Bochum. Ehrgeizige Ziele verfolgen die beiden Bochumer Einrichtungen für Puppenspiel: Künftig wollen sie ihre Kräfte bündeln - möglichst in einem Haus.

Etwas merkwürdig war das schon immer: Gleich zwei Einrichtungen kümmern sich in Bochum seit vielen Jahren um die hohe Kunst des Figurentheaters, doch zusammen an einem Strang gezogen haben sie fast nie. Bis heute!

Das Figurentheater-Kolleg in Langendreer wird als staatlich anerkannte Weiterbildungsstätte von Künstlern aus ganz Deutschland besucht, während im Deutschen Forum für Figurentheater in Weitmar unter anderem das Fidena-Festival organisiert wird, das alle zwei Jahre stattfindet und längst europaweites Renommee besitzt.

Zusammenarbeit beider Bochumer Häuser lange überfällig

Zwei Häuser, eine Mission: „Dass wir stärker zusammenarbeiten, ist eine längst überfällige Sache“, sagt Seta Guetsoyan, die das Kolleg seit über zwei Jahren leitet und mit den Kollegen an der Hattinger Straße künftig wesentlich enger kooperieren möchte. „Beide Einrichtungen haben sich vor vielen Jahren nach einem Konflikt getrennt, an den sich niemand mehr so genau erinnern kann“, sagt sie. „Unser festes Ziel ist es, dass dies jetzt ganz anders wird.“

Dass Figurentheater in Bochum eine solch wichtige Rolle spielt, ist vor allem dem Autoren und Dramaturgen Fritz Wortelmann aus Werne zu danken. Seit einem Besuch des Kölner Hännesche Theaters mit Stockpuppen auf dem Werner Markt war Wortelmann (1902-1978) vom Puppenspiel derart fasziniert, dass er vor genau 100 Jahren in Bochum die erste Bildungsstätte zur Förderung dieser bedeutenden Kunstform gründete, die nur Narren mit Kasperletheater verwechseln.

Ausstellung kann durch VR-Brillen erlebt werden

Heute steht das Puppenspiel in der Stadt glänzend da. Ob mit der Ausstellung „Puppets 4.0“, die mit perfekten 3D-Ansichten durch VR-Brillen erlebt werden kann, oder mit dem internationalen Fidena-Festival, das wieder 2022 stattfinden soll: Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Möglichkeiten, dem Figurenspiel zu begegnen wie hier. „Damit haben wir ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal“, sagt Forum- und Fidena-Leiterin Annette Dabs. „Selbst in Europa findet sich das nur ganz selten.“

So rückt für beide Häuser jetzt eine schon etwas ältere Idee zurück in den Fokus, die künftig konsequenter weiter verfolgt werden soll: der Traum von einer eigenen Bühne. „Unser langfristiges Ziel ist die Gründung eines eigenen Hauses für Figurentheater in Bochum“, sagt Annette Dabs und fügt an: „Ich habe mir fest vorgenommen: Wenn ich eines Tages hier aufhöre, dann möchte ich, dass Bochum so ein Haus hat.“ Dabs wird in diesem Jahr 61 Jahre alt.

Ein Raum der Praxis und des Ausprobierens

Bereits als die Marienkirche in der Innenstadt neu genutzt werden sollte, entwickelte sie auf Anraten des ehemaligen Kulturdezernenten Michael Townsend ein entsprechendes Konzept. „Das Haus sollte mal ‚Maria‘ heißen“, erinnert sie sich. Mittlerweile sind bekanntlich die Bochumer Symphoniker mit ihrem Musikforum dort heimisch geworden.

Immer wieder schauen sich Annette Dabs und Seta Guetsoyan derzeit mögliche Objekte in der Stadt an, die für eine eigene Figurentheater-Bühne infrage kämen. „Es fehlt ein Raum der Praxis und des Ausprobierens, in den man auch andere Gruppen einladen könnte“, sagt Guetsoyan. „Dafür ist unsere Kolleg-Bühne einfach zu klein.“

Anlaufstelle für Figurentheater in ganz NRW

So ist es der gemeinsame Wunsch, auf längere Sicht ein Produktionshaus in Bochum zu etablieren: mit einem festen Spielplan und vielen engagierten Mitstreitern. „Das könnte die Anlaufstelle für Figurentheater in ganz NRW werden“, ist sich Annette Dabs sicher. Allzu klein darf die Bühne allerdings nicht werden, denn anders als viele denken benötigt professionelles Puppentheater durchaus eine Menge Platz.

Und wie könnte ein solches Haus finanziert werden? „Wir müssen auf jeden Fall versuchen, dafür an europäische Fördergelder zu kommen“, meint Annette Dabs. „Dafür braucht es viel Unterstützung, aber bislang sind die Signale, die ich aus der Politik bekommen habe, überaus positiv.“

Info: Zwei Häuser, eine Mission

Das Figurentheater-Kolleg (Hohe Eiche 27) ist eine seit 1977 staatlich anerkannte Weiterbildungsstätte für Figurentheater. Sie findet sich in einer ehemaligen Volksschule unweit des Volksparks Langendreer, den die Puppenspieler künftig stärker als zuvor auch selbst bespielen wollen. Info: figurentheater-kolleg.de

Das Deutsche Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst (Hattinger Straße 467) hat seinen Sitz in einem ehemaligen Wasserturm in Weitmar. Hier findet sich eine riesige Bibliothek mit Fachliteratur, die von Kulturschaffenden aus aller Welt angefragt wird. Auch die 3D-Ausstellung „Puppets 4.0“ kann hier besucht werden (wegen Corona derzeit geschlossen). Info: fidena.de