Bochum. In Bochum wurde die 100.000. Corona-Impfung verabreicht. Erhalten hat sie ein rüstiger Rentner mit bewegter Vergangenheit.

Ein 100-Jähriger hat Anfang Februar die allererste Impfung im Impfzentrum Bochum erhalten. Neun Wochen später hat der 96-jährige Manfred Hertel die 100.000. Impfdosis in Bochum bekommen – „mehr als die Hälfte davon wurde im Impfzentrum verimpft“, so Krisenstableiter Sebastian Kopietz.

Blumen, eine Urkunde und ein zufriedener Impfling, der am Donnerstagmorgen seine zweite Biontech-Dosis erhalten hatte. Etwa 23.000 Bochumerinnen und Bochumer sind bereits abschließend geimpft, die Impfquote liegt damit bei knapp über sieben Prozent.

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Als Pfarrer aus der DDR rausgeschmissen

„Nach der ersten Impfung hatte ich überhaupt keine Beschwerden“, sagt Manfred Hertel. Auch jetzt erwartet er keine. Zweifel, ob er sich überhaupt impfen lassen soll, habe er nicht gehabt. „Wir haben doch keine andere Wahl. Außerdem bin ich in meinem Leben bestimmt schon 100 Mal geimpft worden.“

Und dieses Leben ist nicht nur lang, sondern auch ereignisreich. So war Manfred Hertel von 1955 bis 1971 Pfarrer in der ehemaligen DDR. „Da wurde ich rausgeschmissen“, erzählt er. Weil er, so seine Tochter Christiane Röder, „sich von der Kanzel für die Bürgerrechte eingesetzt hat“. Die Familie kam nach Bochum, bis 1986 war Manfred Hertel Pfarrer der Friedenskirche in Wattenscheid. Und für den 100. Geburtstag ist Großes geplant: ein Fallschirm-Tandemsprung.

Blumen und Urkunde für rüstigen Rentner

Mit 100? Das kann den rüstigen Rentner nicht schocken. „Ich bin im Krieg sechs Mal mit dem Fallschirm abgesprungen.“ Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) zeigt sich beeindruckt, als er Blumen und Urkunde überreicht. Und er kann die Vorfreude verstehen: „Ich habe vor einiger Zeit selbst einen Tandemsprung gemacht. Es war toll.“

Etliche Termine im Impfzentrum sind noch frei

Krisenstableiter Sebastian Kopietz macht darauf aufmerksam, dass im Impfzentrum noch Termine frei sind. Aktuell impfberechtigt sind alle Bürgerinnen und Bürger, die 1943 oder früher geboren sind.

Von Freitag (16.) an kommen die Jahrgänge 1944 und 1945 hinzu. Von Montag (19.) an können weitere Über-70-Jährige Termine buchen. „Ich kann nur appellieren, davon regen Gebrauch zu machen“, so Kopietz.

Die Frage, ob sich jemand im Impfzentrum oder beim niedergelassenen Arzt impfen lassen soll, sei pragmatisch zu klären: dort, wo es zuerst möglich sei.

Die Termine sind buchbar über die Buchungsplattform der Kassenärztlichen Vereinigung unter www.116117.de oder telefonisch unter 0800/ 116 117 02.

Abseits des großen Trubels, auch am Donnerstag wurden wieder etwa 1800 Frauen und Männer im Ruhrcongress am Stadionring geimpft, nutzt Eiskirch die Gelegenheit, um Danke zu sagen. „100.000 Danke an alle, die sich schon impfen lassen haben und sich impfen lassen wollen, um sich und die Gesellschaft zu schaffen. Und 100.000 Danke an alle, die das möglich machen: angefangen von Ärzten, Apothekern, Freiwilligenorganisationen und Bundeswehr bis zu meiner eigenen Mannschaft.“ Er appelliere an alle, die noch mit sich ringen, ob sie sich impfen lassen sollen, diesen Schritt zu machen.

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Oberbürgermeister appelliert an das Land NRW

Und auch an das Land NRW appelliert das Stadtoberhaupt: Da Ende nächster Woche all jene, die zur Prioritätengruppe II gehören, zumindest ihre erste Impfung erhalten haben, könnte in Bochum danach mit der Gruppe III begonnen werden. Doch dazu müsse das Land sein Okay gebe. Eiskirch drängt darauf, schließlich gehörten der Gruppe viele an, „die sich in den vergangenen Monaten in den Dienst der Gesellschaft gestellt haben“ – angefangen von Angehörigen des Einzelhandels bis zu den Beschäftigen von Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen.

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1800 Impfungen täglich werden momentan im Impfzentrum Bochum vorgenommen. Bis zu 2500 Dosen könnten täglich verimpft werden.
1800 Impfungen täglich werden momentan im Impfzentrum Bochum vorgenommen. Bis zu 2500 Dosen könnten täglich verimpft werden. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Am Stadionring gibt es noch Kapazitäten (Infobox). Etwa 1800 Impftermine werden momentan täglich vergeben, so Impfzentrum-Leiter Björn Sperber. „Wir könnten im Rahmen unserer jetzigen Öffnungszeit auch bis zu 2500 Personen täglich impfen; wenn es genügend Impfstoff gibt.“ Auch eine Ausdehnung der Zeiten und damit noch mehr Impfungen seien möglich. „Wenn die Impfmengen da sind, würden wir das möglich machen“, so Andreas Kuchajda, als Chef der Bochum Veranstaltungsgesellschaft (BoVg) Hausherr im Ruhrcongress.

Weniger Impfdosen für niedergelassene Ärzte

Wie viele Bochumer täglich geimpft werden können, hängt auch von der Impfstofflieferung an die niedergelassenen Kassenärzte ab. Diese werden über das Bundesgesundheitsministerium organisiert, die Impfzentren erhalten ihre Dosen vom Land. Der Haken: Nächste Woche wird das Kontingent für die Arztpraxen deutlich reduziert, nämlich auf 22 Prozent der Vorwoche. Das sind sechs Biontech- und zehn Astrazeneca-Impfdosen je Arzt. „Wir sind darüber tief enttäuscht“, so Dr. Eckhard Kampe, Regionalleiter der Kassenärztlichen Vereinigung. „Die Wartelisten bei uns sind ellenlang.“

Dass die Stadt am Montag die Rekordzahl von fast 5800 Impfungen an einem Tag gemeldet hat, hatte mit Nachmeldung einiger Hausärzte zu tun, so Impfzentrum-Chef Sperber.

„Impftourismus“ in begrenztem Umfang

Derweil tritt Krisenstab-Chef Kopietz Gerüchten entgegen, es gebe einen ausgeprägten „Impftourismus“, so Kopietz, von Einwohnern anderer Städte nach Bochum. Das komme vor, „aber nicht in nennenswerter Größe oder so, dass wir es regulieren müssten“, so Kopietz. Ohnehin gelte grundsätzlich, dass Einwohner aus NRW in NRW geimpft werden sollen. Und: In der Regel werden Arbeitnehmer am Ort ihres Arbeitsplatzes und nicht an ihrem Wohnort geimpft.