Gladbeck. . Seit 36 Jahren steht die Band Grave Digger für Metal aus dem Ruhrpott. Sänger Chris Boltendahl erinnert sich an die Anfänge in Gladbeck.

  • Vor 36 Jahren gründete Chris Boltendahl mit zwei Freunden die Metal-Band Grave Digger
  • Sänger Boltendahl (54) spielt als einziger aus der Ur-Besetzung noch in der Band
  • Im Januar erscheint ihr neues Album „Healed by Metal“, live zu sehen sind sie im Februar in der Zeche Bochum

Eigentlich ist es ja schon gar nicht mehr wahr. Da gab es in Gladbeck einmal eine echte Szene, Jugendtreffs, Diskotheken, Konzerte. Und es gab Bands, die über die Stadtgrenzen hinaus von sich hören machten. Doch, werden Sie sagen, das ist tatsächlich wahr. Das waren die 80er.

Chris Boltendahl erinnert sich noch gut daran. Mit seiner Band Grave Digger war er Teil dieser lebendigen Gladbecker Jugendszene. „Im Haus der Jugend haben wir uns getroffen, da gab es immer so eine Jam Session.“ Peter Masson und Philipp Seibel machten mit ihm gemeinsame Sache. Der Name der Band? Schlicht, ergreifend und unromantisch wählten die drei Jungs einen Treffer aus dem Wörterbuch, der ihnen passend erschien, und wählten die englische Variante vom Totengräber.

Grave Digger waren nie eine Schülerband

So lax sie die Wahl des Namens angingen, so ernst war es ihnen mit der Musik. „Das war schon keine Schülerband mehr“, sagt Boltendahl. Anfangs stand er am Bass, Peter Masson spielte Gitarre und sang. „Weil Peter nicht mehr singen konnte“ wechselte er selbst ans Mikro und hängte den Bass an den Nagel. Kein großes Opfer. Und für den jungen Gladbecker der Weg nach vorne. „Ich wollte sowieso immer ein Star sein“, sagt er.

Und so kam es. Auch, wenn sein Stern nicht im ganz großen Rockuniversum strahlt, sondern die kleinere, dafür weltweit vernetzte Metalszene erhellt. Und das seit gut 36 Jahren. „Ich bin einer der Menschen, die ihren Traum über die Jahre leben konnten“, sagt der 54-Jährige.

Boltendahl ist der Einzige aus der Urbesetzung

Die frühen Grave Digger.
Die frühen Grave Digger. © Braczko

Seinen Traum teilte er im Lauf der Jahrzehnte mit verschiedenen Menschen. Schon im Lauf der 1980er Jahre stiegen Masson und Seibel aus der Band aus, es folgten diverse Musiker an Bass, Schlagzeug, Gitarre und Keyboard. Derzeit teilt sich Frontmann Boltendahl die Bühne mit Axel Ritt, Jens Becker und Stefan Arnold. Gladbeck kommt im Traum nur noch am Rande vor. An früher erinnert nur noch das Café Goethestraße.

Das Haus der Jugend ist nicht mehr, das Forum am Busbahnhof Geschichte. Geblieben sind die Erinnerungen, zum Beispiel an zwei Männer namens Rösner und Degowski, die immer am Busbahnhof herumhingen – und um die Gymnasiasten wie Boltendahl und Masson lieber einen Bogen machten. „Wir hatten schon immer Respekt vor denen“, erinnert er sich. Das Geiseldrama von 1988 zeigte: Die Jugendlichen hatten Recht.

Der größte Auftritt war vor Tausenden in Wacken

Ein Jahr später packte der Sänger seine Sachen und zog an den Rhein – auch wenn die Metal-Szene ihr Zentrum im Ruhrgebiet hatte, mit Bands wie Kreator und Rage. Der Liebe wegen lebt er seither als „Immi“ in Köln. Nach Gladbeck kommt er nur noch gelegentlich, wenn er seinen Vater besucht.

Mit seiner Band hat er die Welt bereist, tourte durch Nord- und Südamerika. Der größte Auftritt der Band war 2010 beim riesigen Metalfestival Wacken in Norddeutschland. „Davon gibt es auch eine DVD – 30 Jahre Grave Digger.“ Oft macht die Band im Ruhrpott Station. Kommendes Jahr wird sie zum 18. Mal in der Bochumer Zeche spielen.

Der „Reaper“ ist das knochige Maskottchen der Band

Chris Boltendahl und einer der ersten „Reaper“. Das Skelett ist das Maskottchen der Band Grave Digger.
Chris Boltendahl und einer der ersten „Reaper“. Das Skelett ist das Maskottchen der Band Grave Digger. © Braczko

Maskottchen von Grave Digger ist ein Skelett namens „Reaper“, was übersetzt Schnitter bedeutet. „Man lebt im Metal seine düsteren Gedanken aus“, erklärt Boltendahl die oft martialisch wirkende Optik und Thematik der Bands und ihrer Fans.

Und natürlich tragen auch die harten Riffs, schnellen Rhythmen und der aggressive Gesang zum Bild der „bösen Jungs“ bei. Alles nur Show, betont Boltendahl, der einige Zeit als Sozialarbeiter Geld verdiente. „Metal hat eine der humansten Fanszenen.“

Seit 16 Jahren nur noch „trocken“ auf die Bühne

Was ihn eine Zeit lang nicht davor bewahrte, es zu übertreiben. Kein Konzert ohne Rausch, so ging es Jahre lang. Bis Boltendahl die Bremse zog. „Das erste nüchterne Konzert war das zu unserem 20-jährigen Bandgeburtstag“, sagt er. Seit 16 Jahren ist er absolut trocken.

„Die ersten paar Male ohne Alkohol auf der Bühne zu stehen, das war schon komisch“, erzählt er. Aber er blieb nüchtern. Auch seinem Sohn zu Liebe – der ist jetzt zehn Jahre alt und braucht schließlich ein Vorbild.

>> LIVE IN DER ZECHE BOCHUM

  • Die Metal-Szene hat Platz für die ausgefallensten Fanartikel . Grave Digger sind da besonders kreativ. Neben Klassikern wie T-Shirts, Sweatshirts und Tassen vertreibt die Band (vielleicht orientiert sich das Angebot ja auch an der Reife der Musiker) Whiskey, Rotwein, Olivenöl – und sogar ein veganes Shampoo . So eine Metaller-Matte muss schließlich gepflegt werden.
  • Am 13. Januar erscheint das neue Grave-Digger-Album „Healed by Metal“. Wer die Band live sehen möchte: Am 11. Februar spielt die Band in der Zeche Bochum – zum 18. Mal in der Bandgeschichte. Karten für 28 Euro plus Gebühr gibt es im WAZ Leserladen, Horster Straße 10.