Bochum. Bislang führt die Corona-Pandemie nicht zu mehr Firmeninsolvenzen in Bochum. Noch nicht. „Das kommt noch“, sagen Experten voraus.

Dewender stellt Insolvenzantrag. Das war Anfang September eine Nachricht wie ein Paukenschlag. Vier Millionen Euro Schulden, ein Teil davon offenbar coronabedingt entstanden, bedeuteten das Aus für das Traditionsunternehmen aus Bochum. Es war nicht die einzige Firmeninsolvenz in diesem Jahr. Und es ist zu befürchten, so sagen Banken, Insolvenzverwalter und Inkassounternehmen voraus, dass in den nächsten Monaten viele weitere Folgen werden.

Neben Dewender hat es weitere namhafte Unternehmen erwischt. Tekomedia etwa, den Servicedienstleister mit Sitz im Kortumhaus, und vor allem die Thomas-Cook-Tochter GfR in Riemke. Sie hat den Kompletteinbruch des Reisemarkts nicht verkraftet.

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54 Firmeninsolvenzen im ersten Halbjahr

Insgesamt 54 Firmeninsolvenzen hat es nach Auskunft des statistischen Landesamts IT.NRW im ersten Halbjahr 2020 gegeben. Das sind – trotz Corona – sogar weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Da waren es noch 67. Aber einen positiven Trend vermuten Kenner dahinter nicht.

„Im Augenblick stagnieren die Zahlen der Unternehmensinsolvenzen immer noch auf einem niedrigen Niveau“, sagt Dorothee Madsen. Die Insolvenzverwalterin aus Bochum führt das auf zwei Gründe zurück. „Das dürfte einerseits damit begründet sein, dass die Überbrückungshilfen und andere staatliche Maßnahmen wie das Corona-Kurzarbeitergeld greifen. Andererseits ist aber auch zu vermuten, dass Manager die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Vorliegen der Überschuldung, die bis zum Jahresende gilt, falsch interpretieren.“

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Pflicht zum Insolvenzantrag ist ausgesetzt

Und das könnte fatale Folgen haben. Es bestehe die Gefahr für Gläubiger und das Management, so Madsen, „dass viele Unternehmen am Markt aktiv sind, die tatsächlich wegen Zahlungsunfähigkeit bereits seit Oktober verpflichtet wären, einen Insolvenzantrag zu stellen.“ Die vorübergehende Aussetzung der Pflicht zum Insolvenzantrag verschleiere die „Situation der Wirtschaft nachhaltig“, heißt es in einem Papier des Inkasso- und Analyseunternehmens Creditreform.

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Für das Gesamtjahr 2020 erwartet es keine Insolvenzwelle mehr. „Die Hauptlast der aufgestauten Insolvenzen wird sich bei gleich bleibenden Bedingungen erst in den ersten beiden Quartalen 2021 Bahn brechen“, heißt es. Dabei dürfte es vor allem Unternehmen aus dem am schwersten betroffenen Branchen treffen: Automobilzulieferer, spezialisierte Zulieferer, Maschinenbau, Gastronomie, Hotellerie, Tourismus, Veranstalter, Luftfahrt, Textileinzelhandel und Künstler – nicht wenige Bereiche spielen auch und gerade in Bochum eine bedeutende Rolle.

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Soloselbstständige werden betroffen sein

Auch die „stillen Heimgänger“ gehören dazu, „die das Wirtschaftsgeschehen durch eine Abmeldung des Gewerbes verlassen und nicht in die Insolvenzstatistik eingehen“, so Creditreform. Außerdem ist ein deutlicher Anstieg der Insolvenz von Soloselbstständigen zu befürchten, sagt der Bochumer Schuldenberater Carl-D. Lewerenz.

Um welche Summen und demzufolge ausbleibende Zahlungen an Banken und Firmen es geht, zeigt ein Blick in die vergangenen Jahre. 2019 gab es in Bochum insgesamt 139 Unternehmensinsolvenzen. Die Summe der Forderungen belief sich dabei auf 40,5 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor gab es 125 Firmeninsolvenzen mit Forderungen in Höhe von knapp 26,6 Millionen Euro. 2017 waren es 141 Unternehmen und knapp 36 Millionen Euro.

Schulden in sechs- und siebenstellige Höhe

Für das laufenden Jahr gibt es noch keine Gesamtsumme. Aber in Einzelfällen liest sich das so: Ein insolventes Autohaus hat Schulden von gut 2,8 Millionen Euro und nur 25.000 Euro als Verteilungsmasse für die Gläubiger; eine Spedition hat Schulden von nahezu 400.000 Euro aufgetürmt und eine Immobilienverwaltung von gut 800.000 Euro. Geld, das andere Firmen und Banken nicht bekommen und daher möglicherweise selbst in Schwierigkeiten geraten oder deren schwierige Lage sich verschärfen könnte.

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Daher bangen nicht nur betroffene Betriebe und ihre Angestellten um ihre Zukunft. „Es ist zu vermuten, dass deren Probleme irgendwann auch auf die Banken durchschlagen“, so Insolvenzberaterin Madsen. Einige bereiten sich längst darauf vor. So etwa die Sparkasse Bochum. „Unsere Geschäftskunden sind von den Auswirkungen der Pandemie unterschiedlich betroffen“, sagt Sparkassen-Chef Jürgen Hohmann auf Anfrage der WAZ. „Es kann sein, dass es nicht alle über das Jahr 2021 hinweg schaffen. Wir haben Vorsorge getroffen.“

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