Essen/Hamburg/Berlin. Hamburg, Berlin, Ruhrgebiet: Sie alle erheben den Anspruch, Heimat der Currywurst zu sein. Zum 70. Geburtstag versuchen wir, das Rätsel zu lösen.
Herbert Grönemeyer huldigte ihr mit einer Hymne, Hamburg stellte gar ein Denkmal für sie auf, Berlin erhebt seit 70 Jahren Anspruch auf die Urheberschaft: Die Currywurst, eine der letzten kurzgebratenen Bastionen im Sturm der veganen Dinkelbratlinge, hat auch im Alter nichts an ihrer zeitlosen Beliebtheit eingebüßt. Wer einen Spezialisten für „jede Menge unnützes Wissen“ rund um den Imbiss-Klassiker sucht, der wird bei Tim Koch fündig. Der Essener machte die Currywurst 2014 mit dem Konzept „Bobby & Fritz“ bundesweit als Franchise-Konzept salonfähig. Er is(s)t häufig in Berlin und Hamburg, verzehrt pro Woche im Schnitt zwei bis drei Currywürste und hat seiner Leibspeise nicht nur durch den Hashtag #crrywrst einen zeitgemäßen Auftritt verpasst. Ein Gespräch über Heimat, Heißhunger und Herta Heuwer.
Sie rufen für den 4. September zum Tag der Currywurst auf – jenem Tag, an dem die Berlinerin Herta Heuwer die Currywurst erfunden haben soll. Ist die Herkunfts-Debatte damit beendet?
Tim Koch: Mitnichten. Bis heute ist nicht ganz eindeutig geklärt, wo die Currywurst nun zum ersten Mal zubereitet wurde. Hamburg als Entstehungsort ist dabei sicherlich ins Reich der Legenden zu verweisen – auch wenn der Politiker Roland Schill dafür mal eine Gedenktafel am Hamburger Großneumarkt enthüllte. Die gibt es mittlerweile schon gar nicht mehr. Denn die dazu präsentierte Geschichte um die angebliche Erfinderin Lena Brücker ist schlicht frei erfunden: Sie stammt aus einer Novelle des Autors Uwe Timm.
...anders als die Berlinerin Herta Heuwer, die es ja wirklich gegeben hat.
Tim Koch: Ja das ist richtig und sie war sicherlich an der Entwicklung der Currywurst beteiligt. Allerdings servierte sie die Variante „ohne Darm“, die in Berlin noch immer verbreitet ist. Das zeigt ja schon, dass das Original aus dem Ruhrpott stammt: schließlich macht den echten Klassiker neben der Sauce eine kross gebratene, weiße Bratwurst aus. Zudem spricht vieles dafür, dass die britischen Alliierten das Currypulver mit ins Ruhrgebiet brachten. Unstrittig ist auch, dass die Ruhrgebiets-Variante der Currywurst als bundesweiter Standard gilt – sogar hinter dem Weißwurstäquator in München.
Wie erklären Sie sich den Kultstatus des Gerichts?
Tim Koch: Die Currywurst hat viel mit Heimat zu tun. Vor allem im Ruhrgebiet hat jeder seine Stammbude, an der es die aus seiner Sicht beste Mantaplatte gibt. Das ist ähnlich wie mit Freibad-Pommes oder dem Lieblingswein im Urlaub: Die schmecken vor allem deswegen so gut, weil das Drumherum so gut passt. Da kommen Heißhunger und große Gefühle perfekt im Bauch zusammen. Das Ruhrgebiet ist so geerdet wie die Currywurst: Das Ruhrgebiet ist die einzig wahre Heimat der Currywurst, zumindest emotional gesehen. Dass sich die geschichtliche Herkunft nie so ganz wird klären lassen, find’ ich mittlerweile gar nicht mehr so schlimm.
Hamburg, Ruhrgebiet, Berlin: Wo haben Sie bislang die beste Currywurst gegessen, abgesehen von den eigenen Restaurants?
Tim Koch: Ach, es gibt wirklich zig gute Buden. In Hamburg empfehle ich gerne das „Curry Pirates“, da gibt’s die Currywurst ihn zahllosen Varianten. Richtig kultig ist der Imbiss „Bei Schorsch“, den es seit 50 Jahren in Hamburg gibt. Dasselbe kann man im Ruhrgebiet vom Kult-Imbiss „Zum Xaver“ im Essener Stadtteil Holsterhausen sagen, der eine 1a-Currywurst serviert. In Berlin ist „Krasselt’s“ in Steglitz eine echte Institution.
Wie feiern Sie den Tag der Currywurst?
Tim Koch: Am Freitag, 6. September, steigt eine große Party im Hamburger Überquell. Daran sind auch einige Akteure aus dem Ruhrgebiet beteiligt, darunter der Essener Food-Fotograf Ian Blasshofer. Er zeigt die Currywurst bei einer Ausstellung im Überquell aus einem künstlerisch-provokativen Blickwinkel. Abends legen dann noch die Dortmunder DJs von Disco Colada auf.