Bochum. Das Standardwerk „Kumpels in Kutten“ dokumentiert die Geschichte des Heavy Metal im Ruhrgebiet. Buchvorstellung unterm Förderturm in Bochum.
Für die einen ist Heavy Metal nichts als „Krach“, für andere eine rockmusikalische Offenbarung. Zur letztgenannten Kategorie zählen sich Holger Schmenk, Schulleiter in Oberhausen, und Werner Boschmann, Verleger in Bottrop. Die Leidenschaft für harte Mucke verbindet beide seit langer Zeit: Vor exakt zehn Jahren erschien in Boschmanns Verlag Schmenks Buch „Kumpels in Kutten – Heavy Metal im Ruhrgebiet“. Nun steht der Relaunch des Standardwerks an. Nicht an den Gestaden der Emscher, aber mitten in Bochum - im Deutschen Bergbau-Museum.
Hochburg der Heavy-Szene
Dort wird die Neufassung des Buches am Donnerstag präsentiert. Was auf den ersten Blick seltsam anmuten mag - Rockmusik und Bergbaugeschichte - passt in Wirklichkeit gut zusammen. Denn dass ausgerechnet das Ruhrgebiet eine Hochburg der deutschen Metal-Szene ist, kommt nicht von ungefähr.
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Weltweit Pionierarbeit geleistet
„Die Maloche, der Krach der Fabriken und Stahlwerke, die Arbeit im Pütt: solche ,harten’ Lebensbedingungen haben auf die Menschen abgefärbt“, weiß Werner Boschmann. Und so brachten die Rohheit der Arbeit und der Stadtlandschaft des industriell geprägten Ruhrpotts in den 1980er Jahren Bands hervor, die heute weltweit zu den Pionieren des Genres gezählt werden: Sodom aus Buer, Kreator aus Altenessen, Rage aus Herne.
Auch Bochum hat sich in den Heavy-Metal-Kosmos einschrieben. Mit Axel Rudi Pell (Markenzeichen: ARP) stammt einer der bekanntesten Power-/Hardrocker aus Bochum. Seine Band „Steeler“ war Mitte der 80er ein wichtiger Motor für die Entwicklung.
Info: Heavy Metal
Heavy Metal („Schwermetall“) entstand in den 1970er als Weiterentwicklung des Hard Rock, den Bands wie Deep Purple („In Rock“), Led Zeppelin („Black Dog“) und Black Sabbath („Paranoid“) in die Welt gebracht hatten.
Wichtige Gruppen, die die Entwicklung vorangetrieben haben, waren Iron Maiden und Judas Priest in Großbritannien, Metallica und Slayer in den USA sowie Sodom, Kreator und Destruction in Deutschland.
Heavy-Metal hat sich in über vier Jahrzehnten in eine kaum zu überblickende Vielzahl von Sub-Genres wie Thrash-Metal, Doom-Metal, Black Metal, Symphonic Metal usw aufgesplittet.
So unterschiedlich die Spielarten sind, so gibt es doch verbindende Element: die Rohheit und Härte der Musik, die dröhnende Lautstärke, die teils romantisch-versponnenen, teils dämonisch-brachialen Texte.
Lange Haare („Matte“), Jeans-/Lederjacke mit Emblemen und Stickern („Kutte“) und die Bierpulle stets griffbereit – das sind typische Klischee eines Metallers. Das Buch „Kumpels in Kutten“ ist zum Glück dazu angetan, solche Vorurteile aufzulösen. Und manchen Ahnungslosen zum Umdenken zu bewegen.
Rabiate und laute Musik
„Kein Musikstil passt besser zu den Menschen im Ruhrpott. Man sollte endlich anerkennen, dass Heavy Metal ein wichtiger Teil der Kultur hierzulande ist“, wünscht sich Werner Boschmann. Denn obschon Ruhrgebiets-Bands wie ARP, Sodom oder Grave Digger größte Hallen füllen, fristet deren akzentuierte, rabiate und laute Musik immer noch ein Nischendasein. Aus dem möchte sie vielleicht gar nicht befreit werden, Stichwort: Trotzhaltung. Aber endlich als Kulturgut wahrgenommen zu werden, wie andere Musik auch, das wäre was!
„Kumpels in Kutten“ leistet in dieser Hinsicht verdienstvolle Aufklärungsarbeit. Die Autoren Holger Schmenk und Christian Krumm blättern eine Geschichte auf, wie sie sich wahrscheinlich nur zwischen Hochöfen, Zechensiedlungen, Currywurstbuden und Trinkhallen ereignen konnte.
Die Texte basieren auf Interviews, die die Autoren mit Szene-Größen wie den Musikern Mille Petrozza (Kreator), Tom Angelripper (Sodom), Chris Boltendahl (Grave Digger), aber auch mit Heavy-Metal-Multiplikatoren wie Götz Kühnemund (Chefredakteur des in Dortmund erscheinenden Fachblattes Rock Hard) oder dem Wittener Music Label-Besitzer Boggi Kopec („Drakkar“) geführt haben.
Ausgiebige Recherche
Diverse Fragen standen bei der Recherche im Mittelpunkt: Warum konnte sich ausgerechnet die Metal-Landschaft im Ruhrgebiet so erfolgreich entwickeln? Wer sind die Menschen hinter der Musik? Wieso kommen so viele Top-Bands hierher? „Das Buch will kein Lexikon sein, sondern möchte ein lebhaftes Porträt der einzigartigen Szene im Ruhrpott darstellen“, betont Verleger Boschmann.
Buchvorstellung unterm Förderturm
Es geht also um mehr als nur um Musik, vielmehr vor allem um die Hinter- und Beweggründe einer vitalen und produktiven Szene. Was sich bei der Buchvorstellung unterm Förderturm im Bergbaumuseum erweisen dürfte: Thomas Such (alias „Tom Angelripper“), legendärer Bandgründer von Sodom, und Autor Holger Schmenk werden am 1. Oktober den Gästen Rede und Antwort stehen.
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Dass Heavy Metal offenbar mehr ist als Nischenkunst, beweist der gute Publikumszuspruch: „Der Abend im Bergbau-Museum ist schon lange ausverkauft“, freut sich Werner Boschmann.
>>> Buchtipp: Holger Schmenk + Christian Krumm: „Kumpels in Kutten. Heavy Metal im Ruhrgebiet“, Verlag Henselowsky Boschmann Bottrop, 16,90 Euro
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