Bochum-Langendreer. Schwere Zeiten brechen für Gänse in Bochum an: In einem „Gänsegutachten“ stehen Maßnahmen zur Eindämmung der Population – bis hin zum Abschuss.
Niemand hat etwas gegen Gänse. Doch ihre unliebsamen Hinterlassenschaften sind manchen ein echtes Ärgernis. So gibt es immer wieder massive Beschwerden über haufenweise Gänsekot und verdreckte Wege etwa am Kemnader See und im Stadtpark. Auch am Ümminger See in Bochum-Langendreer scheinen sich die Tiere extrem wohl zu fühlen, was die Stadtverwaltung jetzt dazu veranlasste, ein „Gänsegutachten“ in Auftrag zu geben.
Am Beispiel des beliebten Naherholungsgebiets in Langendreer hat die Biologische Station östliches Ruhrgebiet untersucht, wie man der Gänsepopulation hier Herr werden könnte und welche Maßnahmen zur Bestandsreduzierung womöglich auch an andere Standorten denkbar wären.
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Abschuss einiger Gänse wäre der letzte Schritt
Als möglicher letzter Schritt wird in dem Gutachten sogar vorgeschlagen, die Gänse zur Reduzierung der Population gezielt abschießen zu lassen oder ihre Eier zu stehlen. Doch zuvor werden eine Reihe anderer Maßnahmen erwogen.
Auf mehr als 30 Seiten macht sich die Biologische Station in dem Gutachten Gedanken über das verflixte Gänse-Problem. Im Rahmen des Förderprogramms „Grüne Infrastruktur NRW“ hat die Stadt Bochum dafür einen Förderbescheid von mehr als 265.000 Euro erhalten, worin die Erarbeitung eines solchen Gutachtens zum Gänsebestand enthalten ist.
SPD fordert Umsetzung „mit Augenmaß“
Das Gänsegutachten der Stadt steht am Donnerstag, 5. November, auf der Tagesordnung der Bezirksvertretung Ost in der Verwaltungsstelle Langendreer, Carl-von-Ossietzky-Platz 2.
Die SPD-Ratsfraktion sieht in dem Gutachten gute Lösungsansätze: „Nil- und Kanadagänse stellen keine Gefahr für unser Ökosystem dar, und laut Gutachten ist ihr Kot hygienisch unbedenklich“, sagt Ratsmitglied Martina Schmück-Glock.
„Allerdings kann ich verstehen, dass Liegewiesen oder ein Gehwege voller Gänsekot wenig attraktiv sind und Ekel auslösen. Deswegen wünsche ich mir, dass die Verwaltung die Maßnahmen umsetzt – allerdings mit Augenmaß“, so Schmück-Glock weiter.
Ekel vor dem Gänsekot
Die Übeltäter für die vielen verdreckten Wege sind schnell ausgemacht: Das Problem stellen demnach die Nil- und Kanadagänse dar, die sich auf den Liegewiesen und Wegen des Sees aufhalten. „Das Kernproblem mit Kanadagänsen am Ümminger See ist der bei vielen Parknutzern offenbar reduzierte Erholungseffekt, ausgelöst durch Ekelgefühle gegenüber Gänsekot, eventuell auch durch Angst vor Krankheiten“, heißt es in dem Gutachten. „Darüber hinaus reduziert die Verkotung die Nutzbarkeit der neu geplanten Anlage.“
Für einen genauen Überblick fand von Januar bis Oktober 2019 eine Bestandszählung der Wasservögel am Ümminger See statt. Ab April geschah dies in einem Abstand von etwa zwei Wochen. Im Juli wurden die Zählungen noch einmal gesteigert: „Dies war 2019 der Monat mit dem größten Konfliktpotenzial bezüglich der Konkurrenzsituation zwischen Kanadagänsen und Erholungssuchenden“, heißt es in dem Gutachten.
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60 Kanadagänse kommen auf 100 Menschen
Das Ergebnis: Vor allem auf der Wiese östlich des Einlaufs zur geplanten neuen Insel, die häufig zum Grillen benutzt wird, kommen an schönen Tagen mehr als 60 Kanadagänse auf etwa 100 Menschen. Doch auch auf anderen Wiesen, die von Besuchern eher selten genutzt werden, waren Gänsefamilien zu beobachten. Die Wiese und das Ufer westlich des Einlaufs gelten zudem als „Hotspot für Fütterungen“.
Eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung der Gänsepopulation schlägt das Umwelt- und Grünflächenamt auf Grundlage des Gutachtens vor. So wird etwa beabsichtigt, die Liegewiesen seltener zu mähen, „sodass sich eine Langgraswiese anstelle des Rasens etabliert, da diese als Äsungsfläche für die Kanadagans unattraktiv ist“. Zusätzlich sollen raue Gräser eingesät werden, um ein Verweilen auf der Wiese für die Gänse unangenehm zu machen.
Kann eine Rosenhecke die Gänse aufhalten?
Gleiches gilt auch für manchen Menschen: „Die Nutzung als Liege- und Grillwiese wird möglicherweise eingeschränkt durch höherstehende und scharfkantige Wiesengräser“, merkt die Verwaltung an.
Eine zweite Idee ist es, eine dichte Rosenhecke an der Promenade unter der Baumreihe anzulegen, die in der Hauptnutzungszeit von Mai bis August für die Gänse nicht zu durchdringen sei, „da sie in dieser Zeit der Vollmauser flugunfähig sind.“ Vor der Rosenhecke sei zudem eine Staudenpflanzung von raublättrigen Gräsern vorgesehen.
Das Problem: Wie kommen die Menschen über die Rosenhecke? „Ein Kompromiss ist ein kleiner Durchgang, um den Bürgern an einer Stelle ein Queren der Bereiche zu ermöglichen“, schlägt die Verwaltung vor.
Schilder sollen Fütterungen verhindern
Neben bepflanzten Drahtschotterkörben als Barriere vom Wasser zum Land wird auch ganz pragmatisch das Aufstellen von Schildern zum Fütterungsverbot erwogen – inklusive einer Kontrolle dieses Verbots. Auf die Problematik der Fütterungen soll auch auf der (im Aufbau befindlichen) Internetseite des Ümminger Sees hingewiesen werden.
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Falls all dies nicht fruchtet, werden in einem nächsten Schritt härtere Maßnahmen ins Spiel gebracht: darunter eine ein- bis zweimal jährlich stattfindende Jagd auf die Tiere „zur temporären Reduzierung des Bestandes“ und eine „Manipulation der Gelege“ durch Entnahme der Eier und Verwendung von Attrappen.
„Der Ümminger See kann als Pilotfläche für alle Bochumer Grünanlagen dienen, in denen der Gänsebestand überhand nimmt“, so das Umwelt- und Grünflächenamt.
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