Bochum. Svetlana Razumnaya aus Bochum darf aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen. Im Alltag begegnen ihr Unmut und verletzende Beleidigungen.

Einkaufen ist für Svetlana Razumnaya seit Einführung der Maskenpflicht ein Spießrutenlauf. Wegen zahlreicher Erkältungen kann die 38-Jährige keine Maske tragen, hat von ihrer Hausärztin ein Attest bekommen, das sie von der Pflicht, einen Mund-Nasenschutz zu tragen, befreit. Für den Gang durch den Supermarkt braucht sie neuerdings doppelt so lang – weil andere Kundinnen und Kunden sie stets belehren würden. „Dabei halten sie keinen Abstand und kommen mir oft sehr nahe“, berichtet die Bochumerin.

Für den Gang durch den Supermarkt braucht Svetlana Razumnaya neuerdings doppelt so lang – weil andere Kundinnen und Kunden sie stets belehren würden. „Dabei halten sie keinen Abstand und kommen mir oft sehr nahe“, berichtet die Bochumerin.
Für den Gang durch den Supermarkt braucht Svetlana Razumnaya neuerdings doppelt so lang – weil andere Kundinnen und Kunden sie stets belehren würden. „Dabei halten sie keinen Abstand und kommen mir oft sehr nahe“, berichtet die Bochumerin. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Als im Frühjahr dieses Jahres klar wird, dass eine Maskenpflicht kommt, wendet sich Razumnaya an ihre Hausärztin. Obwohl ihre Allergien durch den Hals-Nasen-Ohren-Arzt bestätigt seien, muss sie erneut einen Allergietest machen und bekommt daraufhin ein Attest: Auf diesem steht, dass die junge Frau keinen Mund-Nasen-Schutz tragen muss. Das habe mehrere Gründe, weil ihre Nasenscheidewand verkrümmt ist, bekommt Razumnaya ohnehin schlecht Luft. Hinzu kommt, dass sie sich durch ihre Allergie häufig die Nase putzen müsse – gerade in den Morgen- und Abendstunden. „Wenn ich meine Maske dabei immer hoch und runtermachen müsste, ist sie wenig sinnvoll“, sagt sie.

Bochumerin darf keine Maske tragen: Beleidigungen gehen unter die Gürtellinie

Dass sie keine Maske trage könne, sei für viele Mitmenschen schwer zu begreifen. „Ich habe Beschimpfung erlebt, die dermaßen unter der Gürtellinie waren“, berichtet Razumnaya. Und das nicht ein- oder zweimal, sondern fast täglich. Da ist der Typ in der Bahn, der sie rassistisch beleidigt und bedroht habe, so lange, bis sie die Polizei gerufen und Anzeige erstattet habe. Da ist der Supermarkt, in dem sie nicht mehr einkaufen darf. Da sind die vielen Kommentare der Menschen in Bus und Bahn oder in Geschäften.

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Mittlerweile gebe es nur noch einen Discounter, in dem Razumnaya einkaufen könne. „Da ist eine Mitarbeiterin, die selbst von der Maskenpflicht befreit ist. Ich kann dort einfach einkaufen, ohne dass ich ein Attest vorzeigen musste“, erzählt sie. „Sollten Kunden aus gesundheitlichen Gründen keine Masken tragen können, ist ein Einkauf grundsätzlich auch ohne Mund-Nasen-Bedeckung möglich“, bestätigt eine Netto-Sprecherin auf Anfrage dieser Redaktion.

Einkaufen in Supermärkten wird ohne Maske zur Tortur

In anderen Supermärkten oder Discountern hingegen sei der Einkauf ohne Maske trotz Attest, das sie auf ihrem Handy immer dabei hat, kaum noch möglich. Die Erfahrung habe Razumnaya zum Beispiel bei Aldi gemacht, fünf Monate lang musste sie bei jedem Einkauf ihre Befreiung vorzeigen, hat irgendwann Hausverbot bekommen. „Damit wird jeder ausgeschlossen, der Probleme mit der Maske hat. Dadurch werden Risikogruppe vom sozialem Leben ausgeschlossen. Dies ist ein gravierender Eingriff ins Privatleben, es geht um Lebensmittel.“

Ermittlungen gegen einen Bochumer Hausarzt

Nicht alle Mediziner stellen Atteste nach sorgfältigen Kriterien aus: Einem Bochumer Arzt und Corona-Kritiker wird vorgeworfen, dass er pauschal Atteste gegen die Maskenpflicht ausgestellt habe. Nun wird gegen ihn ermittelt. Die Praxisräume wurden durchsucht, weil er im Verdacht steht, ohne medizinische Notwendigkeit pauschale Atteste zur Befreiung der Corona-Maskenpflicht eingestellt zu haben.

Der Bochumer Hausarzt ist Mitglied des Vereins Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ (MWGFD). Dieser wurde von Corona-Kritikern gegründet. Gegen den Bochumer Arzt und Corona-Kritiker wird nun wegen der „Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ ermittelt.

Ein Unternehmenssprecher teilt mit, dass kleine Kinder oder medizinisch beeinträchtigte Personen auch dort von der Pflicht zum Tragen eines Mundschutzes ausgenommen sein. „Auf den ersten Blick ist es meist nicht ersichtlich, dass jemand unter die jeweils geltenden Ausnahmeregelungen fällt. Unsere Mitarbeiter sind deshalb dazu angehalten, bei berechtigten Zweifeln auch einen Nachweis einzufordern und – wenn nicht anders möglich – von unserem Hausrecht Gebrauch zu machen“, so der Sprecher.

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Oft würden gerade die Leute, die Razumnaya darauf hinweisen wollen, dass sie eine Maske tragen müsse, ihr extrem nah kommen. „Damit gefährden sie auch mich“, gibt die 38-Jährige zu bedenken. „Ich verstehe nicht, warum fremde Leute, mich darauf hinweisen müssen, dass ich eine Maske trage. Es ist ja nicht so, dass man das in den vergangenen Monaten nicht mitbekommen hat“, sagt Razumnaya. Sie wünscht sich, dass sie von ihren Mitmenschen nicht als die Gefährliche dargestellt wird, weil sie keine Maske tragen könne.

Mitmenschen bezeichnen Razumnaya als Verschwörungstheoretikerin

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Die Kommentare mancher Mitmenschen gingen so weit, dass sie sogar als Verschwörungstheoretikerin bezeichnet würde, weil sie keine Maske trägt. Davon distanziere Razumnaya sich, auch wenn sie einige politische Entscheidungen kritisch sieht. „Ich finde, dass wir anfangen müssen, mit diesem Virus zu leben. Immer mehr Gastronomen und Geschäfte gehen pleite und müssen dauerhaft schließen. Ich finde, dass das zu weit geht.“

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