Bochum. Neue Bücher aus und über Bochum hält der literarische Herbst bereit. Welche Lektüre lohnt sich? Die WAZ gibt fünf Lese-Tipps.
Bochumer Autoren sind und waren fleißig, so dass auch der Bücherherbst zahlreiche Neuerscheinungen bereit hält. Die WAZ verrät, welche Lektüre sich lohnt.
1 Literaturpreis Ruhr
Lesebücher, Anthologien haben oft den Nachteil, dass sie bei allem guten Willen, den jeweiligen Literaten umfassend vorzustellen, in ihrer Auswahl am Ende doch einer gewissen Beliebigkeit anheimfallen. Bei dem frisch erschienen Lesebuch „Ausgezeichnet“ ist dies allerdings nicht der Fall. Im Gegenteil: Für Abwechslungsreichtum und unterschiedliche Ton- und Stimmungslagen ist in dem schön editierten Buch (Lesebändchen!) gesorgt.
Es versammelt Porträts und Textauszüge von 33 Preisträgerinnen und Preisträgern des Literaturpreises Ruhr“. Die 1986 vom Kommunalverband Ruhrgebiet gestiftete Auszeichnung hatte den Wunsch nach einer Förderung der Literatur im und über das Ruhrgebiet zum Anlass. Längst ist die Ehrung etabliert, und sie repräsentiert den „Ruhrpott“, der sich immer wieder wandelt, als Bühne und Resonanzraum für Schriftsteller, die weit entfernt sind von einer gut meinenden „Literatur der Arbeitswelt“.
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Die Riege der 33 Geehrten reicht von Szene-Größen wie Lilo Rauner (erste Preisträgerin 1986), Ralf Rothmann (1996), Barbara Köhler (1999), Werner Streletz (2008) und Frank Goosen (2003) bis zu heute fast vergessenen Stimmen wie Michael Klaus (1991) oder Hans Dieter Baroth (1992). Alle Ausgezeichneten werden in lebhaften, manchmal persönlichen Porträts kenntnisreich und mit eingestreuten Textauszügen vorgestellt. Wer sich einen Überblick über das reiche literarischen Treiben in einer ehemaligen Industrieregion verschaffen will – und Lust aufs Weiterlesen bekommen will – für den ist diese Buch ein Muss!
Volker W. Degener/Jens Dirksen/Hannes Kraus: „Ausgezeichnet - Literaturpreis Ruhr. 33 Porträts“, Herausgeber Regionalverband Ruhr, 19,80 Euro.
2 Lyrisches Intermezzo
Artur Nickel ist mit Büchern wie „brückenspiele“ als Lyriker bestens eingeführt. Jetzt erscheint eine Auswahl seiner Gedichte in einem deutsch‐russischen Sammelband; Titel: „im spiegelschnitt“. Er umfasst 65 knapp gehaltene Poeme aus dem Werk des Wattenscheider Autors sowie den Essay „Warum heute Lyrik. gedankensplitter“. Nickels Texte hat Nadeshda Serebryakova übersetzt; mit der deutsch-russischen Kooperation möchten beide auch einen völkerverbindenden Akzent setzen. Bekanntlich hat das Verhältnis zwischen EU und Russischen Föderation zuletzt aufgrund von politischen Verstimmungen arg gelitten.
Literarische Landkarte
In der Kulturszene des Ruhrgebiets ist die Literatur von zentraler Bedeutung. Wie viel sich in dieser Hinsicht tut, das zeigt die Literaturkarte Ruhr.
Sie wurde 2015 an der Ruhr-Universität Bochum erstellt. Ziel war und ist es, die vielseitige literarische Szene der Region übersichtlich und für jeden zugänglich zu präsentieren.
Anhand von über 200 Markern kann man sich auf der Website http://www.literaturkarte.ruhr/ einen Überblick verschaffen.
Nickel erweist sich auch in seinem neuen Buch als ein Beschwörer vor Worten, die über das Beschreibende hinaus Räume der Reflexion, Lichtungen des Fühlens eröffnen: „dann wieder/das zerfetzte/sonnensegel setzen/und dem wind/die stirn bieten“. Er möchte, wie es in einem anderen Gedicht heißt, „zur sprache/bringen/was sich zwischen/den wortgerüsten/verliert...“. Das ist in diesem Lyrik-Band fein gelungen.
Artur Nickel: „im spiegelschnitt“, Geest-Verlag Vechta, 11 Euro
3 Poesievolle Menschenbilder
Verena Liebers gehört zu jenen Autoren, in deren Œuvre ein unverwechselbarer Stil und eine spezifische Sprache wirksam wird. Für die Bochumerin sind Bewegung, Kommunikation, Einfühlungsvermögen entscheidende Komponenten, nicht nur des Schreibens, sondern ihres Lebens schlechthin. Das merkt man Liebers’ Texten jederzeit an, die Persönlichkeit der Dichterin schimmert stets durch. So auch im neuen Buch „Wolkenballett“, das in erzählenden Gedichten Lebens-Miniaturen aufruft, die sich zu einem Rundtanz des Menschlichen fügen.
Von der „Schüchternen Begegnung“ wird ebenso erzählt wie vom „Libellenlächeln“, das man „in sanftem Sonnenspiel“ wahrnehmen kann oder von jenem unvergleichlichen Erleben, das eintritt, „Wenn ich Wolken sammele“. „Wolkenballett“ ist ein sinnlich versponnenes Buch, das Mensch und Welt, Gefühl und Gedanke als Poesie der Begegnung einfängt und zum Klingen bringt.
Verena Liebers, „Wolkenballett“, Dahlemer Verlangsanstalt, 17 Euro.
4 Entdeckungstour an Rhein und Ruhr
Das Ruhrgebiet zu entdecken, ist auch heute noch ein Abenteuer. Nicht, weil der „Wilde Westen“ so sehr gefährlich wäre, aber weil es so viel zu sehen gibt! Zwei neue Reisebücher belegen die bunte Vielfalt und die raue Eigenarten des Reviers. In „Zeitzeugen aus Stein, Stahl und Kohle“ ist Rolf Kiesendahl Industriedenkmälern auf der Spur; von der St.-Antony-Hütte in Oberhausen über die Herner Flottmannhallen bis zur Zeche Hannover in Hordel stattet er vielen alten und neu erstrahlenden Kraftorten einen Besuch ab.
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In „Ausflugsziele im und rund um das Ruhrgebiet“ stellen Kiesendahl und Sylvia Lukassen knapp und informativ Sehenswürdigkeiten zwischen Niederrhein und Westfalen vor, wobei Bochum selbstverständlich populär vertreten ist. Aber auch entferntere Stationen wie die Müngstener Brücke oder das Schloss Dyck in Jüchen werden nicht ausgespart. Zwei schöne Bücher mit reichlich Input, die auch für Kenner der Rhein-/Ruhr-Region Überraschendes bereithalten.
Rolf Kiesendahl: „Zeitzeugen aus Stein, Stahl und Kohle“; Sylvia Lukassen/Rolf Kiesendahl: „Die schönsten Ausflugsziele im und rund um das Ruhrgebiet“. Beide Bände erscheinen im Ellert & Richter Verlag Hamburg, jeweils 10,30 Euro.
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