangel.

Sowohl die Ärztekammer Westfalen-Lippe als auch Mediziner des Uniklinikums Münster begrüßen die Freigabe des Impfstoffes von Biontech/Pfizer für Zwölf- bis 15-Jährige. Ob mit oder ohne Impf-Empfehlung der Stiko: „Es ist für die Kinderärzte kein Problem, nach sorgfältiger Besprechung mit den Eltern und den Kindern zu impfen“, sagte Prof. Heymut Omran, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik, am Montag.

Es handele sich um eine zugelassene Impfung und werde nach sorgfältiger Abwägung nicht nur an schwer vorerkrankten, sondern auch an gesunden Kindern vorgenommen. Zwölf- bis 15-Jährige müssten der Impfung selbst zustimmen. Eine Immunisierung über ihren Willen hinweg sei nicht gestattet.