Bochum-Ost. Die AfD in der Bezirksvertretung Bochum-Ost geht gegen die Verlesung der „Resolution gegen Rechts“ vor. Der Fall landet nun beim Rechtsamt.
Die konstituierende Sitzung der Bezirksvertretung Bochum-Ost hat ein Nachspiel. Es geht um die Verlesung einer „Resolution gegen Rechts“. Die AfD-Fraktion beklagt „eine wissentliche Verletzung der Geschäftsordnung der Stadt Bochum“. Mit dem Fall wird sich nun das Rechtsamt der Stadt befassen.
Hintergrund: Dirk Meyer, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Ost, hatte vor Beginn eine gemeinsame Resolution gegen Rechts von SPD, Grünen, CDU, Linken und FDP verlesen. Dies, so die AfD, sei eine „Missachtung der Geschäftsordnung“. Begründung: „Diese Resolution hätte der AfD-Fraktion mindestens zwei Werktage vor Sitzungsbeginn vorliegen müssen. Die AfD hat von der Resolution erst erfahren, als diese kurz vor der Sitzung auf den Tischen der Mandatsträger lag. Eine eingehende Beschäftigung mit der Resolution konnte deshalb nicht stattfinden.“
AfD beruft sich auf Geschäftsordnung
Die AfD beruft bei ihrem Vorgehen auf Paragraf 2, Absatz 4 der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt Bochum, die Ausschüsse und die Bezirksvertretungen. Dort heißt es:
„Abweichend von Abs. 1 werden Resolutionen vor Eintritt in die Tagesordnung behandelt. Sie müssen dem Oberbürgermeister/der Oberbürgermeisterin und den Fraktionen zwei Arbeitstage vor dem Sitzungstag vorliegen. Resolutionen, die verspätet eingehen, können behandelt werden, wenn alle Fraktionen zustimmen. Eine Aussprache findet nicht statt. Resolutionen können nur von einem Fünftel der Ratsmitglieder oder einer Fraktion vorgelegt werden.“
Deshalb habe der Fraktionsvorsitzende der AfD-Fraktion, Christian Krampitz, die Verwaltung vor Beginn der Sitzung unter Vorlage der Geschäftsordnung auf die nicht eingehaltene Frist informiert. Krampitz’ Vorwurf: „Die Parteivertreter der SPD, Herr Meyer, und der Grünen, Herr Kühlborn, haben sich dennoch wissentlich über die Geschäftsordnung hinweggesetzt und einen offenen Eklat provoziert.“
Die AfD findet die Resolution „leider einseitig aufgebaut“, sie habe „wesentliche Punkte unberücksichtigt gelassen“. Krampitz: „Eine Verbesserung und Erweiterung der Resolution zur nächsten Sitzung wäre möglich gewesen, sodass das ernste Thema auch angemessen gewürdigt worden wäre.“
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Da die Geschäftsordnung in voller Absicht verletzt worden sei, habe die AfD-Fraktion die gesamte Bezirksvertretung inklusive Verwaltung gerügt. Krampitz: „Die Rüge ist der Bezirksbürgermeisterin und der Verwaltung noch am gleichen Abend per Mail zugegangen. Da die Bezirksbürgermeisterin und der Schriftführer selbst von der Rüge betroffen sind, wurde um eine direkte Weiterleitung ans Rechtsamt gebeten.“
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Die im Verlauf dieser ersten Sitzung am Donnerstag wiedergewählte Bezirksbürgermeisterin Andrea Busche (SPD) bestätigt, dass sich der Vorgang zur Prüfung beim Rechtsamt befindet. Sie selbst sei allerdings außen vor, weil „ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wiedergewählt war, da die Tagesordnung noch nicht eröffnet war“. Richtig sei, dass vor Eintritt in die Tagesordnung ein Text verlesen worden ist, „der von 16 Mitgliedern der Bezirksvertretung gemeinsam getragen wird und damit auch eine gemeinsame Haltung widerspiegelt. Eine Abstimmung fand nicht statt. Den Text und die damit verbundene Botschaft halte ich für richtig und wichtig.“
SPD-Politiker räumt Formfehler ein
Dirk Meyer von der SPD räumt einen Fehler ein. „Es ist offenbar so, dass eine Resolution zwei Tage vor der Sitzung allen Fraktionen zugegangen sein muss. Das wusste ich nicht. Das ist ein Formfehler, ganz klar.“ Allerdings legt Meyer Wert darauf, dass formal keine Resolution abgegeben wurde. „Es wurde ja weder abgestimmt noch über den Inhalt diskutiert. Ich habe lediglich vorgelesen, was ohnehin allen vorlag.“
Ohnehin gehe es ihm vor allem um den Inhalt der Resolution, in der sich alle Fraktionen – mit Ausnahme der AfD – klar gegen Rechts positionieren und bekennen, dass „Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Intoleranz, Hetze und Gewalt in unserer Mitte und im Bochumer Osten keinen Platz haben“. Eine Beteiligung der AfD hätte laut Meyer eh nichts geändert: „Wir hätten den Inhalt nicht nochmal modifiziert.“
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Detlef Kühlborn von den Grünen, der die konstituierende Sitzung der Bezirksvertretung Ost als ältestes Mitglied bis zur Wahl der Bezirksbürgermeisterin leitete, hatte „nicht den Eindruck, dass wir etwas falsch gemacht haben“. Da alle Mitglieder der Bezirksvertretung bereits eine Stunde bzw. 30 Minuten vor Beginn der Sitzung wegen Fototerminen anwesend waren, hätten seiner Ansicht nach die AfD-Vertreter die zweiseitige Resolution durchaus vor der Sitzung lesen und, da sie eindeutig formuliert sei, auch bewerten und sich ihr anschließen können. Es sei auch kein Gespräch z. B. mit ihm, dem Altersvorsitzenden, oder einzelnen Fraktionen gesucht worden.
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Das Ziel, so Kühlborn, schien dagegen zu sein, „das Verlesen der Resolution zu verhindern und einen Eklat zu provozieren“. Formal betrachtet sei nicht gegen die Geschäftsordnung verstoßen worden, „da die Resolution lediglich verlesen wurde und keine Aussprache und Abstimmung stattfand“. Im Übrigen findet es Kühlborn „sehr anmaßend, wenn sich die AfD-Fraktion aufschwingt, die restliche Bezirksvertretung rügen zu wollen“. Das jedenfalls sei nicht in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die „Resolution gegen Rechts“ im Wortlaut
Die gemeinsame „Resolution gegen Rechts“ von SPD, Grünen, CDU, Linken und FDP zur konstituierenden Sitzung der Bezirksvertretung Bochum-Ost in ganzer Länge:
„Der 9. November ist ein besonderer Tag in der Geschichte Deutschlands. Er ist gleichermaßen mit Freude, über die Öffnung der innerdeutschen Grenze im Jahr 1989, wie mit großer Trauer und Scham, mit Blick auf die Reichspogromnacht im Jahr 1938, verbunden.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten überall in Deutschland die Synagogen, wurden jüdische Geschäfte und Gotteshäuser geplündert, zerstört und in Brand gesetzt. Tausende von Juden wurden misshandelt und gequält, verhaftet, deportiert und getötet. Spätestens mit den Ereignissen dieser Nacht war es unübersehbar, Antisemitismus und Rassismus waren im nationalsozialistischen Deutschland staatsoffiziell geworden.
Der Völkermord an den Juden, die unvorstellbar grausamen, jeder Menschlichkeit beraubten Mordfabriken in den Konzentrationslagern, die größte von Menschen verursachte und zu verantwortende Katastrophe, die Shoa, die Ermordung von mehr als 6 Millionen Juden sind untrennbar mit diesem Datum verbunden. Der 9. November markiert den Tag, an dem die Barbareien der Nazis endgültig nicht mehr aufgehalten wurden, weil zu viele unserer Vorfahren geschwiegen und weggeblickt haben, obwohl sie hätten sehen und gemeinsam handeln können.
Auch heute sind die Zeiten so, dass wir alle miteinander sehr genau hinsehen müssen. Hetze, Pöbeleien, verbale Angriffe, extreme Parolen, radikalnationalistisches Gedankengut, rechtsextreme Reden, und auch Gewaltanwendung, Übergriffe, Mordanschläge - all das kommt in unserem Land fast täglich vor. Angriffe gegen Menschen anderen Glaubens, anderer Hautfarbe, anderer Herkunft sind leider auch im 21. Jahrhundert traurige Realität und keinesfalls nur ein Phänomen der Vergangenheit. Das wollen wir nicht hinnehmen. Das werden wir nicht hinnehmen.
Nie war die Mahnung von Bertolt Brecht „… der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch …“ so aktuell wie in unseren Tagen. Deshalb ist es richtig und wichtig, am 9. November jeden Jahres an beides, an die größte Schuld, die Menschen zu verantworten haben, und die große Freude der Maueröffnung nach 28 Jahren Teilung zu erinnern.
Der 9. November jährt sich in wenigen Tagen und wir stehen am Beginn einer neuen Wahlperiode der Bezirksvertretung Bochum-Ost. Auch in unserem Stadtbezirk sind Fremdenfeindlichkeit, Hetze, Gewalt und rechtsextremes Denken, Reden und Handeln nicht gänzlich unbekannt. Daher ist es uns wichtig, heute gemeinsam und unmissverständlich festzustellen:
- Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Intoleranz, Hetze und Gewalt haben in unserer Mitte und im Bochumer Osten keinen Platz! Wir verurteilen dieses Verhalten und eine Politik, die auf dieser falschen Überzeugung beruht, auf Schärfste. Solchem Denken und Reden werden wir uns in der Bezirksvertretung Bochum-Ost entschieden widersetzen.
- Bundespräsident Steinmeier hat am 9. Oktober diesen Jahres, am Jahrestag des Anschlags in Halle, gesagt „Wer menschenverachtende Ressentiments verbreitet und die Spaltung unserer Gesellschaft in „die“ und „wir“ vorantreibt, der bereitet den Boden für Gewalt. Hier müssen wir noch viel eindeutiger eine Grenzlinie ziehen. Diese Grenzlinie heißt: Wir dulden keine Menschenfeindlichkeit in unserem Land, nicht in Worten und erst recht nicht in Taten!“
- Deshalb werden wir alles tun, damit der Bochumer Osten ein Stadtbezirk des gemeinsamen solidarischen, friedlichen und demokratischen Miteinanders bleibt. Ein Stadtbezirk, in dem wir alle zusammenstehen und zusammenleben: Junge und Alte, neu Zugewanderte und Alteingesessene, Christen, Juden und Muslime, Gläubige und Atheisten. Wir stehen alle zusammen gegen Antisemitismus, gegen Rassenhass, gegen Muslimfeindlichkeit, gegen Menschenfeindlichkeit!“
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