Bochum. Die Katholische Kirche in Bochum hat längst eigenen Weg gefunden. Wie schon jetzt homosexuelle Paare gesegnet werden, sagen Amtsträger ganz offen.

Die Liste der Baustellen in der Katholischen Kirche ist lang. Daran ändere die Reaktion des Erzbistums Köln auf das Gutachten zum Umgang mit Missbrauch in der Kirche wenig. Für den Stadtdechanten der Katholischen Kirche in Bochum, Pfarrer Michael Kemper, sind die eingeleiteten personellen Konsequenzen nicht viel mehr als ein Bauernopfer: „Mich macht sehr betroffen, welches Ausmaß die Vertuschung dort angenommen hat.“ Es blieben viele Fragen offen, auch was die Rolle von Kardinal Wölki angehe.

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Zwar hätten Kleriker in ihrem Beruf ein besonderes, quasi beamtenähnliches, Verhältnis zum Bischof. Das dürfe aber nicht bedeuten, dass Missbrauch nicht angezeigt würde. „Dies ist ein Verbrechen und das muss der Staatsanwaltschaft angezeigt werden“, so Kemper. Er sei froh darüber, dass gerade im Bistum Essen ein eigener Weg gegangen werde. „Es gibt im Ruhrbistum ein umfangreiches Maßnahmenpaket und viel Präventionsarbeit, um Missbrauch künftig zu verhindern.“ Im Fall eines Priesters, der in der Wattenscheider St. Josephs-Gemeinde, trotz erwiesener Fälle von Missbrauch über 13 Jahre in der Gemeinde eingesetzt war, hatte sich Ruhrbischof Overbeck entschuldigt und sich der Diskussion vor Ort mit Gemeindevertretern gestellt.

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In Bochum werden am Valentinstag alle Liebende gesegnet

Auch durch Äußerungen aus dem Vatikan zum Umgang mit Homosexualität angeht, lassen sich die Geistliche Ort nicht mehr gängeln. „Wir in Bochum segnen jedes Jahr am Valentinstag Liebende. Da wird niemand ausgeschlossen. Manchmal sind auch homosexuelle Paare direkt zu mir gekommen und haben mich um meinen Segen gebeten: Natürlich habe sie gesegnet“, sagt Kemper. Da sei der Kern des Glaubens berührt. Es könne nicht sein, dass bestimmte Formen des Zusammenlebens ausgeschlossen werden. Das widerspreche der Botschaft Jesu.

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Pastor Michael Kemper ist Stadtdechant der Katholischen Kirche in Bochum und Wattenscheid. Er hat eine klare Haltung zu den jüngsten Entwicklungen.
Pastor Michael Kemper ist Stadtdechant der Katholischen Kirche in Bochum und Wattenscheid. Er hat eine klare Haltung zu den jüngsten Entwicklungen. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Mehr am Gewissen orientiert

Sein Eindruck ist ohnehin, dass vor Ort in den Gemeinden Homosexualität und homosexuelle Lebenspartnerschaften breit akzeptiert seien. Da gibt es Küster oder andere Leute, die in der Sakristei oder beim Gottesdienst mitarbeiten.

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Lothar Gräfingholt ist Vorsitzender des Katholikenrats, der Organisation katholischer Laien in der Stadt. Sein knappes Statement zur neuen Debatte zu homosexuellen Partnerschaften: „Vor Ort sind die Gemeinden oft viel weiter, nicht nur, was den Umgang mit Homosexualität angehe oder der Ökumene. Ich habe stark das Gefühl, dass Katholiken und Katholikinnen sich viel stärker an ihrem Gewissen orientieren, als an den Verlautbarungen der Institution Kirche.“

Die derzeitige Situation der Kirche sei wegen Corona schon schwierig genug. Kirchliche Gemeinschaft lasse sich nur sehr beschränkt erleben. Gerade jetzt gebe es in den Gemeinden eine Diskussion, wie denn Ostergottesdienste bei steigenden Corona-Inzidenzen überhaupt gefeiert werden können.

Zumindest ein Hoffnungsschimmer

Für Elisabeth Hartmann-Kulla aus Wattenscheid, die sich seit Jahren in der Bewegung „Maria 2.0“, die für eine völlig andere Frauenrolle in der Katholischen Kirche eintritt, einsetzt, sei das jetzt in Köln bekannt gemachte Gutachten und die personellen Konsequenzen „zumindest ein Hoffnungsschimmer“. „Jetzt wissen wir zumindest, dass auch dort ein Umdenken eingesetzt hat.“ Gleichzeitig wundert sich die engagierte Lehrerin über sich selbst, dass sie immer noch versucht, die Kirche von innen zu ändern, und selbst die kleinsten Hoffnungsfunken zu suchen.