Bochum. In Bochum muss viel passieren, um von Gewalt betroffenen Frauen zu helfen – gerade während Corona. Das fordern Beratungsstellen und Frauenhaus.

Sie sind drei Frauen aus Bochum mit einem gemeinsamen Anliegen: Babett Görnert von der Frauen- und Mädchenberatungsstelle „Nora“, Maria Jann-Paul vom Internationalen Frauen- und Mädchenberatungszentrum „Mira“ und Ulrike Langer, Leiterin des Frauenhauses. Sie kämpfen gegen Gewalt an Frauen. Zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ am 25. November machen sie deutlich: In Bochum muss noch viel passieren.

Ulrike Langer leitet das Frauenhaus in Bochum. „Corona beschäftigt uns sehr“, sagt sie.
Ulrike Langer leitet das Frauenhaus in Bochum. „Corona beschäftigt uns sehr“, sagt sie. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska



Seit 1981 organisieren Menschenrechtsorganisationen an diesem Tag im November Veranstaltungen, bei denen sie auf die Einhaltung der Menschenrechte gegenüber Frauen und Mädchen aufmerksam machen. Der internationale Tag soll zur Bekämpfung von Diskriminierung und
Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen dienen.

Corona beschäftigt Frauenhaus in Bochum sehr


Die Bekämpfung von Gewalt wird in diesem Jahr wichtiger denn je: „
Corona
beschäftigt uns sehr“, sagt Frauenhausleiterin Langer. Es sei aufwändiger, betroffene Frauen aufzunehmen, weil diese zuerst für sieben Tage in Quarantäne müssen und dafür gebe es nur zwei Räume. „Das heißt, wir haben Plätze frei, können aber niemanden aufnehmen. Das ist sehr frustrierend“, meint Langer. Während des Lockdown im Frühjahr habe es tatsächlich weniger Anfragen gegeben, danach jedoch viele.



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Häusliche Gewalt in Bochum- Betroffene schafft den Ausstieg
Görnert von der Frauenberatungsstelle „Nora“ nennt einen Grund dafür: „Für die Frauen ist es schwieriger, sich Hilfe zu holen.
Wenn der Partner zuhause ist
, stehen sie mehr unter Kontrolle und werden mehr überwacht. Sie haben eine geringere Chance, sich Informationen zu holen.“ Hinzu komme, dass die Hürde, in ein Frauenhaus zu gehen
durch Corona noch größer
sei, weil die Abläufe dort zu unbekannt sind. Die Zahl der telefonischen Beratungen und der Frauen, die sich selbst melden, sei bei Nora ungefähr gleichbleibend, allerdings falle Görnert auf: „Es gibt mehr Meldungen von der Polizei. Der Wert ist jetzt, Anfang November, schon höher als in einem ganzen, anderen Jahr, in dem es viele Meldungen gibt.“

Gemeinsames Ziel von Beratungsstellen und Frauenhaus: Mehr Betroffenen helfen

Babett Görnert hilft in der Beratungsstelle „Nora
Babett Görnert hilft in der Beratungsstelle „Nora" Frauen, die von Gewalt betroffen sind. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto



Görnert, Langer und Jann-Paul wollen mehr Betroffenen helfen: „Wir hoffen, dass wir insgesamt mehr Frauen erreichen können. Es melden sich zu wenig Frauen zurück, wenn wir mit ihnen gesprochen haben. Das ist unbefriedigend“, meint Jann-Paul von der Beratungsstelle „Mira“. Sie berät mit ihrem Team größtenteils Frauen mit Migrationshintergrund, viele haben eine Flucht hinter sich. „Die Frauen lernen hier, dass sie Rechte haben und dass es nicht okay ist, wenn sie verprügelt werden“, erzählt Jann-Paul.
Durch Corona habe sich die Zahl der Beratungen nicht verändert.

Wenn Frauen sich an die Beratungsstellen „Nora“ oder „Mira“ wenden, bekommen sie Informationen, was sie tun können, um der Gewalt in ihrem Zuhause zu entkommen. „Wir informieren, was rechtlich möglich ist. Gewalt ist nicht in Ordnung und in vielen Fällen sogar eine Straftat. Wir vermitteln den Kontakt zu Frauenhäusern, wissen, wie die Polizei helfen kann und wie nach einer Trennung der Ablauf ist, wenn Kinder da sind“, erklärt Görnert. Das Problem: Die Frauen sind oft verunsichert und voller Angst, eine Folge der Gewalt, die sie erlebt haben.

Große Hürde für betroffene Frauen: Eine eigene Wohnung finden

Maria Jann-Paul arbeitet für die Mädchen- und Frauenberatungsstelle „Mira“. Sie kümmert sich größtenteils um Betroffene von Gewalt, die einen Migrationshintergrund haben.
Maria Jann-Paul arbeitet für die Mädchen- und Frauenberatungsstelle „Mira“. Sie kümmert sich größtenteils um Betroffene von Gewalt, die einen Migrationshintergrund haben. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler


Zudem helfen die Beratungsstellen bei der Suche nach Wohnungen – was nicht immer einfach ist. „Die Mietpreisgrenze, die das Jobcenter vorgibt, entspricht oft nicht der Wohnung, die den Betroffenen zusteht“, weiß Langer vom Frauenhaus. Hinzu kommt, so Jann-Paul: „Einige Frauen, die geflüchtet sind, sind hier nur geduldet, was bedeutet, dass sie kaum an eine Wohnung kommen.“
Die Liste der Hürden, die Frauen überwältigen müssen
, um nach einer gewalttätigen Partnerschaft wieder in ein normales Leben zu finden, sei lang. „So lang, dass es für die Betroffenen einfacher scheint, zu ihrem Partner zurückzukehren“, weiß Görnert.



Doch das sollen die Frauen nicht entmutigen. Die Beratungsstellen (Kontaktmöglichkeit s. Infobox) können ihnen helfen, den Weg in ein neues Leben zu starten. „Die Frauen, die es geschafft haben, sind froh und frei“, weiß Jann-Paul. Zusammen mit Görnert und Langer bittet sie die Frauen, sich zu melden. Gleichzeitig appellieren die drei an älterere Kinder, Verwandte und Nachbarn, nicht die Augen zu verschließen. „Sie sollten lieber einmal zu viel den Notruf oder
das Hilfetelefon
wählen als zu wenig“, sind sich Görnert, Langer und Jann-Paul einig.

Bochum soll zum Weltfrauentag in orangener Farbe erstrahlen

In Bochum sollen am 25. November zahlreiche Gebäude in orange erleuchtet, darunter das historische Rathaus, das Schauspielhaus, die Probsteikirche, die Pauluskirche und verschiedene Hochschulen. Da in diesem Jahr coronabedingt keine Aktionen auf der Straße stattfinden können, findet gleichzeitig in den sozialen Medien eine Fotoaktion mit den Hashtags „#orangeyourcity“ und #gegenGewaltanFrauen statt. Organisiert ist das von Zonta International Bochum, ein Zusammenschluss berufstätiger Frauen, der sich weltweit für die Verbesserung der Stellung der Frau in rechtlicher, politischer, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Hinsicht engagiert.


Größere Aktionen wie im vergangenen Jahr können wegen Corona nicht stattfinden.
Auch die Frauen vom Soroptimisten-Club Bochum/Witten hatten in diesem Jahr eigentlich eine größere Veranstaltung geplant. Stattdessen sensibilisieren sie nun mit einem Film und in den sozialen Medien für ihr Anliegen.


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wie eine Betroffene den Ausstieg aus der häuslichen Gewalt geschafft hat.