Bochum. Aus gesundheitlichen Gründen ist eine Bochumerin von der Maskenpflicht befreit. Beim Einkaufen macht sie trotz Attest beschämende Erfahrungen.

Die Maskenpflicht hält sie für richtig, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Das ist Heike Kleffmann wichtig zu sagen. Dass sie selbst keine Mund-Nase-Bedeckung trägt, hat allein gesundheitliche Gründe. Die 54-Jährige hat sich die Befreiung vom Arzt bescheinigen lassen. „Dass es solche Ausnahmen gibt, ist aber noch viel zu wenig bekannt“, beobachtet die Bochumerin und berichtet von entwürdigenden Erfahrungen.

Seit April sind Atemschutzmasken in allen Einrichtungen mit Publikums- und Kundenverkehr vorgeschrieben, etwa im Einzelhandel und in der Gastronomie, in Bussen und Bahnen oder Arztpraxen. „Wer die Maskenpflicht missachtet, darf die entsprechenden Angebote nicht nutzen bzw. die Einrichtungen nicht betreten“, belehrt die NRW-Landesregierung.

Hausarzt hat ein Attest ausgestellt

Heike Kleffmann kennt die Corona-Schutzverordnung. Allein: Es ist ihr nicht möglich, eine Maske zu tragen. Ihre Erkrankungen sind der WAZ bekannt. Der Bitte der Leserin um Diskretion kommen wir nach. Eindeutig ist das Attest, das ihr langjähriger Hausarzt im April ausgestellt hat, einen Tag nach Beginn der Maskenpflicht in NRW. „Frau Kleffmann“, heißt es darin, „darf (...) keine Schutzmaske tragen, da sonst schwere Folgeschäden drohen. Sie wird entsprechend die Abstandsregeln einhalten, die für ihren und den Schutz anderer weit wichtiger sind.“

Die Software-Projektleiterin wähnte sich mit der Bescheinigung auf der sicheren Seite, hoffte auf Verständnis. Doch leider sehe es im Alltag mitunter anders aus. Immer wieder werde sie „böse angeguckt“, wenn sie ohne Maske ein Geschäft betritt. Mehrfach sei ihr von Ladenbesitzern der Zutritt verweigert worden, obwohl sie auf ihr Attest aufmerksam gemacht habe.

Rausschmiss im Supermarkt

Als besonders beschämend empfand sie eine Auseinandersetzung in einem Bochumer Supermarkt. „Ich war mit meinem Mann einkaufen. Er trug selbstverständlich eine Maske. Ich wies die erste Mitarbeiterin, die mir begegnete, auf meine Ausnahmebescheinigung hin“, schildert Heike Kleffmann.

Wenig später sei sie von einer weiteren Mitarbeiterin abgefangen worden. „Sie sagte mir in strengem Ton: ,Der Chef will das nicht!’ Ohne dass ich die Gelegenheit bekam, mein Attest vorzuzeigen oder mit dem Geschäftsführer zu sprechen, musste ich sofort den Laden verlassen. Mein Mann hat noch bezahlt. Ich wartete draußen. Dieses Geschäft betreten wir niemals wieder.“

Seit April gilt die Maskenpflicht. Die Stadt hat einen eigenen Mund-Nase-Schutz produzieren lassen. Aufschrift: „Bochum. hier, wo das WIR noch zählt.“
Seit April gilt die Maskenpflicht. Die Stadt hat einen eigenen Mund-Nase-Schutz produzieren lassen. Aufschrift: „Bochum. hier, wo das WIR noch zählt.“ © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Land: Inhaber können vom Hausrecht Gebrauch machen

Sie wolle niemanden an den Pranger stellen, betont Heike Kleffmann. Nicht die Händler, die sich um ihre Mitarbeiter, Käufer und Umsätze sorgen. Nicht die ahnungslosen Kunden, die sie mal mehr, mal weniger freundlich darauf hinweisen, dass sie keine Maske trägt. Was Heike Kleffmann will: „dass mehr Menschen wissen, dass es nicht immer böser Wille ist, sondern dass es eine Befreiung von der Maskenpflicht gibt.“ Sie bittet um Rücksicht. „Wie soll ich denn sonst einkaufen?“

Patientenbeauftragte appelliert an Handel

Die NRW-Patientenbeauftragte Claudia Middendorf bestärkt Menschen mit psychischen oder körperlichen Einschränkungen, die Masken-Befreiung vornehmen zu lassen.

„Vom Grundsatz her gilt: Nutzer sollen nicht erst durch den Mund-Nase-Schutz einer Gefahr ausgesetzt werden“, heißt es bei der Landesbeauftragten.

In einem Schreiben an Handelsverbände und Lebensmittelhändler bittet sie, die Belegschaften über die bestehenden Ausnahmen zu informieren. „Jeder Mensch hat das Recht auf Teilhabe und Selbstbestimmung und darf nicht aufgrund einer Einschränkung diskriminiert werden.“

Rechtlich haben die Erkrankten schlechte Karte. Die Corona-Schutzverordnung sehe „keine Leistungsverpflichtung“ für Handel und Gastronomie vor, erklärt Miriam Skroblies, Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums, auf WAZ-Anfrage. Das heißt: Trotz eines ärztlichen Attestes können Geschäftsinhaber – wie bei Heike Kleffmann im Supermarkt geschehen – von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und Kunden ohne Maske des Ladens verweisen. „Zwar rufen wir die Geschäftswelt auf, Menschen mit Masken-Befreiung nicht auszugrenzen. Das kann aber nur ein Appell sein“, so Miriam Skroblies.

Ohne Maske zwei Meter Abstand

Heike Kleffmann will auch ohne Maske ihren Teil zum Infektionsschutz beitragen. „Wo immer es geht, halte ich so weit wie möglich Abstand zu anderen Menschen, mindestens zwei Meter.“ Mehr, sagt sie, „kann ich leider nicht tun.“