Bochum. Wegen einer Fliegerbombe wird die Bochumer City evakuiert. 5000 Anwohner und Tausende Besucher sind betroffen. Am Abend soll entschärft werden.

„Warum ist denn hier gesperrt?“, fragt ein junger Mann die Mitarbeiterin des Ordnungsamtes. Sie steht am Donnerstagmittag (29. April) gegen 13 Uhr vor einem rot-weißen Flatterband am Eingang der kleinen unscheinbaren Neustraße. Auf dieser rund 100 Meter langen Nebenstraße zwischen Bermuda-Dreieck und Hauptbahnhof wurde am Donnerstagvormittag bei Bauarbeiten in einer Häuserlücke eine britische Zehn-Zentner-Fliegerbombe entdeckt.

  • In der Bochumer Innenstadt wurde eine britische Zehn-Zentner-Bombe mit Aufschlagzünder gefunden. Am Donnerstagabend (29. April) beginnt die Entschärfung. Evakuierungsradius, wann es losgeht – alles, was Sie wissen müssen, lesen Sie hier.

„Bombe gefunden“, erläutert die Ordnungskraft. Am Mittag lässt sie einige überraschte Anwohner der Neustraße noch ganz kurz ihre wichtigsten Sachen aus der Wohnung holen, dann aber müssen sie wieder raus.

Durch die Innenstadt von Bochum laufen wegen Corona schon länger nur noch wenige Menschen, wegen der Bombe sinkt die Anzahl aber auf Null.

Innenstadt von Bochum wirkt noch leerer als ohnehin schon

Die Zufahrt zum Parkhaus an der Huestraße in Bochum wurde am Donnerstagmittag abgeriegelt.
Die Zufahrt zum Parkhaus an der Huestraße in Bochum wurde am Donnerstagmittag abgeriegelt. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Dabei weiß gegen 13 Uhr noch kaum einer in der Innenstadt, was passiert ist – und was in den nächsten Stunden kommen wird: die vollständige Evakuierung der Innenstadt im Umkreis von 500 Metern rund um die Bombe. 5000 in diesem Bereich gemeldete Anwohner sind betroffen, hinzu kommen viele weitere Tausend Menschen, die dort trotz Corona beruflich und privat unterwegs sein müssen.

Hauptbahnhof wird ab 14.30 Uhr komplett für Züge gesperrt

Auch der Student Marco Schneider muss seine Wohnung in der Bochumer Innenstadt verlassen, obwohl er dringend seine Masterarbeit fertigschreiben muss.
Auch der Student Marco Schneider muss seine Wohnung in der Bochumer Innenstadt verlassen, obwohl er dringend seine Masterarbeit fertigschreiben muss. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Immer wieder schallt das Martinshorn von Einsatzfahrzeugen durch die Innenstadt. In den Evakuierungsreis fällt die komplette Fußgängerzone, die Riesenbaustelle des Viktoria-Karrees, der komplette Bereich rund um die Hermannshöhe und auch der Hauptbahnhof. Schon gegen 13.30 Uhr steht dort: „Fliegerbombenentschärfung in der Bochumer Innenstadt. Züge werden ab 14.30 Uhr ohne Halt in Bochum-Hauptbahnhof umgeleitet.“ Das Rathaus und das Justizzentrum bleiben haarscharf verschont von der Räumung.

Erst 2018 wurde die Innenstadt komplett geräumt

Die Bochumer sind erfahren mit Evakuierungen wegen Bomben-Entschärfungen. Auch in der Innenstadt. Im Januar 2018 wurde eine Fliegerbombe mitten in der Fußgängerzone der Kortumstraße gefunden, nahe Harmoniestraße. Damals war die komplette City wie leergefegt, gleichzeitig aber alles auf den Beinen, was irgendwie mit Rettungsdienst zu tun.

So wird es auch diesmal sein.

Bochumer Student in der Sperrzone muss seine Masterarbeit woanders fertigschreiben

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Ein betroffener Anwohner ist Ruhr-Uni-Student Marco Schneider (25.) Er wollte Donnerstagmittag in seiner Wohnung am Bermuda-Dreieck seine Masterarbeit zu Ende schreiben. Er studiert ein Spezialfach, das eine Mischung aus Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaft ist. Auf seinem Handy erfuhr er von der Bombe, die nur einen Steinwurf von seiner Wohnung entfernt liegt – schon mehr als 76 Jahre lang schlummert sie dort, wo bis vor wenigen Tagen noch ein Altbau stand, der nun abgerissen wurde.

In der Not packte Schneider seinen Rucksack samt Computer und radelte zu einem Freund, um dort zu schreiben. Der Fall ist dringend: In zwei Tagen endet die Abgabefrist!

Feuerwehr Bochum klingelt an den Türen der Anwohner

Schneider denkt aber nicht nur an sich, sondern auch an die Feuerwehr. An seine Wohnungstür im Flur hat er bereits einen DIN A4-Zettel geklebt: Bewohner haben die Wohnung bereits verlassen, hat er drauf geschrieben.

Tatsächlich informiert die Feuerwehr die Bevölkerung über die Evakuierung nicht nur auf ihren digitalen Kanälen, sondern klingelt an den Häusern und Wohnungen auch an, um zu informieren und die Bewohner nach draußen zu begleiten.

Polizei Bochum errichtet und überwacht Straßensperrungen

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Die Fliegerbombe an der Neustraße 7 in Bochum wurde am Donnerstagabend (29. April) um 21.07 Uhr erfolgreich entschärft.
Von Andreas Rorowski, Carolin Rau, Bernd Kiesewetter, Jürgen Stahl

Auch die Polizei hilft mit. Zusammen mit der Bereitschaftspolizei werden nach und nach Straßensperrungen aufgestellt und ihre Beachtung überwacht, wie Polizeisprecher Frank Lemanis sagt. Überwacht wird auch, dass es nicht zu Einbrüchen in verwaisten Wohnungen und Büros kommt. Denn auch auf zu solchen besonders erbärmlichen Straftaten sind einige Menschen fähig, wie die Polizei aus Erfahrung weiß.

Stefano Mansutti von der Eisdiele San Marco an der Huestraße; auch er muss sein Geschäft wegen der Bombe stundenlang schließen.
Stefano Mansutti von der Eisdiele San Marco an der Huestraße; auch er muss sein Geschäft wegen der Bombe stundenlang schließen. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Die Feuerwehr richtet im Laufe des Nachmittags zwei Shuttle-Stationen: eine am Busbahnhof vor dem Hauptbahnhof, eine an der Kreuzung Viktoria-Straße/Südring. Von dort werden Anwohner, die nicht selbstständig mobil sind, mit Bussen zu zwei Betreuungsstellen in der Schillerschule am Waldring und in der Graf-Engelbert-Schule an der Königsallee gefahren.

Entschärfung der Bombe wohl erst gegen Abend

Gegen Abend, so schätzt die Feuerwehr, soll die Bombe entschärft werden. Genauer kann das am Nachmittag niemand sagen.

Betroffen von der Evakuierung ist auch die bekannte Eisdiele San Marco an der oberen Huestraße. Betreiber Stefano Mansutti hat am Donnerstagmittag nur durch Bekannte erfahren, dass eine Bombe gefunden worden ist. Die Evakuierung ist ein zusätzlicher Rückschlag für das Geschäft im Einzelhandel. Ein Kunde vor der Tür erfährt vor Ort von der WAZ von den Ereignissen; er beeilt sich mit der Bestellung.