Bochum/Wattenscheid. In einem seltenen Akt der Offenheit geht das Ruhrbistum in die Offensive und legt Einzelheiten zum Fall des vorbestraften Priesters offen.

Jetzt hat das Ruhrbistum im Zusammenhang mit einem wegen fortgesetzten Missbrauchs vorbestraften Priester, der ab 2002 noch seelsorgerische Dienste in der katholischen St.-Joseph-Gemeinde in Wattenscheid geleistete hatte, „verheerende Fehler“ eingeräumt. Generalvikar Klaus Pfeffer sagte nach einem Gespräch mit Vertretern der Gemeinde: „Für das Bistum Essen bitte ich ausdrücklich alle um Entschuldigung, die sich jetzt hintergangen oder betrogen fühlen, weil sie einem Priester vertraut haben, ohne von dessen dunkler Vorgeschichte zu wissen.“

Ausführliche Stellungnahme des Bistums

In einer ausführlichen Erklärung nahm das Bistum jetzt Stellung. „Detaillierte Informationen und ein kritischer Rückblick auf die Aufnahme eines wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraften Priesters ins Bistum Essen standen am Mittwoch, 20. November, im Mittelpunkt eines Gespräches zwischen Generalvikar Klaus Pfeffer, Personaldezernent Kai Reinhold und den Gremien der Pfarrei St. Gertrud in Bochum-Wattenscheid. Der heute 86-jährige Priester A. aus dem Erzbistum Köln hatte im Jahr 2002 als Ruhestandsgeistlicher seinen Wohnsitz ins Bistum Essen verlegt und in der Gemeinde St. Joseph in Wattenscheid ohne offizielle Beauftragung priesterliche Dienste übernommen.“

Zwischenzeitlich hatte die Gemeinde bei einem Gottesdienst am vergangenen Sonntag einen Brief des Bistums verlesen. Auch der Gemeinderat nahm Stellung. Eine Frau, ein ehemaliges Mitglied des Pastoralteams, ist im Gottesdienst aufgestanden und hatte da schon deutlich gemacht, dass das Bistum doch schon von Anfang an alles gewusst habe: „Das Bistum hat meiner Meinung nach damals alles gewusst. Wir sind belogen worden“, sagte sie bei diesem Gottesdienst.

Einsicht ist erst in den letzten Jahren gewachsen

In der jetzt verbreiteten Erklärung des Bistums heißt es außerdem: „Bis zu seinem Umzug in ein Seniorenheim im Jahr 2015 hat A. deshalb als Ruhestandsgeistlicher priesterliche Dienste in Wattenscheid übernommen. Aus heutiger Perspektive war es ein verheerender Fehler, einen mehrfach verurteilten Missbrauchstäter seelsorgliche Dienste tun zu lassen“, stellte Generalvikar Klaus Pfeffer klar.

Dieser Fall bestätige in erschreckender Weise, dass es rückblickend auch im Bistum Essen im Umgang mit sexueller Gewalt schweres Versagen gegeben habe. „Ein mehrfach vorbestrafter Missbrauchstäter darf nicht mehr in der Seelsorge eingesetzt werden“, betonte Pfeffer. Diese Einsicht sei allerdings erst in den letzten Jahren gewachsen – „und das war viel zu spät“, so der Generalvikar weiter. „Für das Bistum Essen bitte ich ausdrücklich alle um Entschuldigung, die sich jetzt hintergangen oder betrogen fühlen, weil sie einem Priester vertraut haben, ohne von dessen dunkler Vorgeschichte zu wissen“, sagte Pfeffer.

Wie berichtet, wird Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck am kommenden Sonntag selbst in die Gemeinde nach Wattenscheid kommen, um dort das Gespräch zu suchen. Unabhängig davon bittet das Bistum darum, dass sich weitere Betroffene bei den unabhängigen Beauftragten für die Prüfung von Vorwürfen sexualisierter Gewalt melden. Ansprechpartner im Bistum Essen: Angelika von Schenk-Wilms: 0151 571 500 84 Karl Sarholz: 0171 3 16 59 28