Bochum. Das Ruhrgebiet als Weltkulturerbe? Bochum wird eine Bewerbung nicht unterstützen. Vorerst jedenfalls. Damit steht die Stadt nicht alleine da.
In vier Jahren entscheidet die Unesco darüber, welchen Stätten und Regionen der Status „Weltkulturerbe“ verliehen wird. Das Ruhrgebiet könnte zu den Bewerbern gehören. Aber Bochum sagt „Nein“. Es fürchtet um seine Zukunft.
„Wir haben es geschafft, dass Bochum als Stadt des Fortschritts wahrgenommen wird und fürchten, uns eigene Entwicklungshemmnisse zu schaffen“, führt SPD-Fraktionsvorsitzender Burkart Jentsch als wichtigsten Grund gegen eine Bewerbung an. Einig sind sich große Teile seiner Fraktion damit nicht nur mit dem Partner in der rot-grünen Rathaus-Koalition, sondern auch mit einem ewigen Widersacher, der CDU. „Wenn man Chancen und Risiken abwägt, dann überwiegen die Risiken“, so der stellvertretende CDU-Fraktionschef Roland Mitschke über den geplanten Bewerbungsantrag. Dazu gehöre die Gefahr, der Region den Stempel einer Museumslandschaft aufzudrücken. „Dabei wollen wir sie doch als zukunftsgewandt präsentieren.“
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SPD-Fraktionsmitglied schert aus
Aus Sicht von Martina Schmück-Glock ist das indes eine fatale Schwarz-Weiß-Malerei. Wer sich ausschließlich als modern verkaufen wolle, sei austauschbar, führt sie die Einschätzung einer Marketing-Agentur an. Der Reiz und das Besondere könne darin liegen, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden. Die SPD-Ratsfrau stimmte daher nach einer kontroversen und zum Teil hitzigen Debatte im Rat gegen eine Ablehnung des Weltkulturerbe-Antrags und damit auch gegen ihre eigene Fraktion. „Weil ich mit meiner Meinungsbildung noch nicht fertig bin, da es im Vorfeld zu wenig Austausch über das Thema gegeben hat“, kritisierte sie.
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Eine Einschätzung, die andere Fraktionen wie die Linke, FDP und Partei/Stadtgestalter teilen. Sie warben nicht nur vehement für eine aktuelle oder spätere Bewerbung, sondern kritisieren auch den mangelhaften Umgang mit dem Thema in der Verwaltung. Der Vorwurf Bochums an die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur mit Sitz in Dortmund, die mit der Ausarbeitung einer Bewerbung beauftragt ist, die Städte seien zu spät eingebunden worden, treffe auch für Bochums Verwaltung zu. Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) habe der Stiftung in seinem ablehnenden Schreiben vom 17. November 2020 versichert, Bochums Politik werde sich mit dem Thema beschäftigen. Das aber sei erst vier Monate später geschehen.
Stiftung sendet „Brandbrief“ an Fraktionen
Und: Die Antwort der Stiftung auf diesen Brief sei den Fraktionen gar nicht vorgelegt worden. „Insoweit wurde der Rat über Argumente pro Welterbe bewusst nicht in Kenntnis gesetzt“, so einer Insider. Die Stiftung hatte sich dann – so war am Donnerstag in der Ratssitzung zu hören – mit einem „Brandbrief“ in dieser Woche an die Fraktionen gewendet, um ihre Botschaft transportieren zu können und Argumente der Kritiker zu widerlegen.
Meinungsbildung im Ruhrparlament
Der RVR wird sich im Rahmen einer Informationsveranstaltung intensiv mit dem Thema Weltkulturerbe-Bewerbung beschäftigt. Das hat Roland Mitschke, CDU-Ratsmitglied und Fraktionsvorsitzender der CDU im Ruhrparlament, angekündigt. Sie soll der Meinungsbildung im Parlament dienen.
Für eine Unterstützung des Antrags haben sich in den vergangenen Wochen dem Vernehmen nach 41 Städte und Kreise ausgesprochen; außerdem der Regionalverband Ruhr, die Landschaftsverbände und die Emschergenossenschaft.
So habe die Stiftung angeboten, dass auf die sogenannte Pufferzone um die Jahrhunderthalle, eine von insgesamt zwölf potenziellen Bochumer Weltkulturerbe-Stätten, verzichtet werden könne. Vor allem eine mögliche Einschränkung der Entwicklung dieses Areals hatten SPD und CDU umgetrieben. Im Schreiben der Stiftung heißt es aber: „Es besteht die Möglichkeit, die Standorte in ihrer Kommune noch zu korrigieren.“
Nur Bochum wünscht keinen Sachstandsbericht
Erstaunlich sei, so der Insider, dass Bochum die erste Stadt war, die eigene Vorschläge in das Verfahren eingebracht habe, nun aber zu den wenigen gehöre, die das Projekt ablehne. Und: Während alle anderen Kommunen ein Vortrag oder Sachbericht der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur erbeten haben, sei Bochum die einzige Stadt, in der das nicht gewünscht wurde.
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Diese Haltung verblüfft auch in Kreisen des Rates. Martina Schmück-Glock stellt in der ablehnenden Verwaltungsvorlage Bochums eine „ungewöhnlich negative Haltung“ fest.
Allerdings steht Bochum nicht ganz alleine da. Auch Essen und Gelsenkirchen haben ihre Unterstützung versagt oder – Linken-Fraktionschef Horst Hohmeier sagt, „sie boykottieren die Bewerbung“.
Eiskirch nennt Ruhrparlament die „entscheidende Stimme“
Damit scheint das Ruhrgebiet aus dem Rennen zu sein. „NRW geht dann eben mit dem jüdischen Viertel in Köln ins Rennen“, so Martina Schmück-Glock lakonisch. Oberbürgermeister Eiskirch verweist indes auf eine andere Stimme. Die Meinungsbildung in den Städten sei wichtig. „Aber nur das RVR-Parlament kann“, so Eiskirch, „ein umfassendes Urteil aus der Region geben. Das ist die Frage gut aufgehoben.“